https://www.teilzeithelden.de/2018/08/02/ersteindruck-xas-irkalla-nur-der-tod-ist-real/
Du erwachst verwirrt in einer kargen Ödnis. Erinnerungen an dein altes Leben flackern durch deinen Verstand. Kaum hast du dich orientiert, hetzen dir vier Männer in schwarzen Roben entgegen. Scharfe Klingen schwingend heißen sie dich willkommen in Irkalla – dem Ort ewiger Prüfungen und ewiger Verdammnis.
Xas Irkalla ist ein düsteres Rollenspiel, das den Überlebenskampf in einer gnadenlos feindlichen Umgebung in den Vordergrund rückt. Die Charaktere erwachen nackt und verwirrt inmitten der Spielwelt. Ihnen ist klar, dass sie einst ein anderes Leben führten, aber nun müssen sie in der bizarren Welt von Irkalla überleben.
„Die wichtigsten Inspirationen für diese Spielwelt“, so Designer James Vail, „sind Cormac McCarthys The Road, satanischer Black Metal und das alte Mesopotamien. Dies“, so fährt er fort „ist keine weitere düstere Fantasy, inspiriert durch Tolkien, Lovecraft oder Martin. Dies ist ein Survival-Horror-Rollenspiel in Reinform.“
Die Spielwelt
Irkalla ist eine Welt jenseits aller bekannten Welten. Ein lebensfeindlicher Ort, dünn besiedelt und verrottend. Es gibt tödlich kalte Wüsten, karge Wälder, vulkanische Berge und andere unwirtliche Gegenden. Wer in Irkalla landet, ist dazu verdammt, dort zu sterben – und wahrscheinlich wird es kein natürlicher Tod sein.
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Die Spielercharaktere sind Gestrandete in Irkalla. Sie sind die letzten Überlebenden ihrer Heimatwelt, die, so werden sie irgendwann realisieren, nichts als nur der Traum eines schlafenden Psionikers war, der in Irkalla ruhte und dort verstarb. Eine Laune dunkler Götter hat sie überleben lassen und an einen obszönen Ort jenseits aller kosmischen Gesetze gebracht
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Unvermittelt und ohne zu wissen, wie sie dort gelandet sind, erwachen die Spielercharaktere in Irkalla. Immerhin, sie sind nicht alleine, sondern beginnen ihre Reise gemeinsam. Schnell stellen sie fest, dass ihre Umgebung ihnen feindselig gegenübersteht. Gejagt von erbarmungslosen Bestien oder gefangen in fallengespickten Labyrinthen müssen sie sofort beweisen, dass sie es würdig sind, zu überleben.
Stoßen sie auf andere humanoide Bewohner, werden ihre Schwierigkeiten vermutlich noch größer. Menschenfleisch ist ein begehrtes Nahrungsmittel in Irkalla, in dem so gut wie keine Pflanzen wachsen und Tiere eine gefährliche Beute sind. Vielleicht stoßen sie auch auf Sklavenjäger, die sie in eine der tristen Städte zerren und dort verkaufen oder zum Kampf in die Arena schicken.
Im Schatten enigmatischer und vielgestaltiger Kolosse winden sich wimmernde Massen in den verfallenden Zentren des verfluchten Irkalla. Wer seine Freiheit behaupten möchte, sucht sein Heil in der tödlichen Wildnis, schließt sich vielleicht anderen Überlebenden an. Doch feindliche Stämme ziehen durch die Lande, kämpfen um die wenigen Wasserlöcher oder halbwegs fruchtbare Wiesen. Der Kampf ums Überleben ist endlos.
Ihr merkt es vielleicht schon: Xas Irkalla ist anders als andere Rollenspiele. Mögliche Abenteuer sind hier nicht heroische Questen oder riskante Aufträge, sondern stets der Kampf ums eigene Überleben. Die Spielwelt ist ein Ort, an dem es keinen endgültigen Sieg und kein Happy End geben kann.
Die Beschreibung der spärlichen Zivilisationen ist zudem gespickt mit okkultistischen Begriffen. Die Charaktere, sofern sie denn lange genug überleben, können tief in die Mysterien dieser Welt eintauchen. Sie können Fähigkeiten erwerben, die sie den schlafenden Architekten von Irkalla ähnlich werden lassen. Wer weiß, eines Tages mögen sie vielleicht selbst einmal in ihren Träumen Welten erschaffen oder Irkalla gestalten.
Die Regeln
Xas Irkalla funktioniert nach den Strain-Regeln. Das bedeutet, dass ein narrativ ausgerichtetes und schlankes Regelwerk durch das Spiel führt. Einzige Ausnahme sind die detaillierten und simulativen Kampfregeln, die allerdings auch in diesem Fall nur vier Seiten in Anspruch nehmen.
Eine interessante Ergänzung sind die Regeln zum Aufbau und der Pflege einer Siedlung. Sollten die Charaktere sich tatsächlich einer Gruppe Überlebender in der Wildnis anschließen, können sie anhand der vorhandenen Regeln Einfluss auf die weitere Entwicklung der Siedlung nehmen. Bis ins kleinste Detail gehen die Regeln aber nicht, sondern dienen nur dazu, den Spielern die Möglichkeit zu geben, zumindest ein bisschen das Schicksal ihrer Nichtspieler-Gefährten zu beeinflussen.
Seiner Spielwelt entsprechend sind auch die Regeln für den individuellen Überlebenskampf gut ausgearbeitet. Gute Ausrüstung und magische Artefakte können das Zünglein an der Waage sein, um im ewigen Kampf zu bestehen. Prinzipiell ist Xas Irkalla auch ohne das Strain-Regelbuch spielbar, aber zum besseren Verständnis der Regeln ist es natürlich hilfreich.
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Wie oben angedeutet, können es die Spielercharaktere durch wachsende Erfahrung und die richtigen Artefakte schaffen, überdurchschnittlich mächtig zu werden. Sie werden dann selbst zu einem der ewig schlafenden Architekten und verlassen das normale Spiel damit. Mithilfe ihrer neuen Kräfte, können sie aber Irkalla selbst beeinflussen und eigene Untertanen zu sammeln. Darauf, wie genau das am besten am Spieltisch umzusetzen ist, sollte nur einer der Charaktere diesen Status erlangen und die anderen Gruppenmitglieder nicht, geht das Regelwerk leider nicht ein.
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Charaktererschaffung
Die Charaktererschaffung soll schnell gehen und funktioniert nach dem Zufallsprinzip. Anhand von Tabellen wird bestimmt, welchen Hintergrund die Charaktere haben. Ob sie von einer primitiven Welt auf Steinzeitniveau stammen, oder in einer hoch technologisierten Raumfahrergesellschaft aufgewachsen sind, ob sie in ihrem früheren Leben abgestumpfte Kämpfer oder idealistische Denker waren.
Dadurch ergeben sich natürlich schnell interessante Konstellationen in der Gruppe, die sich anfangs ja erst einmal zurechtfinden muss. Für Rollenspielneulinge kann das natürlich schnell überfordern wirken, denn irgendwie müssen sie die zufällig zusammengesetzten Begriffe irgendwie mit Leben füllen. Alternativ kann man sich natürlich auch selber anhand der Tabelle einen eigenen Hintergrund basteln.
Ansonsten ist die Charaktererschaffung unkompliziert und kommt mit wenigen Werten aus. Das Vermitteln der Spielwelt steht im Vordergrund, die Regeln und – passend zum gnadenlosen Irkalla – auch die einzelne Spielfigur nehmen angesichts der beschriebenen Hoffnungslosigkeit nur eine geringe Rolle ein, weswegen diese Gewichtung nur konsequent ist.
Erscheinungsbild
Das Artwork ist im schlichten Schwarz-Weiß gehalten, was die triste Stimmung der Spielwelt gut transportiert. Auch die dargestellten Motive geben bereits beim Durchblättern einen guten Eindruck davon, was den Spieler erwartet. Wesen aus düstersten Alträumen schreiten durch öde Landschaften und wandeln im Schatten monumentaler Bauten, untote Magier vollziehen antikosmische Riten in finsteren Grüften.
Nicht jedes Bild glänzt durch Qualität, aber insgesamt wird Irkalla anschaulich dargestellt. Trotz aller Gewalt in der Spielwelt gibt es keine explizite Darstellung von Splatter- oder Gore-Szenen, dafür eher verstörende Illustrationen, die ihren Schrecken aus der Fremdartigkeit ihrer Motive ziehen.
Fazit
Xas Irkalla ist ein Rollenspiel für eine ganz bestimmte Zielgruppe. Der düstere Hintergrund und die Gewissheit, trotz eines erfolgreichen Abenteuers eigentlich keinen echten Sieg errungen zu haben, sind sicher nicht jedermanns Sache. Wer aber Spaß an beinharter Survival-Action und verstörenden Horror-Elementen hat, wird hier vollauf bedient.
Diese Andersartigkeit bietet Wiedererkennungswert, macht den Einstieg aber ein bisschen sperriger, als bei anderen Rollenspielen. Zumindest der Spielleiter muss sich intensiv mit der Welt beschäftigen und eine gewisse Menge an okkultistischen Fachbegriffen wälzen, um sie ganz zu erschließen. Eine kompaktere Übersicht über die Spielwelt Irkalla wäre da sinnvoll gewesen, das Buch geht aber meistens direkt ins Detail.
Ob langfristige Kampagnen mit Xas Irkalla umsetzbar sind, ist nach dem ersten Eindruck schwer einzuschätzen. Wer aber gerne einmal mit seiner Gruppe eine düstere Alternative testen möchte, bekommt direkt zwei stimmungsvolle Abenteuer im Grundregelwerk serviert, die einen guten Überblick darüber geben, was die Spieler erwartet.
Da die digitale Version auch für schmale Geldbeutel erschwinglich ist, kann man eigentlich ohne Bedenken zugreifen – zumindest dann, wenn einen die Beschreibung nicht abschreckt. Wer am Setting gefallen findet, mit Strain vertraut ist und ähnlich getaktete Mitspieler hat, wird mit Xas Irkalla einige spannende Spielstunden erleben.
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