https://www.teilzeithelden.de/2019/05/06/rezension-the-one-ring-the-laughter-of-dragons-wider-der-zwietracht
Seit dem Tod des mächtigen Drachen Smaug gibt es ein starkes Bündnis zwischen den Königreichen Erebor und Dale. Dem Feind ist die Stärke der Freien Völker im Norden der Wilderlands ein Dorn im Auge. Deshalb schickt er einen seiner mächtigsten Diener, um Menschen und Zwerge in bitteren Zwist zu stürzen.
Zu den Quellenbücher des Mittelerde-Rollenspiels The One Ring bringt der Verlag Cubicle 7 in der Regel auch einen Abenteuerband heraus. The Laughter of Dragons baut auf Erebor auf, dem Ban dum das namensgebende Zwergenreich und das Königreich Dale (dt. Thal) am Fuße des Berges. Beide Reiche arbeiten eigentlich eng zusammen und sind sich in Freundschaft verbunden, doch der Feind fühlt sich von dieser Eintracht bedroht. Er schickt einen mächtigen Diener, um einen Keil zwischen beide zu treiben. Was dieser plant und was die Gefährten dagegen unternehmen können, das versprechen Klappentext und Einleitung zu zeigen.
Inhalt
Zu Beginn steht eine Einleitung, in der die Abenteuer kurz vorgestellt werden. Diese können alleinstehend gespielt werden, sollen aber verbunden eine längere Handlung über die Pläne Feindes ergeben, quasi eine kurze Kampagne. Anders als beispielsweise Oaths of the Riddermark, dem Abenteuerband zu Rohan, haben die Abenteuer hier eine leichte Anknüpfung an eine andere Kampagne, The Darkening of Mirkwood, was aber nur Aufhänger ist. Es wird hauptsächlich bei der zeitlichen Einordnung berücksichtigt. Weitere Kenntnis der Kampagne ist daher nicht nötig.
An sich schön ist, dass ein paar wichtige NSC schon zu Beginn gelistet und erklärt werden. Das erleichtert die Einordnung, auch wenn es gut gewesen wäre, ebenso mit Seitenzahlen auf die passenden Stellen zu verweisen.
Die Abenteuer
Ab hier folgen Spoiler, an zwei Stellen auch zu Tales from Wilderland und The Darkening of Mirkwood, weshalb nur potenzielle Spielleiter*innen diesen Teil lesen sollten.
Belanglos und unlogisch
The Silver Needle
Während sie in The Silver Needle auf die Öffnung der Stadttore von Dale warten, werden die Gefährten Zeuge eines scheiternden Überfalls auf die alte Schneiderin Kelda. Schnell hören sie Gerüchte, dass der Räuberhauptmann Longo dahinterstecken soll. Der Hobbit Clovis weist ihnen die Richtung zu Longos Lager, doch das stellt sich als Hinterhalt heraus. Bei einem Überfall des Orks Radbal erfahren die Gefährten zufällig, dass Longo ein Hobbit ist… nämlich Clovis! Der hat mittlerweile Kelda eine magische Nähnadel stehlen lassen, die der Nazgûl Morlach, verdeckter Strippenzieher des Feindes, haben möchte. Die Gefährten haben gerade noch die Gelegenheit, Kelda vor einem Brandanschlag zu retten. Nun müssen sie Longo finden, der seinerseits von einer verfluchten Schwertscheide kontrolliert wird, und der Gerechtigkeit zuzuführen.
Dieses Abenteuer ist leider nicht gut geschrieben. Nicht nur, dass die Handlung irgendwie belanglos wirkt, vieles von dem, was passiert bzw. passieren soll, ist logisch nicht nachvollziehbar: Warum scheitert eigentlich der erste Überfall auf Kelda? Warum schickt Clovis/Longo die Gefährten überhaupt los, statt ihnen einfach konsequent aus dem Weg zu gehen? Warum fühlt sich der Ork Radbal von Longo betrogen? Er wusste doch schließlich, dass die Gefährten kommen! Generell ist die Aufdeckung der Identität sehr künstlich und erzwungen. Warum wird Keldas Haus erst angezündet, nachdem die Gefährten wieder in Dale sind, und nicht schon in der Nacht des Einbruchs? Auch fallen ein paar Ungenauigkeiten auf. Gerade wenn es darum geht, was wo liegt und wie lange Dinge dauern. Sehr negativ fällt die Begegnung mit dem Charakter Lord Hakon gegen Ende auf, der ebenfalls ein wiederkehrender Feind werden soll, hier aber mehr schlecht als recht eingeführt wird. Die Begegnung mit ihm widerspricht einfach vielen Regeln des guten Spielleitens. Longos verfluchte Schwertscheide ist des Weiteren derart übermächtig, dass er kaum überwunden werden kann.
Am schlimmsten ist aber, dass an keiner Stelle klar wird, was der Nazgûl eigentlich mit dieser Nähnadel will. Es bleibt nämlich letztlich eine Nähnadel!
Solider Investigativteil
Of Hammers and Anvils
Auf ihrem Weg nach Dale finden die Gefährten den Zwerg Balin verletzt in einer Schlucht. Von ihm erfahren sie, dass er von Menschen überfallen wurde. Die Angreifer haben die Gefährten nur Momente vorher auf dem Fluss vorbeisegeln sehen. An nächsten Tag geht in Dale die Nachricht herum, dass Balin ermordet wurde, doch das stellt sich als Finte heraus, um seinen Feinden zu entkommen. Balin ist einer Verschwörung auf der Spur, die sich gegen Erebor richtet, und bittet die Gefährten um Hilfe bei der Aufklärung. Einige Untersuchungen ergeben, dass der verbitterte Zwergenschmied Niping im Hintergrund die Strippen zieht, um die Zwergengesellschaft nach seinen Vorstellungen zu formen. Bald schon werden die Gefährten von Lord Gunvar, einem von Nipings menschlichen Strohmännern, eingeladen, sich der Verschwörung und einer Sabotageaktion im Erebor anzuschließen. Wie sie jetzt handeln bestimmt, ob es in den Tiefen des Lonely Mountain zur Konfrontation kommt.
Ganz zu Beginn des Abenteuers steht ein klassischer Anfängerfehler: Der Fortgang wird von einem einzigen Würfelwurf abhängig gemacht! Nicht so toll. Später wird dafür oft nicht genannt, was für Würfe für offensichtliche Probleme notwendig sind.
Der Investigativteil ist durchaus solide, endet aber sehr gelenkt durch die Einladung von Lord Gunvar. Der verhält sich teils unlogisch. Denn wenn er sich wie beschrieben gut über die Gefährten informiert hat, sollte er eigentlich nicht so offen sein Blatt zeigen. Generell ist die Begegnung mit ihm etwas verwirrend beschrieben. Wieder kommt Lord Hakon vor, diesmal so verdeckt, dass man ihm nicht auf die Schliche kommen kann.
Insgesamt ist dieses Abenteuer von vielen handwerklichen Fehlern durchsetzt. Die Story um die Verschwörung hätte hier gut in Gang kommen können, wenn man verstehen würde, was eigentlich speziell mit dieser Aktion bezweckt werden sollte. Der Plan ist ein sehr offensichtliches Manöver und schadet den menschlichen Verschwörern eigentlich nur. Der Zwerg Niping taucht übrigens nie auf und man erfährt nirgendwo, was aus ihm geworden ist.
To Dungeons Deep
In To Dungeons Deep beauftragt Lord Jofur die Gefährten, den zwergischen Gelehrten Domi zu finden. Dieser gab an, möglicherweise das vergessene Mausoleum des ältesten Sohns von Girion, den letzten König des alten Dale, gefunden zu haben. Zu einem geplanten Treffen mit König Bard ist er nie erschienen. Auch die Zwerge von Erebor wissen von diesem Mausoleum, und es kündigt sich jetzt schon an, dass es Streit um die Schätze dort geben wird. Nach einer anstrengenden Suche finden die Gefährten den alten Zwerg bei einer Gruppe Söldner und Orks, die ihn und seine Begleiter gezwungen haben, das Mausoleum freizulegen. Nach seiner Befreiung können sich die Gefährten davon überzeugen, dass die Gerüchte über die Schätze wahr und nicht übertrieben sind. Auf dem Rückweg werden sie in ein Lager der Bardinger und Zwerge geführt und müssen sich dort in den Streit darüber einmischen, wem die Fundstücke zustehen.
Dieses Abenteuer hat eine solide Handlung, die gut ausgearbeitet wurde. Erstmals ist hier wirklich verständlich, was aus welchem Grund vor sich geht, und der Plan des Feindes ist spürbar. Lord Hakon, der Diener Morlachs unter den Bardingern, kommt hier auch erstmal gut zur Geltung, ohne ihn zu enttarnen. In den vorangegangenen Abenteuern war seine Beteiligung eher mäßig eingefügt. Einziges Manko ist, dass nicht wirklich auf die Möglichkeit eingegangen wurde, Hinweise auf die Feinde im Hintergrund zu erlangen. Sowohl die Söldner als auch ein spektakulärer Angriff bieten eigentlich dazu Gelegenheit. Aber Befragungen oder ähnliches werden nicht einmal vorgeschlagen.
Gandalf höchstselbst taucht im Epilog kurz auf, aber leider auf eine Weise, wie gerade er es nicht sollte: Beliebig und uninspiriert.
In Sleeping Dragons Lie sendet König Dáin die Gefährten und andere Abenteurer mit keinem geringeren Auftrag aus, als einen Drachen zu erschlagen. Das Ganze soll allerdings möglichst unauffällig vonstattengehen, denn der König vermutet überall Spione des Drachen. Es ist eine beschwerliche Reise, auf der die Gefährten nicht nur gegen Orks und korrumpierte Konkurrenten kämpfen müssen, sondern vor allem die Landschaft selbst zum Feind haben. Wenn das alles überstanden ist, gilt es immer noch, einen leibhaftigen Drachen zu erschlagen!
Sleeping Dragons Lie
Dieses Szenario kann genutzt werden, um an das Abenteuer The Watch on the Heath in Tales of the Wilderlands anzuschließen, indem man den Drachen Raenar wieder auftauchen lässt. Das Szenario nutzt eine abgewandelte Variante der Regeln für das Eye of Mordor aus dem Quellenband Rivendell. Ich bin persönlich kein Freund dieser Regel, aber hier ist das ganze zumindest halbwegs ins Szenario eingebunden. Denn letztlich wird darüber bestimmt, wie mächtig der Drache ist, wenn die Helden ihm gegenübertreten. Leider ist der Hintergrund dieses Mächtiger-werdens nicht ganz ersichtlich. Die Reise zum Ziel ist wirklich strapaziös für die Gefährten. Schöner wäre es allerdings gewesen, hätte es mehr gut ausgearbeitete Hindernisse gegeben, statt vieler Hazards. Die werden nämlich in der Regel mit ein oder zwei Würfen aufgelöst. Der Drache selbst ist dann wahrscheinlich ein brutaler Gegner!
Schwach hingegen sind die konkurrierenden Drachenjäger, die ich allesamt nicht überzeugend eingebunden finde, obwohl sie Potenzial hätten. Entweder fallen sie durch merkwürdige Motivationen oder seltsames Verhalten auf. Auch fällt auf, dass das Szenario eigentlich gar nicht in die Hintergrundhandlung des Bandes eingebunden ist.
Dark Waters
Dark Waters beginnt mit dem Verschwinden des Schmieds Orsmid, der an einer prestigeträchtigen Statue König Bards in Laketown gearbeitet hat. Nachforschungen auf Bitten seiner Schülerin enthüllen schon bald eine alte Feindschaft, die sich um einen kostbaren schwarzen Edelstein dreht. Letztlich führt die Untersuchung die Gefährten über Umwege unter die Plattformen von Lake-town, wo Orsmid von einer Gruppe krimineller Waldelben gefangen gehalten wird, und zusätzlich eine schreckliche Bestie lauert.
Wenn der letzte Satz irritiert, ist das zu Recht. Was eine spannende Geschichte um die Schuld aus vergangenen Zeiten und zerbrochene Freundschaften zu sein scheint, wird gegen Ende mit einer zweiten Thematik verknüpft (kriminelle Waldelben, die Mud-men), die nicht nur mehr als gekünstelt und fehl am Platz wirkt, sondern auch mit dem Rest nichts zu tun hat. Dabei ist der vorangegangene Investigativteil schön gestaltet und hat viele Hinweise. Aber der Twist gibt dann leider nichts her, die alte Feindschaft zwischen Orsmid und dem Händler Odvarr, die eine Vergangenheit als Diebe teilen, wird kaum aufgegriffen, und das Monster, das Guttermaw, ist nur um seiner selbst willen eingefügt.
Mit der Prämisse des Bandes hat auch dieses Szenario wieder nichts zu tun.
Shadows in the North
Ein weiteres Mal ist es Balin, der die Gefährten in Shadows in the North um Hilfe bittet. Sie sollen eine Orkarmee auskundschaften, die sich nicht allzu weit weg sammelt. Es stellt sich jedoch heraus, dass dies nur eine Täuschung und Falle des Nazgûls ist, der den Arkenstone stehlen will. Bei ihrer Rückkehr nach Dale werden nicht nur die Gefährten, sondern auch Balin festgenommen. Der verräterische Lord Hakon hat einen Prozess angeleiert, um die lästigen Gefährten endgültig aus dem Verkehr zu ziehen. Ob sie dem durch Wortgewandtheit oder Flucht entgehen, ihr Weg wird sie zum Erebor führen. Dort müssen sie durch eine waghalsige Flucht durch den Einsamen Berg den Arkenstone retten, denn die Ringgeister selbst sind gekommen, um ihn sich zu holen.
Hier sollen alle Fäden der bisherigen Abenteuer zusammenführen… nur: Was sollen das für Fäden sein? Die Pläne des Feindes waren in den vorherigen Abenteuern nicht besonders beeindruckend, und selbst die wurden ja wahrscheinlich von den Gefährten vereitelt. Daher ist die angespannte Stimmung, von der im Abenteuer gesprochen wird, nicht so recht glaubhaft. Ebenfalls nicht verständlich ist, warum die Nazgûl den Arkenstone nicht von Anfang an versucht haben zu stehlen. Probleme in den Erebor einzudringen scheinen sie keine zu haben! Störend ist auch die plumpe Enthüllung dieses Plans durch einen Gegner, der einfach die Klappe nicht halten kann. Leider ist auch der Prozess insofern eher uninteressant, da keine Möglichkeit vorgesehen ist, wirklich etwas zu bewirken (z.B. Lord Hakon zu enttarnen). Selbst im besten Fall führt einen das Szenario letztlich an die gleiche Stelle. Dafür ist die Flucht durch den Erebor definitiv die beste Szene im ganzen Band, spannend und abwechslungsreich gestaltet. Nett ist auch, dass sich zumindest bemüht wurde, möglichst viele interessante NSC aus den vorangegangenen Abenteuern einzubauen.
Gandalf taucht in diesem Szenario auf, was tatsächlich auch passend wirkt. Unschön ist nur eine Hilfe nach der Art deus ex machina. König Bard taucht hier erstmals in persona auf, verhält sich aber erst desinteressiert, nur um gegen Ende doch etwas zu machen. Seine Passivität wurde den ganzen Band damit gerechtfertigt, dass die Abenteuer kurz nach dem Tod seiner geliebten Königin in The Darkening of Mirkwood spielen. Das hätte man aber bis zum Ende durchhalten sollen.
Wie bei Niping erfährt man übrigens nicht Lord Hakons endgültiges Schicksal, sondern wird auf später vertröstet.
Der Anhang
Im Anhang finden sich die Werte und Regeln für die Verwendung der Ringgeister. Das ist gut, da man so nicht The Darkening of Mirkwood als Referenzwerk braucht.
Erscheinungsbild
Auch diese Publikation für The One Ring hält den hohen Standard an die Optik aufrecht. Gute Illustrationen unterstreichen die beschriebenen Situationen. Vor allem gibt es aber wieder tolle Portraits von NSC, die glaubwürdige Menschen und Zwerge darstellen.
Text ist wie üblich zweispaltig und lässt sich gut lesen. Textwüsten gibt es keine, da Überschriften, Textkästen und Illustrationen immer wieder für Auflockerung sorgen. Im PDF laden die Seiten zügig, wenn man das Zoom nicht zu groß einstellt.
Bonus/Downloadcontent
Die Karten, leider ohne Beschriftung der Schauplätze.
In der PDF-Version sind die Karten, die sich normalerweise im Einband befinden, gesondert als PDF beigefügt. Leider wurde versäumt, auch Orte aus den Abenteuern einzutragen.
Fazit
Leider fällt der Gesamteindruck zu The Laughter of Dragons schlecht aus. Zunächst verfehlt der Band es, das zu erzählen, was er versprochen hat. Von subtilen Plänen des Feindes bekommt man nicht viel mit. Das, was er letztlich versucht, ist entweder undurchdacht oder eher Holzhammermethode. Löbliche Ausnahme ist nur To Dungeons Deep. Zwei Abenteuer haben gleich gar nichts mit der Grundhandlung zu tun.
Noch schwerer fällt allerdings ins Gewicht, dass die Abenteuer insgesamt nicht besonders gut sind. Nur zwei, wieder To Dungeons Deep und Sleeping Dragons Lie, würde ich als solide bezeichnen, der Rest ist mäßig oder schlechter. Aber keines hat beim Lesen wirklich Lust gemacht, es zu spielen!
Woran aber liegt das? Zum einen daran, dass es keine starken NSC gibt. Viele sind zwar nett gemacht, aber gerade unter den Gegnern ist keiner, der in Erinnerung bleiben wird. Wie auch, wenn man nie erfährt, dass sie hinter etwas stecken?
Die Handlungen der Szenarios sind oft nicht gut konstruiert, haben merkwürdige Wendungen oder wirken uninspiriert. Handwerkliche Fehler sind auch öfters zu finden.
Insgesamt ist von diesem Band abzuraten, gerade für seinen hohen Preis. Schade, dass hier so viel Potenzial für eine Kurzkampagne vor dem spannenden Setting Erebor und Dale vergeben wurde.
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