http://www.teilzeithelden.de
Wie entwickle ich ansprechende Abenteuer, mein eigenes Magiesystem oder eine neue Rollenspielwelt? Was muss ich beachten, um als professioneller Autor ernstgenommen zu werden? Die Antworten auf diese und andere Fragen versprechen namhafte Autoren wie Wolfgang Baur, Monte Cook oder Michael Stackpole im Sammelband Complete Kobold Guide to Game Design.
Rezension: Complete Kobold Guide to Game Design
In seiner fünfjährigen Publikationsgeschichte veröffentlichte das Fanzine Kobold Quarterly auch diverse Abhandlungen zum Thema Spieldesign, die später in drei thematischen Bänden zusammengefasst wurden. Seit 2012 liegen diese Essays auch als ein kompletter Sammelband vor.
Inhalte
Der Complete Kobold Guide to Game Design ist in drei Themenbereiche aufgeteilt, die wiederum je rund ein Dutzend Essays umfassen: Game Design, Enhancing Adventures und Writing, Pitching, Publishing.
Der erste Bereich zum eigentlichen Design widmet sich vor allem Grundfragen: Was ist Spielentwicklung, wie unterscheidet sich das Design zwischen den Medien Computer und Tabletop? Wie entwickle ich kreative Ideen, und wie halte ich diese kompakt und spielbar?
Zudem behandelt dieser Bereich auch einige spezifische Themen, denen man sich bei der Entwicklung eines eigenen Regelgerüsts im Rollenspiel stets stellen muss und geht hier auch stärker ins Detail, so etwa beim Entwurf eines Kampf- und ein Magiesystems. Auch die alten Gedanken zahlreicher Forendiskussionen über Realismus im Rollenspiel oder die Abgrenzung zwischen Literatur und Spiel werden analysiert.
Zum Themenkomplex der Verbesserung von Abenteuern gehen die Essays auf verschiedene Genres ein wie etwa Stadtabenteuer, Mystery, 1001 Nacht oder Detektive. Auch sehr DnD-spezifische Inhalte wie das Unterreich der Drow, die Entwicklung von Monsterbegegnungen und Monsterhorden werden behandelt.
Der letzte Themenbereich zum Schreiben und Publizieren wendet sich vor allem an die Leser, die selber einen Fuß ins professionelle Rollenspielgeschäft setzen wollen. Entsprechend bodenständig sind auch die Punkte, die hier angesprochen werden: Für welches Publikum schreibe ich, was sind die Vor- und Nachteile von Zusammenarbeit mit einem anderen Autor, und wie überwinde ich den kreativen Leerlauf während des Schreibens? Auch die Bedeutsamkeit von Testspielen bekommt eine eigene Abhandlung, und wie man seine Werke bei Verlagen unterbringt.
Nutzen
Der Complete Kobold Guide to Game Design behandelt ein sehr weites Feld. Anders als der Titel suggeriert, ist die grundlegende Spielentwicklung nur ein Thema des Sammelbandes. Tatsächlich sollten die meisten Leser durch das breite Spektrum der zahlreichen Aufsätze aus der Lektüre neue Erkenntnisse für das eigene Ausarbeiten von Spielen und Abenteuern ziehen können.
Das erste Kapitel über das eigentliche Spieldesign gibt gute Hilfestellungen, wie man an den eigenen kreativen Prozess herangehen kann. Das beginnt beispielsweise mit der simplen Erkenntnis, dass nur selten wirklich Neues geschaffen wird, sondern Design oft nur aus der originellen Kombination von Bekanntem besteht. Ähnlich anregend, wenn auch sehr speziell, fand ich beispielsweise den Einblick in die Ziele und das angestrebte Spielgefühl des Lead Designers bei der Entwicklung der Vierten Edition von Dungeons & Dragons. Von derartigen Abhandlungen über die grundlegenden Entscheidungen beim Spieldesign hätte ich mir sogar noch mehr gewünscht.
Der zweite Themenbereich über die Erweiterung von Abenteuern präsentiert zwar viele gute Ideen, von denen man als Spielleiter generell profitieren kann, hinterlässt bei mir aber einen schalen Beigeschmack. Zu sehr schränken sich die Texte selbst ein, indem sie sich sehr stark auf die Perspektive von Dungeons & Dragons in der zur Zeit der Veröffentlichung aktuellen Vierten Edition konzentrieren. Tatsächlich gibt es doch aber in unserem Hobby diverse etablierte Systeme, die die in den Essays behandelten Genres wie Detektivabenteuer, Mystery oder Horror bereits vorbildlich bedienen. Sowohl von den Autoren als auch den Käufern des Guide, die sich offensichtlich tiefer mit den Möglichkeiten von Spieldesign befassen, erwarte ich jedoch, dass sie mit genau diesen Alternativen längst vertraut sind.
Auch widmen sich zwei Abhandlungen explizit der Entwicklung von Verliesen und den darin auftauchenden Monsterhorden aus der Perspektive der Tabletop-lastigen Vierten Edition von Dungeons & Dragons. Durch die erst vor kurzem erschienene neueste Fassung dieses Rollenspiels sind diese Texte nunmehr überholt.
Das dritte Kapitel schließlich befasst sich mit der nüchternen Erkenntnis, dass Spielentwicklung letztlich auch nichts anderes als Arbeit ist. So widmet sich etwa ein Artikel dem nötigen Motivationsschub, wenn ein Projekt sich seinem Ende nähert und nur noch zur unangenehmen Pflicht verkommt, nachdem der anfängliche kreative Funke des Neuen längst erloschen ist. Ebenso aufschlussreich ist das Essay über die Erwartungshaltung von Verlagen, denen es letztlich darum geht, dass ein Autor gemäß den aufgestellten Richtlinien liefert.
Auch in diesem Kapitel finden sich Abhandlungen, die aus der Perspektive eines Autors für Dungeons & Dragons geschrieben sind, wie etwa über den essentiellen Prozess des Testspielens oder den Fluss der Szenen in einem Abenteuer. Im Gegensatz zum zweiten Kapitel über Abenteuerideen gehen sie hier aber als gute Beispiele für die behandelten Themen durch.
Preis-/Leistungsverhältnis
Der ursprüngliche Preis von 40,- USD für diesen Sammelband erscheint mir für ein reines PDF ein wenig hoch. Zwar erhält man ein umfangreiches Buch mit durchweg gut geschriebenen Texten namhafter Autoren, allerdings kann man für einen vergleichbaren Preis auch gedruckte Bücher in aufwändigerer Aufmachung erstehen. Den zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Rezension auf die Hälfte reduzierten Preis empfinde ich eher als angemessen.
Erscheinungsbild und harte Fakten
Die Optik des Complete Kobold Guide to Game Design ist vor allem zweckmäßig. Nur der Einband ist farbig, das gesamte Innenleben in schwarz-weiß. Auch der Inhalt präsentiert sich ohne große Spielereien: Nach Inhalt und Vorwort folgen direkt die einzelnen Essays, nur eine einzige Illustration eines Kobolds lockert im Vorderteil das Aussehen auf. Sämtliche Texte sind einspaltig gesetzt, wegen des Buchformats von knapp über Din A5 aber gut lesbar. Zudem sorgen großzügige Leerseiten zwischen den einzelnen Abhandlungen für gute Übersichtlichkeit.
Alle Essays sind durchweg gut geschrieben und lesen sich flüssig und anregend. Die eigentlich sehr sachlichen Inhalte werden durch den vertraulichen Tonfall, der den Leser direkt ansprecht, angenehm aufgelockert.
Das PDF verfügt über Lesezeichen zu jedem einzelnen Abschnitt und Beitrag, der Text ist kopierbar.
Fazit
Der Complete Kobolds Guide to Game Design bietet eine Fülle von Ideen, Hilfestellungen und Einblicken in den Designprozess im Rollenspiel. Dank der umfangreichen Bandbreite der behandelten Themen von der kreativen Idee über das Verfassen origineller Abenteuer bis hin zu den arbeitsintensiven lästigen Pflichten beim Schreiben, können sowohl Spielleiter als auch Autoren mit Ambitionen auf eine professionelle Tätigkeit in diesem Sammelband zahlreiche Anregungen für ihre eigenen Werke finden.
Zwar schränkt das Buch sich nicht selten selbst ein, indem es etliche Themen aus der Perspektive des Rollenspielklassikers Dungeons & Dragons in dessen inzwischen überholter Vierten Edition betrachtet und alternative Systeme nur am Rande erwähnt. Da aber sämtliche Essays des Bandes durchweg gut geschrieben sind und ihre Ideen gut vermitteln, ist der Complete Kobolds Guide to Game Design dennoch eine empfehlenswerte Lektüre.
|