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https://www.teilzeithelden.de/2019/10/03/rezension-dsa-der-ruf-der-bahalyr-sterne-fallen-sterne-singen/
Hochelfische Hinterlassenschaften, uralte Geheimnisse und eine Reise ins Unbekannte – Der Ruf der Bahalyr bildet den spektakulären Auftakt zur Sternenträger-Kampagne für Das Schwarze Auge. Die Teilzeithelden haben sich der Expedition ins grüne Herz des aventurischen Nordens angeschlossen und berichten von der abenteuerlichen Reise.
Vor einigen Wochen verkündete Ulisses Spiele auf der hauseigenen RatCon, dass mit Der Ruf der Bahalyr der erste Band der Sternenträger-Kampagne bereits vor Ort erworben werden konnte. Damit beginnt eine Reise, die angestaubte Elemente des DSA-Metaplots wieder aufgreifen soll, die in den letzten Jahren in einer Art Dornröschenschlaf vor sich hindämmerten. Insbesondere zur Phileasson-Saga und den aktuell erscheinenden Romanen von Bernhard Hennen und Robert Corvus, die diese Kampagne belletristisch aufarbeiten, sollen Bezüge hergestellt werden. Worum es sich dabei handelt und wie gut dies gelungen ist, ist das Thema der folgenden Zeilen.
Das Vermächtnis der Hochelfen
Vor Jahrtausenden traten die Vorfahren der aventurischen Elfen aus dem Licht und gelangten somit nach Dere, der Welt von Das Schwarze Auge. Simia, der erste von ihnen, berührte 64 der anderen an der Schulter, woraufhin sie ein Sternenmal erhielten und dadurch als Anführer ihres Volkes erkennbar wurden. Auch heute noch gilt es unter Elfen als Zeichen einer großen Macht und eines bedeutsamen Schicksals, wenn ein Kind mit dem Sternenmal geboren wird, auch wenn dies nur sehr selten passiert und den meisten nur noch aus Legenden bekannt ist.
Simia wurde der erste König der Hochelfen, die schließlich ihre Wälder verließen, um prächtige Städte zu bauen, nur um danach tief zu fallen. In der Sternenträger-Kampagne geht es jedoch nicht (nur) um alte Ruinen oder Artefakte der Hochelfen, wie in der Simyala-Kampagne, im Abenteuer Sturmgeboren oder in Klingen der Nacht, welches ebenfalls aus der Feder Dominic Hladeks stammt. Vielmehr geht es um das tiefergehende Vermächtnis der Hochelfen. Schicksale, die vor Jahrtausenden ihren Anfang nahmen, müssen sich in der Gegenwart erfüllen, um die ewige Finsternis abzuwehren. Dabei spielen nicht nur die Sternenträger eine Rolle, sondern auch die Spielercharaktere, die durch Zufall – oder Vorhersehung? – Der Ruf der Bahalyr
Wer folgt dem Ruf der Bahalyr?
Das Abenteuer beginnt in Gerasim, jener Stadt im Norden Aventuriens, in der Elfen und Menschen zusammenleben. Ein magiekundiger Held wurde von der hiesigen Akademie eingeladen, eine Weile als Gastdozent zu unterrichten. Die übrige Gruppe setzt sich aus seinen Freunden und Begleitern zusammen, oder aus Personen, die sich aus einem anderen Grund in Gerasim aufhalten. Dieser Aufhänger mag etwas gezwungen wirken, bietet jedoch die Gelegenheit, im Rahmen einer ersten Lehrstunde bereits grundlegende Hintergründe zur Kampagne zu vermitteln.
Einige Spieler erinnern sich vielleicht noch an die Traumwelt, die im Abenteuer Das Vermächtnis der Völker in Gerasim geschaffen wurde. Dort können Elfen und Menschen mehr über die Lebensweise des anderen Volkes erfahren und so zu einem besseren Verständnis des jeweils anderen gelangen. Während die Helden sich in dieser Traumwelt aufhalten, kommt es schließlich zu einem magischen Ereignis, dem namensgebenden Ruf der Bahalyr.
Zu Beginn des Abenteuers dreht sich die Handlung um die Deutung der magischen Botschaft und die Vorbereitung einer Expedition, um dem Ruf zu folgen. Im Gegensatz zu früheren Abenteuern, wie An fremden Gestaden oder Sturmgeboren, wurde für diese Reise dankenswerterweise darauf verzichtet, an dieser Stelle eine aufwändige Wirtschaftssimulation einzuschieben. Dieser Teil ist angenehm offen gestaltet und stellt alle möglichen Reisestationen mit entsprechenden Szenenvorschlägen vor. Im Detail soll an dieser Stelle nicht auf jede Begegnung eingegangen werden, aber sowohl für erfahrene als auch für neue Spieler dürfte es einiges zu entdecken geben.
Die Reise führt die Helden und ihre Begleiter, darunter den Magier Anastasius Silberhaar, tief in die Salamandersteine. Dieses grüne Herz Nordaventuriens, die Heimat der Waldelfen, ist ohnehin ein unwegsamer Ort, an dem Menschen nicht willkommen sind und Reisende sich mit magischen Phänomenen herumschlagen müssen. Hinzu kommt, dass auch finstere Mächte auf den Ruf der Bahalyr aufmerksam geworden sind, die die Expedition nicht nur mit kleinen Nadelstichen sabotieren, sondern komplett vernichten möchten. Dass sie nicht immer offen agieren und mitten in der Wildnis gekonnt Zwietracht säen, macht sie umso erinnerungswürdiger. Zudem bietet dies auch gesellschaftlich ausgelegten Spielercharakteren Raum zu glänzen, selbst wenn sie gerade fernab jeglicher Zivilisation unterwegs sind.
Das Finale bietet in mystischer Umgebung eine erste größere Konfrontation mit diesen Gegenspielern und führt die Helden schließlich mit der Bahalyr zusammen. Worum es sich dabei handelt? Das erfahrt ihr im Spoilerkasten, in dem sich auch – Obacht! – Informationen zum kosmologischen Hintergrund der Sternenträger-Kampagne befinden.
SL-Informationen
Eine Reise durch Licht und Traum
Auch wer keinen Blick in den Spoilerkasten geworfen hat, kann sich vorstellen, dass Kampagnen mit einem Hintergrund, der tief in der aventurischen Historie wurzelt, schnell unübersichtlich werden können. Dahingehend gelingt es dem Autor, die Handlung anschaulich und verständlich darzustellen. Dennoch kann sich glücklich schätzen, wer noch die alte Elfen-Spielhilfe Aus Licht und Traum sein Eigen nennt. Die mitunter sehr komplexe Geschichte der Elfen in Aventurien wird im Abenteuer selbst nicht näher beschrieben und auch das entsprechende Kapitel im aktuellen Aventurischen Almanach geht nicht sehr ins Detail. Zumindest der Spielleiter sollte also wenigstens hinlängliche Vorkenntnisse der elfischen Historie haben, auch wenn Der Ruf der Bahalyr für die Spieler zunächst als simples Reiseabenteuer erscheint. Dessen weitreichende Auswirkungen werden aber durch den von Beginn an präsenten mythologischen Hintergrund erahnbar.
Obwohl das Abenteuer letztlich einer vorgegebenen Handlung folgt, bietet die Kampagne mit dem System der Seelenmakel-Punkte eine Möglichkeit, die Taten der Spielercharaktere zu bewerten und folgende Ereignisse entsprechend anzupassen. Dabei handelt es sich um Punkte, mit denen Erfolge der Gegenspieler nachgehalten werden können. Wie auch schon in der Theaterritter-Kampagne, einer anderen Kampagne für Das Schwarze Auge, sorgt dies dafür, dass jede Heldengruppe die zentralen Situationen des Abenteuers und der Kampagne leicht anders erleben dürfte. Eine weitere der vielen Zusatzregeln, die es inzwischen für Das Schwarze Auge gibt, die zum Glück aber sehr übersichtlich und nachvollziehbar gestaltet wurde, widmet sich der Bewegung in elfischen Traumwelten.
Erscheinungsbild
Die Illustrationen sind durchweg sehr gut gelungen. Porträts wichtiger Nichtspielercharaktere vermitteln einen guten Eindruck dieser Personen und helfen beim Überblick in der (bisher) übersichtlichen Figurenriege der Kampagne. Zudem stechen die Darstellungen der fantastischen Landschaften hervor, durch welche die Helden in diesem Abenteuer reisen. Die Orte werden stimmig und nicht zu exotisch präsentiert, sodass trotz aller fantastischen Elemente die Zuordnung zum Spielhintergrund von Das Schwarze Auge klar erkennbar bleibt.
Auch das ansprechend gestaltete Kartenmaterial kann überzeugen und hilft der Spielleitung dabei, insbesondere am Finalschauplatz die Übersicht zu behalten. Dabei ist überdies das saubere Layout behilflich, das Infokästen passend platziert und einen reibungslosen Lesefluss ermöglicht.
Fazit
Der Ruf der Bahalyr ist der Auftakt zu einer epischen Kampagne und so fühlt sich das Abenteuer beim Lesen auch an. Nach einer knappen, aber durchdacht aufgebauten, Einleitung werden die Helden auf eine Reise geschickt, die viele spannende und motivierende Elemente enthält. Erfahrene Spieler werden zudem Querverweise zu altgedienten Teilen des aventurischen Metaplots entdecken, während sie auf neue und altbekannte Meisterpersonen sowie Örtlichkeiten treffen.
Nichtsdestotrotz sollten sich auch verhältnismäßig neue Spieler von Das Schwarze Auge an diesem Abenteuer erfreuen können. Dies liegt daran, dass es dem Autor gelingt, das große Ganze, das sich im weiteren Verlauf der Kampagne entfalten wird, in verdaulichen Häppchen in die Handlung einzuweben. Dass bereits in diesem Abenteuer einprägsame Gegenspieler ausgeschaltet werden können, sorgt zudem für zufriedenstellende Teilerfolge.
Die Spielleitung sollte allerdings Vorwissen und gute Vorbereitung mitbringen. Hilfreich ist dabei die übersichtliche Einleitung des Abenteuers. Dort wird nicht nur die Handlung von Der Ruf der Bahalyr komplett dargestellt, sondern auch der weitere Verlauf der Kampagne zumindest grob umrissen.
Kurzum: Der Ruf der Bahalyr ist der übersichtliche, aber bei weitem nicht beschauliche, Auftakt einer großen Kampagne. Die Spieler erwartet Epik ohne großen Bombast und ein faszinierender Plot. Einzig der große Aufwand zur Vorbereitung trübt ein wenig die Vorfreude, spricht aber auch dafür, wie viel Potential dieses Abenteuer bietet. Deswegen zeigt der Daumen kerzengerade nach oben.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/10/08/rezension-cthulhu-nautischer-nachtmahr-tiefe-raunt-der-tiefe-zu/
Drei Fahrten auf hoher See, drei tödliche Szenarien. Nautischer Nachtmahr schickt die Investigatoren in unermessliche Tiefen. Dass an den dunkelsten Stellen des Ozeans ungeahnte Schrecken lauern, ist seit jeher Teil des Cthulhu-Mythos. Ist das Thema also abgenutzt oder immer noch frisch? Die Teilzeithelden gehen auf Tauchgang und finden es heraus…
Nautischer Nachtmahr ist eine Anthologie für das Cthulhu-Rollenspiel, die drei Szenarien enthält, die auf hoher See oder in den Tiefen des Ozeans spielen. Alle drei beinhalten vorgefertigte Spielercharaktere, die auf das jeweilige Szenario abgestimmt wurden. Wer sich im Cthulhu-Mythos auskennt, mag aufgrund seiner Vorkenntnisse eine ungefähre Vorstellung davon haben, was auf ihn zukommt, könnte aber auch überrascht werden. Denn die drei Szenarien beinhalten Ansätze, sich dem Mythos zu nähern, die über Tiefe Wesen und versunkene Städte hinausgehen. Doch dazu mehr im folgenden Text.
Menschenfracht – Verlassen auf hoher See
Das erste Szenario trägt den Namen Menschenfracht und wurde von Dominic Hladek geschrieben. Die acht möglichen Spielercharaktere befinden sich aus ganz verschiedenen Gründen auf einem Containerschiff, dass sie illegal von China in die USA bringen soll. Sie sind in einem der Container eingesperrt und wurden schon mehrere Tage nicht mehr mit Wasser und Nahrung versorgt, als das Szenario beginnt. Entsprechend verzweifelt ist ihre Lage und einige Mitreisende weilen bereits nicht mehr unter den Lebenden.
Während sie in Dunkelheit und Isolation ausharren, ist die Mannschaft des Schiffes einem Schrecken aus der Tiefe anheimgefallen. Ihr erstes Ziel sollte deswegen sein, einen Ausweg aus dem Container zu finden. Einige von ihnen haben auch noch andere Pläne, verborgen vor den anderen, was im weiteren Verlauf für zusätzliche Spannungen innerhalb der Gruppe sorgen dürfte. Die Gruppe selbst ist bunt gemischt und beinhaltet neben verzweifelten Auswanderern und Regimeflüchtlingen, darunter ein tibetischer Mönch, auch zwei US-Amerikaner, die bittere Launen des Schicksals in den Container gebracht haben. Diese Zusammensetzung sorgt natürlich auch für interessante Möglichkeiten zum Ausspielen von Interaktionen zwischen den Spielercharakteren.
Menschenfracht ist ein gnadenloses Szenario und bereits durch seinen Einstieg nichts für zartbesaitete SpielerInnen. Es ist in seinem Verlauf sehr offen gestaltet. Auf ihrer Suche nach einem Ausweg können die Spielercharaktere das Schiff erkunden, werden aber schon bald an ihre Grenzen stoßen. Beim Lesen drängt sich der Eindruck auf, dass es kaum zu schaffen ist, zumindest ein einigermaßen zufriedenstellendes Ende zu erreichen. Diese Ausgangssituation hat zwar durchaus ihren Reiz, kann aber auch schnell für Frustrationen sorgen. Deswegen sei dieses Szenario nur jenen Spielern empfohlen, die mit der Hoffnungslosigkeit an Bord und nicht zuletzt auch den menschlichen Abgründen in ihrer eigenen Gruppe umgehen können.
Eisgefängnis – Zum Ruhm von Mütterchen Russland
In diesem Szenario von Jos Kayser schlüpfen die SpielerInnen in die Rollen sowjetischer Besatzungsmitglieder eines Atom-U-Boots. Eisgefängnis spielt 1981, also mitten im Kalten Krieg. Unerbittlich kalt ist auch der Schauplatz, denn es geht in das Eis der Arktis, wo sich die Crew der Akula nicht nur mit dem US-amerikanischen Klassenfeind auseinandersetzen muss, sondern auch mit unvorstellbaren Schrecken.
Im Gegensatz zu den anderen beiden Szenarien in Nautischer Nachtmahr, ist Eisgefängnis durchaus für einige Sitzungen ausgelegt. Die SpielerInnen steuern die Offiziere des Schiffes bei ihrer Suche nach einem Ausweg aus einer verfahrenen Situation und können auf einer arktischen Insel einiges entdecken – auch das, was besser unentdeckt geblieben wäre. Amüsante Randnotiz: Auch wenn sie von Gestrandeten unterschiedlicher Herkunft angefertigt wurden, sind die Handouts praktischerweise alle auf Deutsch.
Der Spielleitung wird dabei freie Hand gelassen, wie sich die Handlung entwickelt und wie sich das Szenario im Finale auflöst. Das erfordert zwar einiges an Vorbereitung, zahlt sich aber auch aus. Das unverbrauchte Szenario, das Jagd auf Roter Oktober mit Das Ding aus einer anderen Welt und der ersten Staffel von The Terror verbindet, ist angenehm offen gestaltet und beinhaltet das Potential für mehrere Spielabende.
Tangaroa – Unter Druck im Überdruck
Das dritte Szenario in diesem Band stammt aus der Feder von Michael L. Jaegers und führt die Spielercharaktere in eine unterseeische Forschungsstation. Ein Hilferuf hat sie dazu gebracht, in tiefste See aufzubrechen und nach dem Rechten zu schauen. Prompt entdecken sie einen Verletzten, der ihnen kurz erklären kann, was vorgefallen ist, dann aber zur Behandlung an die Oberfläche gebracht werden muss.
Während das Tauchboot etwa drei Stunden fürs Auftauchen und erneute Abtauchen braucht, sind die Spielercharaktere auf sich allein gestellt und müssen in Echtzeit versuchen, herauszufinden, was hinter den Vorkommnissen steckt. Dabei geraten sie in einen nervenaufreibenden Psychothriller, der zunehmend zum Überlebenskampf wird. Dass jeder der vorgefertigten Spielercharaktere zudem ein eigenes Geheimnis hat, von denen einige potenziell zu weiteren Konflikten führen können, sorgt für zusätzliche Anspannung.
Charmant ist, dass die Spielleitung selbst entscheiden kann, was genau hinter dem aufkeimenden Wahnsinn steckt, der zuerst den Leiter der Forschungsstation heimsuchte. Greift er nun auf alle Anwesenden über? Ist der Hintergrund biologisch oder im Cthulhu-Mythos verwurzelt? Was die SpielerInnen aus dieser Situation machen, ist unvorhersehbar, was natürlich einige Vorarbeit durch die Spielleitung erfordert. Diese kann sich aber durchaus lohnen, auch wenn die eigentliche Handlung letztlich recht dünn bleibt. Dies ist aber völlig in Ordnung, da das Abenteuer nur auf eine Dauer von zwei bis drei Spielstunden ausgelegt ist.
Wer Lust auf den Spielbericht zum sogenannten „Director’s Cut“ des Autoren Jaegers hat, findet ihn auf dessen Seite. Dieser Blick sei aber nur potentiellen Spielleitern von Tangaroa empfohlen.
Erscheinungsbild
Werden die einzelnen Szenarien betrachtet, hat das Szenario Eisgefängnis klar die besseren und stimmigsten Illustrationen des Bandes. Die Illustrationen von Menschenfracht und Tangaroa sind solide, bieten aber noch Luft nach oben. Auch bei den Handouts kann das Szenario rund um das U-Boot Akula punkten. In Tangaroa hingegen sind manche Handouts unlesbar und wären ohne das beiliegende Transkript völlig unbrauchbar. Scheinbar wurden Fotos eines Notizbuches gemacht, die viel zu dunkel geraten sind, als dass man bei der schwer lesbaren Handschrift etwas erkennen könnte.
Fazit
Nautischer Nachtmahr ist eine Anthologie, die auf den ersten Blick nicht sonderlich spektakulär erscheint. Drei verhältnismäßig kurze Szenarien, wahrscheinlich altbekannte Schrecken aus der Tiefe und eine etwas dröge Optik lassen schnell den Eindruck entstehen, soliden Standard aber auch nicht mehr in den Händen zu halten.
Doch bei näherer Betrachtung offenbaren sich die Stärken, die alle drei Szenarien gemeinsam haben. Ausgangssituationen wie in Menschenfracht (Flüchtlinge in einem Container) oder Eisgefängnis (Besatzung eines sowjetischen U-Boots) haben vermutlich die wenigsten RollenspielerInnen schon einmal erlebt. Auch eine Tiefseeforschungsstation wie Tangaroa wurde wahrscheinlich noch nicht oft angesteuert. In den letzten beiden Szenarien bietet sich der Spielleitung sogar die Möglichkeit, ganz eigene Interpretationen des Cthulhu-Mythos einzubringen.
Alle drei Szenarien gestalten sich im Aufbau und Verlauf sehr offen, was von der Spielleitung einige Vorbereitung und auch Übersichtsvermögen verlangt. Dies wird aber auch belohnt, denn dank der vorgefertigten Spielercharaktere mit ihren jeweils eigenen Intentionen, ist nicht nur ein unkomplizierter Spielstart möglich, sondern entfaltet sich auch ein Geflecht an zwischenmenschlichen Intrigen und Verbindungen im Spiel. Nautischer Nachtmahr ist deswegen nicht nur nichts für SpielerInnen, die gerne eigene Charaktere entwerfen und ausgestalten, sondern auch jenen nicht zu empfehlen, die vor dem Blick in die Abgründe verzweifelter Gruppendynamiken zurückschrecken. Wer jedoch den Konflikt zwischen Spielercharakteren vor der Kulisse zunehmenden Wahnsinns nicht scheut, wird mit dieser Anthologie seine wahre Freude haben.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/09/09/rezension-lords-and-lands-a-witcher-trpg-expansion-cody-pondsmith/
Ein Jahr nach Erscheinen des Grundregelwerks veröffentlicht Talsorian Games die erste Erweiterung zum Hexer-Rollenspiel: Lords and Lands enthält neben einem Spielleiterschirm auch ein Regelheft, in dem der Name Programm ist: Der Adel und seine Ländereien kommen ins Spiel – außerdem Halblinge als neue Charakter-Option, ein NPC-Baukasten und neue Ausrüstung.
Am 29. Juli erschien das Grundregelwerk zu The Witcher Tabletop RPG aus dem Hause R. Talsorian Games und CD Projekt Red. Ein Jahr später, pünktlich zur diesjährigen GenCon in Indianapolis, hat R. Talsorian Games die erste Erweiterung zu seinem offiziellen Hexer-Rollenspiel herausgebracht. Die PDF-Version erschien am 1. August auf DriveThruRPG.com. Das Erweiterungspaket Lords and Lands ist das erste von mehreren angekündigten Erweiterungen und enthält einen Spielleiterschirm sowie ein Booklet mit neuen Spielinhalten: Eine Heldenklasse, eine spielbare Spezies, ein System zur Erschaffung von Alltags-NPC, ein Regelsystem zur Verwaltung von Ländereien und ein Kapitel mit Ausrüstung. Autor ist The Witcher TRPG-Chefentwickler Cody Pondsmith.
Inhaltsverzeichnis [zeigen]
Inhalt
Der Spielleiterschirm
Der vierteilige Spielleiterschirm entspricht weitgehend der Norm: außen bebildert, auf der Innenseite mit Tabellen für die wichtigsten spielrelevanten Regeln und Informationen bedruckt. Die Tabellen sind thematisch nach Farben sortiert, ihre Anordnung wirkt aber ziemlich willkürlich – zusammengehörige Regeln sind unzusammenhängend über den Schirm verteilt. Leider sind bei den Tabellen keine Seitenverweise zum Grundregelwerk angegeben.
Geht man davon aus, dass ein Spielleiterschirm vor allem das enthalten sollte, was man braucht, wenn es schnell gehen muss, erscheint die inhaltliche Auswahl mancher Tabellen befremdlich – genauso wie das Fehlen von einigen anderen. So haben es beispielsweise die recht wichtigen Regeln zu Wortgefechten („verbal combat“) nicht auf den Schirm geschafft, dafür aber beispielsweise allgemeine Tipps zum Spielleiten, die eher nicht spontan zum Einsatz kommen werden.
Davon abgesehen stellt sich auch die Frage, ob wirklich auf jeder der vier Innenseiten des Schirms eine größere Illustration hätte eingebaut werden müssen. Natürlich sind Dekoration und Ambiente am Tisch auch für den SL wichtig – hier allerdings wird dann doch viel Platz verschenkt, auf dem man noch die eine oder andere hilfreiche Spielregel hätte unterbringen können. Das ist vor allem ärgerlich, wenn man bedenkt, dass es in diesem Bereich zum Witcher-RPG längst brauchbare und gut strukturierte Fan-Produkte im Internet gibt, beispielsweise diese Spielleiterschirm-Einlage auf GM-Binder.
Das Booklet
Das beigelegte Heft zum Spielleiterschirm enthält die eigentliche Erweiterung, in der es um die namensgebenden Lords und Lands geht. Das Cover ziert, thematisch passend, ein Bild von Königin Meve von Lyrien und Rivien, bekannt aus dem Videospiel Thronebreaker: A Witcher Tale.
In aller Knappheit: Allerwelts-NSC
Das erste Kapitel widmet sich auf vier Seiten der Erschaffung von Allerwelts-NPC für die eigene Witcher-Kampagne. Dazu wird im Grunde das normale Charaktererschaffungs-System aus dem Grundregelwerk verwendet, allerdings mit stark eingeschränkten Optionen und deutlich weniger Punkten. Die Anleitung zur Erstellung solcher Charaktere beansprucht mit reichlich Fülltext eine Seite, weitere drei Seiten liefern insgesamt sechs beispielhaft ausgearbeitete Allerwelts-NPC, darunter Handwerker, Gelehrte und Künstler. Wer hier spielfertige Kontrahenten für seine Gruppe, wie etwa Stadtwachen oder Ähnliches, erwartet hat, wird enttäuscht.
Kurz und gut: Halblinge
Eine weitere Buchseite beschäftigt sich mit der neuen spielbaren Spezies, den Halblingen, und liefert eine allgemeine Beschreibung, die spielmechanischen Eigenschaften, einen Einblick in die Halbling-Gesellschaft und als Ergänzung ein paar Tipps zum Lebenslauf-Modul für Halbling-Charaktere sowie eine Übersicht zum sozialen Status der Halblinge in verschiedenen Ländern. Das Ganze ist kompakt und übersichtlich, wie bei den anderen Spezies im Grundregelwerk, und liefert alle wesentlichen Informationen. Im Spiel bieten die Halblinge mit ihrer angeborenen Magieresistenz sicherlich einige neue und reizvolle Möglichkeiten. Dass allerdings die komplette vorausgehende Seite für eine nichtssagende Füll-Illustration verwendet wird, der Halbling dafür aber ohne Bebilderung auskommt, ist nur schwer nachvollziehbar.
Skilltree der neuen Charakterklasse
Adel verpflichtet: Die neue Charakterklasse
Mit dem Noble, also dem Adligen, bringt Talsorian eine neue spielbare Charakterklasse an den Start – komplett mit eigener Klassen-Fähigkeit und Spezialfertigkeiten-Baum. Spielmechanisch macht der Adlige einen Spagat zwischen sozialen und kämpferischen Eigenschaften: Als Dilettant wird er zum Alleskönner und außerdem zum geschickten Blender. Als Ritter ist er im berittenen Kampf besonders gefährlich, kann seine Gruppe moralisch unterstützen und seine Rüstung aktiv einsetzen, um Schaden zu negieren. Als Anführer schließlich kann der Adlige Kommandos geben und so Verbündete unterstützen. Er kann sich außerdem ein Gefolge aus NPC-Dienern aufbauen und am Ende sogar sein eigenes Anwesen verschaffen.
Kurztrip in die Immobilienwelt
Witcher-Fans kennen die Erweiterung Blood&Wine zu The Witcher 3, in der Geralt sein eigenes kleines Weingut nach seinen Vorlieben gestalten kann. Ganz in diesem Sinne funktioniert auch das Anwesen-System von Lords and Lands. Als Spielercharakter würde Geralt dabei aber in die Röhre gucken, denn Estate ist eine exklusive Fähigkeit der neuen Adligen-Klasse und steht anderen Charakterklassen nicht zur Verfügung.
Aber auch für einen frisch erstellten Adligen-Charakter bleibt die eigene Burg mit ausgedehnten Ländereien, einer großen Anzahl Gefolgsleute und Einkünften, die einen adligen Lebensstil tragen würden, ein Luftschloss – selbst voll aufgewertet verschafft die Estate-Fertigkeit ihrem Besitzer bestenfalls ein mittelgroßes Landgut. Das zugehörige Ausbau-System umfasst eine Buchseite und ermöglicht dem Adligen, sein Anwesen um bestimmte Gebäude, spezielles Personal oder andere Ausstattung zu erweitern, die jeweils mit wenigen Sätzen beschrieben werden – beispielsweise eine Folterkammer, ein Arzt, ein Gewächshaus oder Werkstätten. Ist der Adlige daheim, kann er diese Einrichtungen nutzen – auf Reisen fern der Heimat hingegen hat er aber nichts davon. Das Anwesen erwirtschaftet für den Adligen außerdem kein Geld und er kann sein Gefolge (das ohnehin nur aus Allerwelts-NPC besteht) auch nicht ohne weiteres für Unternehmungen außerhalb seiner Ländereien einsetzen.
Durch alle diese Limitierungen stellt die Anwesen-Option insgesamt kaum mehr als ein nettes Gimmick dar und wird wohl in den meisten etablierten Gruppen ungenutzt bleiben – sofern der Spielleiter die Option nicht per Hausregel auch anderen Klassen verfügbar machen will.
Ausrüstungs-Update: Dies und das
Die letzten beiden Seiten des Booklets enthalten das zweite Ausrüstungs-Update der Reihe Rodolf‘s Wagon – die erste Ausgabe gibt es auf der Homepage von R. Talsorian Games. Das bunt gemischte Sammelsurium an neuer Ausrüstung umfasst fünf eher exotische Waffen, vier alchemistische Rezepturen und acht ganz verschiedene allgemeine Ausrüstungsgegenstände, darunter gefälschte Münzen, Vergoldung für Ausrüstungsgegenstände und eine Pestmaske. Alles in allem eine ziemlich willkürlich zusammengewürfelt wirkende Auswahl von „nice to haves“ und nichts, was den meisten Gruppen sonderlich gefehlt haben dürfte.
Erscheinungsbild
Der Gesamtumfang von Lords and Lands ist nicht üppig. Im Paket enthalten sind der Spielleiterschirm mit vier Paneelen im A4-Format und das Booklet mit 16 Seiten – von denen nach Abzug von Deckblatt, Impressum, Index, zwei ganzseitigen Innenillustrationen und dem Rückencover aber nur 10 Seiten tatsächlicher Inhalt übrig bleiben. Da wir zur Rezension die digitale Download-Version der Erweiterung benutzt haben, können wir über die Qualität des gedruckten Produkts leider keine Aussagen machen.
Was die Gestaltung betrifft, ist der Spielleiterschirm dekorativ gemacht. Er ist von beiden Seiten vollfarbig gestaltet, auf der den Spielern am Tisch zugewandten Außenseite werden vierzehn bunte Artworks aus dem Witcher-Videospiel-Franchise gezeigt. Die Bilder sind durchgängig von guter Qualität. Dazu kommt das Booklet, ebenfalls im A4-Format und in Vollfarbe. Layout und Bebilderungen entsprechen dem Grundregelwerk und wirken professionell – auch hier wurden durchgängig farbige und hochwertige Concept Arts und Illustrationen aus den Witcher– und Gwent-Videospielen verwendet – darunter allerdings auch einige, die man schon aus dem Grundregelwerk kennt. Größere Fehler in Text und Layout sind keine aufgefallen.
Fazit
Lords and Lands kann sich irgendwie nicht recht entscheiden, ob es nun lieber Fisch oder Fleisch sein möchte. Der Spielleiterschirm ohne das Booklet hätte kaum den Namen Erweiterung verdient, aber für eine ernstzunehmende Erweiterung ist das Booklet einfach zu dünn. Viele Inhalte sind so knapp und oberflächlich angerissen, dass ein nennenswerter Zugewinn am Spieltisch fraglich ist. Das Ländereien-System ist nur für eine sehr kleine Zielgruppe relevant und auch der neue NSC-Generator ist zwar nett, aber absolut nichts, was ein findiger Spielleiter sich nicht auch selbst schnell zusammenbasteln könnte. Immerhin, mit den Halblingen und Adligen wird das Angebot an spielbaren Charakterkonzepten etwas vielfältiger und auch über ein paar Ausrüstungs-Optionen dürften sich einige Spieler und Spielleiter freuen.
Beim Kosten-Nutzen-Verhältnis macht Lords and Lands leider keine gute Figur. Mit 25 US-Dollar ist der Preis, verglichen mit dem mehr als 300-seitigen Witcher TRPG-Grundregelwerk für 25 (als PDF) beziehungsweise 50 (gedruckt) US-Dollar ziemlich happig. Was die Druckversion angeht, lässt sich der Preis vielleicht noch durch die Produktionskosten rechtfertigen – bei der digitalen Ausgabe ist das freilich kein Argument. Letztere gibt es momentan zwar zum halben Preis – wie lange diese Aktion dauern soll, ist aber unbekannt.
Insgesamt ist Lords and Lands deshalb eher ein Produkt für Sammler und diejenigen Spieler, die unbedingt alle offiziellen Regelwerks-Optionen zur Verfügung haben wollen. Natürlich kommen Hardcore-Halbling-Fans und alle, die unbedingt schon mal einen aufgeblasenen Chevaliér aus Toussaint spielen wollten, kaum um die Erweiterung herum. Alle anderen werden, wenn sie beim Grundregelwerk bleiben, allerdings kaum etwas verpassen. Entsprechend mittelmäßig fällt deshalb auch unsere Wertung aus.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/09/04/rezension-die-schwarze-katze-ein-blick-ins-regelwerk/
Katzen, die Kleidung tragen? Rudelkämpfe in Havena? Was ist denn da in Aventurien los? Das wollte auch unser Redakteur Torben wissen und hat fleißig das Crowdfunding zu Die Schwarze Katze unterstützt. Ob er die Katze im Sack gekauft hat oder nun glücklich über seinen Fang schnurrt, lest ihr hier.
„SO GING ES ALLE TAGE, UND DER KATER BRACHTE ALLE TAGE GELD HEIM.“
(Der gestiefelte Kater – Gebrüder Grimm)
Und fürwahr, Mitte Januar 2019 brachte der Kater oder besser Die Schwarze Katze im Crowdfunding mehr als 175.000 EUR nach Hause und damit einen großen Erfolg für Autor Jens Ullrich. Entsprechend hoch waren aber auch die Erwartungen an das Produkt, als ich DSK bei uns am Spieltisch vorstellte. Insbesondere die alteingesessenen DSA-Spieler wollten wissen, wieviel vom Schwarzen Auge in der Schwarzen Katze steckt. Mir als Redakteur brannte die Frage unter den Krallen, warum Ulisses nach dem Erscheinen des Havena-Regionalbandes nun gleich wieder zu dieser Stadt zurückkehrt. Die Neulinge unter uns wollten natürlich wissen, ob die Regeln schnell und einfach zu erlernen sind. Und ehe wir uns versahen, waren wir als Katzen erwacht und auf Samtpfoten ins Abenteuer losgestiefelt.
Auswahl spielbarer Archetypen (Straßenkämpferin, Müllwühler und Wissender)
Aber von Anfang an! Was ist Die Schwarze Katze eigentlich? Mit den Worten von Jens Ullrich: „Im Kern geht es um den gestiefelten Kater in Aventurien. Also um aufrechtgehende, intelligente Katzen, die in Aventurien ihr Unwesen treiben. Unbemerkt von den Menschen haben sie ihre eigene kleine Gesellschaft entwickelt, die sich nachts an geheimen Orten trifft, um Handel oder Unfug zu treiben. Im Endeffekt geht es dabei um einen Perspektivwechsel. Man kann das altbekannte Aventurien aus einem neuen Blickwinkel neu entdecken.“
Wenngleich das Crowdfunding aufgrund der hohen erbrachten Summe von Bonusprämien nur so wimmelt, braucht es nicht viel zum Spielen. Das DSK–Regelwerk genügt und bietet nicht nur das Reglement, sondern auch gleich den passenden Crunch und Fluff in Form von Regelerweiterungen bzw. Hintergrundbeschreibungen.
Die Spielwelt
Kaum eine Spielwelt ist so detailliert beschrieben wie die Welt des Schwarzen Auges. DSK nutzt damit von Anfang an einen großen Vorteil, weil es auf eine existierende Rollenspielwelt zurückgreift und somit die Hintergrundbeschreibungen nicht neu erfinden muss. Wer jetzt aber glaubt, die Autoren hätten sich auf die faule Haut gelegt und einfach aus der noch relativ neuen Havena-Regionalspielhilfe abgeschrieben, der ist auf dem Holzweg. Das Regelwerk überzeugt mit einer narrativen Beschreibung der Stadt und ihren Bewohnern, nimmt die Leser auf eine abenteuerliche Geschichte mit in die Gassen der Stadt und lässt ihn diese aus Sicht der Katzen erleben.
Eine erwachte Katze beim Basteln nützlicher Dinge.
Damit bringt DSK nicht nur das Leben der Katzen von Anfang an in den Fokus der Stadtbeschreibung, sondern liefert unweigerlich auch schon eine große Menge an Ansätzen für Abenteuerideen.
Es ist geradezu ein Genuss, die aventurische Welt aus Sicht der „erwachten“ Vierbeiner kennenzulernen und dabei auf alte DSA-Geschichten und -Gimmicks zu stoßen.
Die Regeln
Neben einer ausführlichen Beschreibung des „Erwachens der Katzen“ und ihrem gesellschaftlichen Leben, verborgen vor den Menschen, bietet das Regelwerk aber vor allem das, wofür es steht: Regeln. Und die sind neu, ganz und gar nicht mehr DSA. Selbstverständlich orientiert man sich noch an vielen Dingen wie Eigenschaften oder den Fertigkeiten, aber schon hier kommen die ersten deutlichen Unterschiede ans Licht. „Friemeln“, „Umschmeicheln“ und „Basteln“ sind beispielsweise Fertigkeiten, die explizit auf das Wesen der Katzen zugeschnitten wurden. Die Autoren haben sich viel Mühe gegeben, um unmissverständlich deutlich zu machen, dass DSK eben nicht DSA ist und setzen klare Grenzen im Regelbereich. Der beliebte W20 (20seitiger Würfel) kommt zwar nach wie vor zum Einsatz, aber für Probenwürfe muss man mit nur zwei Würfeln auskommen (bei DSA sind es drei).
Die Werte, auf die man bei Fertigkeiten eine Probe ablegt, errechnen sich nach einer zunächst kompliziert wirkenden Formel: [erforderliche Eigenschaft 1 + erforderliche Eigenschaft 2] geteilt durch zwei + Fertigkeitswert (FW) + Fünf = Probenwert (PW). Die Fertigkeit „Körperbeherrschung“ zum Beispiel benötigt die Eigenschaften „Gewandtheit (GE)“ und „Konstitution (KO)“ und so ergibt sich beispielsweise ein Probenwert von [GE12+KO13]/2+FW3+5 = PW20,5 bzw. gerundet PW21. Der Aufwand, diese Werte zu errechnen, schreckt erst einmal ab. Da dieser Aufwand aber nur einmalig geleistet werden muss, offenbart sich schnell der große Vorteil. Beim Würfeln von Proben muss nur noch der Probenwert abgelesen und mit zwei W20 unterboten werden, fertig ist das Probensystem. Bei Eigenschaften funktioniert es ähnlich ([Eigenschaft*2]-5) und auch im Kampf findet das Probensystem, wenngleich etwas abgewandelt, Anwendung.
Es handelt sich zwar nur um ein Grundregelwerk und daher wäre die Forderung nach einer großen Menge an Regeln und Regelerweiterung sowieso übertrieben, aber schon beim ersten Querlesen fällt positiv auf, dass die Regeln gut ausgewählt und vor allem verschlankt wirken.
Allgemeine Sonderfertigkeiten, Vor- und Nachteile, Kampfsonderfertigkeiten, alles wurde auf die Bedürfnisse der Katzen angepasst. Einzig die Erklärungen sind stellenweise etwas mau, wenn man als Rollenspielneuling das Regelwerk in Händen hält. Während des Spielens hat sich zudem gezeigt, dass der inhaltliche Aufbau des Regelwerks nicht optimal bedacht wurde und man häufig um die Archetypen herumblättern muss, welche sich zwischen den Seiten der Grundregeln und den Seiten der Fertigkeitsbeschreibungen befinden.
Charaktererschaffung
Mit drei Rassen (Aranier, Firunsbärchen und Scheunenkatze) und drei Kulturen (Hauskatze, Straßenkatze und Tiefling), sowie 14 Professionen ist die Auswahl recht übersichtlich gehalten. Wer sich die berechtigte Frage stellt, ob es nicht auch andere Katzenrassen geben kann die „erwacht“ sind, andere Kulturen und Professionen, der wird mit einem Baukastensystem belohnt, welches schnell Abhilfe schafft.
Somit steht auch einer Al’Anfaner Vorstadtkatze oder einer Cha’ay-Zhamorrah-Hellseherin nichts im Wege (aventurische Katzen findet man unter anderem in Aventurische Tiergefährten – wir berichteten!)
Die liebevolle Arbeit, die hinter diversen, maßgeschneiderten Vor- und Nachteilen wie beispielsweise dem „Kistenschläfer“ steckt, lassen nicht nur die Katzenliebhaber schmunzeln. Nach einigen langwierigen Berechnungen und vielem Hin- und Herblättern kann man dann auch mit einem selbstentworfenen Kätzchen ins Abenteuer aufbrechen. Wem das zu lange dauert oder zu schwierig ist, und hier ist der Neueinstieg wirklich nicht ganz einfach, der kann sich aber auch einen der vorgefertigten Archetypen nehmen. Diese bringen nicht nur alle Werte mit, die zum Losspielen benötigt werden, sondern sind mit tollen Hintergrundgeschichten beschrieben, sodass es einfacher ist, sich in die Rolle hineinzuversetzen.
Spielbarkeit aus Spielleitersicht
Anreize zum Spiel sind schnell gefunden, das Regelwerk platzt mit kleinen Andeutungen, die sich bequem in Aufhänger für Abenteuer umarbeiten lassen, fast aus den Nähten. Wären da nur nicht die typischen Eigenheiten der Katzen – selbstverliebt, besitzergreifend, arrogant. Für Spielleiter und vor allem für Neulinge ist es eine große Hürde, aus „Eigenbrötlern“ eine Gruppe zu erschaffen, die bestenfalls gemeinsam an einem Strang zieht. Langfristig stellt es aber auch die Möglichkeit dar, die Gruppenzusammenstellung von Abenteuer zu Abenteuer neu zu mischen. Katzen bleiben halt nur selten als Gruppe zusammen – es sei denn, sie gründen ein eigenes Rudel.
Spielbarkeit aus Spielersicht
Die „Wissenden“ versorgen die Katzen mit Informationen – nützlichen und unnützen.
Dank der ausführlichen Hintergrundgeschichte und den vielen Szenarien, die Havena bereithält, ist es für die Spieler ein unglaubliches Vergnügen, in die Rolle der Katzen zu schlüpfen. Gerade alteingesessenen DSA-Spielern bietet der Perspektivwechsel einen ganz neuen Reiz und lässt sie die Welt ganz neu entdecken. Das Spiel als Katze bringt zudem ein vollkommen neues Spielgefühl mit sich, da die Eigenheiten des felinen Wesens in den Vordergrund rücken. Prioritäten müssen gänzlich neu gesetzt werden, schon das Beschaffen der Nahrung kann ein ausgedehntes Abenteuer sein. Genau diese Veränderung des Rollenspielverhaltens kann aber für Spieler auch unbefriedigend sein, da die Katzen keine klassischen „Helden“ mehr sind. Wenn das Streiten für Recht und Ordnung einen niedrigeren Stellenwert einnimmt als die Eroberung des Sahnekruges, muss man als Spieler seine Ansprüche ans Rollenspiel neu überdenken.
Spielbericht
Zum Ausprobieren der Regeln und Spielmechanismen sowie der Erkundung der bekannten und doch unbekannten Welt Havenas wurde das Abenteuer „Jenseits des Spiegels“ aus der Abenteueranthologie „Nachtgeheul“ gespielt. Das Abenteuer war bereits in einem „Let’s play“ mitzuerleben.
Für unseren Spieltisch entschieden wir uns für eine Straßenkämpfer-Katze, eine vornehme Dachtänzerin aus der Oberschicht, einen Mäusejäger vom Hafen und ein Zerzalkind (vergleichbar mit einem Geisterbeschwörer). Ein Teil der Charaktere wurde selbst erstellt, während die Neulinge sich mit den Archetypen zufriedengaben.
Nach einer kurzen Einführung in das Setting konnten wir direkt losspielen. Die Regeln waren leicht umsetzbar und dank eines Spielleiters mit DSA-Erfahrungen auch für diesen nicht zu komplex.
Während die alten Hasen sich etwas schwer taten sich in die ungewohnte Rolle einzufinden, gelang es den Neulingen sehr gut. Textbeschreibungen (besonders aus dem Regelwerk) wurden vom Spielleiter oft eins zu eins abgelesen, um das Flair und die Atmosphäre der Region zu unterstreichen.
Besonders gut kam bei den Spielern das Kampfsystem an, welches auf eine aktive Parade verzichtet und somit im Vergleich zu DSA an Geschwindigkeit dazugewinnt.
Auch die verschiedenen Besonderheiten der Charakterklassen kamen im Abenteuer zum Einsatz, sodass rückblickend gesagt werden kann, dass jede Klasse ihren eigenen Reiz und ihre Berechtigung hat. Im Nachhinein waren die Spieler froh, keine Tieflinge in der Gruppe akzeptiert zu haben (es wurde dahingehend abgestimmt), da es starke Bedenken der Spielbarkeit einer derart gemischten Gruppe gab. Letztlich ist aber auch dies nur eine kleine Hürde für die Spielleitung, denn grundsätzlich gibt es immer irgendwelche „Exoten“, die in eine Gruppe integriert werden wollen.
Erscheinungsbild
Das tolle Layout des Regelwerkes hat seinen ganz eigenen Charakter und grenzt sich auch an dieser Stelle klar von DSA ab. Besonders auffallend sind die zahlreichen bewundernswerten Innen-Illustrationen, welche dem Leser bereits ein genaues Bild des städtischen Treibens und des felinen Lebens vermitteln. Aber auch die Cover-Illustration von Nadine Schäkel darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, setzt sie doch ein altbekanntes Bild völlig neu in Szene. Für ein Regelwerk passend sind viele Wertekästen und Randinformationen enthalten und sichtbar hervorgehoben, sodass Informationen schnell auffindbar sind. Insgesamt ist das Regelwerk gut lesbar und von der Reihenfolge der Themen abgesehen auch gut strukturiert aufgebaut.
Bonus/Downloadcontent
Es ist kein Bonuscontent enthalten.
Fazit
Das neue Rollenspiel Die Schwarze Katze bietet auch für Neueinsteiger eine Menge spannender Abenteuer und Geschichten, welche sich aus Sicht einer Katze – in Gestiefelter-Kater-Manier – erleben lassen. Dass DSK dabei auf die bereits existierende Welt des Schwarzen Auges (DSA) zurückgreift hat seine Vor- und Nachteile. Für alteingessene DSA-Kenner ist ein lohnenswerter Perspektivwechsel, der aber nicht mehr dem typischen Helden-gegen-das-Böse-Schema folgt. Für Neulinge hingegen ist das Verständnis einiger Regeln sicherlich zu komplex, dafür liefert die Charaktererschaffung aber mit exzellent ausgearbeiteten Archetypen Abhilfe. Ansonsten gilt auch hier: learning by doing!
Das Regelwerk ist zudem mehr als nur eine Sammlung von Grund- und Erweiterungsregeln. Es bietet einen umfassenden Hintergrund zu der Entstehung der „Erwachten“ und eine ausführliche, narrative Beschreibung der Stadt Havena, ihrer Persönlichkeiten und Mysterien – selbstverständlich aus Sicht der Katzen. Zudem bietet es mit den liebevoll gestalteten Texten und eindrucksvollen Illustrationen zahlreiche Ansätze für Plot- und Charakterideen
Wer als Neuling durch die Rollenspielwelt stiefelt, sollte sich erstmal einen alten DSA-Hasen an die Seite holen, aber es lohnt sich definitiv für das DSK Regelwerk ein paar Mäuse auszugeben.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/08/17/ersteindruck-pythos-fantasy-mit-mythologischem-flair/
Eine faszinierende Welt voller Mythen und Mysterien, ein neuartiges Kampfsystem, um ihre Monster heldenhaft zu besiegen, und über all dem: gesunder Menschenverstand. Nicht weniger verspricht das Indie-Rollenspiel Pythós, das von klassischer Mythologie inspiriert wurde. Ersteindruck eines schrägen, interessanten und doch immer wieder bekannt erscheinenden Systems.
Eine außergewöhnliche Spielwelt, ein innovatives, inklusives Spielkonzept und auch für Rollenspiel-Neulinge verständliche Regeln – die Macher von Pythós versprechen nicht gerade wenig in der Vorstellung ihres Produkts. Ob das System dies halten kann, lest ihr hier.
Die Spielwelt
Das Setting von Pythós ist ein riesiger Kontinent, der viele verschiedene Klimazonen und Landschaftsformen beinhaltet. Entsprechend unterschiedlich sind die Kulturen der Menschen – im Buch als „Sterbliche“ bezeichnet – die in ihnen leben. Da gibt es zum Beispiel die hartgesottenen Yngvar, die den Wikingern ähneln und in der kalten Südpolregion der Spielwelt leben, oder die kleinwüchsigen und grünhäutigen Dschungelbewohner, die Itu. Neben Sterblichen gibt es in dieser Welt allerdings auch noch Titanen, die lebende Verkörperungen der Naturgewalten sein sollen, sowie Engel, Dämonen und neutrale Naturgeister. Götter gibt es natürlich auch. Ihre Inspiration für das Setting ziehen die Schöpfer des Systems aus den vielen Mythologien der realen Welt.
Während die technologische Entwicklung der verschiedenen Völker unterschiedlich ist, geht das Setting doch generell von einem Niveau aus, das in etwa unserer Eisenzeit entspricht, auch wenn das am häufigsten verwendete Metall immer noch Bronze ist. Eine weitere Besonderheit, die wohl vor allem den Archäologen und Historikern Freude bereiten wird: das verbreitetste Zahlungsmittel ist Silber, nicht etwa Goldmünzen wie in den meisten Fantasy-RPGs. Das hält die Spieler mit (zu) viel Wissen über die alte Welt davon ab, sich ständig über die inflationären Goldpreise aufzuregen und erspart allen die Umrechnungskurse.
Auch wenn das Muster „Charaktere formen eine Gruppe, um abenteuernd durch die Lande zu ziehen, Dörfer vor Monstern zu retten und dabei Gold und Ruhm zu erlangen“, nach dem auch dieses Setting gestrickt ist, aus vielen Fantasy-Systemen bekannt ist, ist die Welt von Pythós doch etwas ganz Eigenes. Sie lehnt sich zwar wie viele andere an Geschichte und Mythologie der realen Welt an, doch geht sie dabei nicht die altbekannten Wege, sondern bringt einige neue Ideen ein. Die verschiedenen Kulturen, ihre Riten und Religionen werden knapp aber verständlich erklärt. Götter sind in dieser Welt real und können großen Einfluss auf das Leben der Helden nehmen. Wie der Glaube an sie ausgelegt wird, liegt jedoch bei der Gruppe.
Die Regeln
Das Regelsystem von Pythós basiert auf W10. Tests werden grundsätzlich mit einem W10 gewürfelt, dessen Ergebnis zu Boni, etwa durch das passende Attribut des Charakters oder andere Eigenschaften, hinzugezählt und mit einem Zielwert verglichen wird, der erreicht oder übertroffen werden muss. In manchen Situationen kann die Spielleitung einen „Favour“ gewähren, was bedeutet, dass der Spieler zweimal würfeln und das bessere Ergebnis nehmen darf. Genauso kann aber auch ein „Disfavour“ verhängt werden, wo ebenfalls zweimal gewürfelt wird, aber das schlechtere Ergebnis gilt.
Über all dem steht die „Rule of Common Sense“, die Regel des gesunden Menschenverstands, frei übersetzt. Wenn eine Aktion angesagt wird, die grob gegen die Gesetze der Physik oder der Wahrscheinlichkeit verstößt oder auf irgendeine andere Weise überhaupt keinen Sinn ergibt, scheitert sie. Wenn die Regeln in einer Situation selbst gegen den gesunden Menschenverstand verstoßen, sind sie ebenfalls für diese außer Kraft zu setzen. Der Autor gibt zwar zu, dass diese Regel Konflikte nicht nur verhindern, sondern auch auslösen kann, appelliert aber an die Leser, sich vernünftig zu verhalten. Ob dies funktioniert, wird wohl auf die Persönlichkeiten in der Gruppe ankommen, jedoch kann es meines Erachtens kaum schaden, sich vor Spielbeginn ins Gedächtnis zu rufen, dass auch in einer Welt voller Magie noch gewisse Naturgesetze gelten.
Generell sind die Regeln einfach und richten sich explizit auch an Rollenspiel-Neulinge. Der Autor ist dabei besonders bedacht auf inklusive Sprache und ein Spielkonzept, das Menschen jeglicher Herkunft und aller Geschlechter ansprechen soll. Immer wieder wird Respekt am Spieltisch angemahnt. Das ist eine gute Sache, aber so revolutionär wie die Werbung für Pythós es darstellt, ist es nicht. Heutzutage bemühen sich viele neue Regelwerke (z.B. das 2018 erschienene System John Carter of Mars) um inklusivere Sprache und Spielkonzepte.
Jeder Charakter hat vier Attribute, Combat – das allerdings neben dem Kampf auch für andere körperliche Fähigkeiten wie Klettern gebraucht wird –, Skill – das alle eher subtilen Fähigkeiten von Akrobatik über Bluffen bis hin zu Kunstverständnis unterstützt – Endurance, das etwa Konstitution entspricht, und Will – das hauptsächlich für magische und spirituelle Fähigkeiten verwendet wird. Dem Klassiker D&D nicht unähnlich, starten die Charaktere auf Level 1 mit 10 Punkten in jedem dieser Attribute und bekommen 6 weitere Punkte, um diese zu erhöhen. Die Charaktere sind von Anfang an als Helden konzipiert – die Attribute gewöhnlicher Menschen (also die der meisten NSC) sind laut Regelbuch generell als 10 anzunehmen.
Je nach Herkunft gibt es Boni auf die Attribute, denn anstelle der klassischen Fantasy-„Rassen“, also spielbaren humanoiden Wesen mit unterschiedlichen Eigenschaften, gibt es eine Auswahl von sieben menschlichen Völkern (die allerdings im Aussehen weiter variieren als die Menschen der realen Welt), deren Anpassung an die Kultur und naturräumlichen Gegebenheiten ihrer Heimat ihnen unterschiedliche Vorteile als Startvoraussetzung bringen. Die sechs wählbaren „Archetypen“ ähneln den Charakterklassen, die man aus Fantasy-Systemen gewöhnt ist – da gibt es Jäger, Krieger, Mönche, Magier, „Weise“ und „Trickster“, wobei Letztere die Klassen von Barde und Dieb zusammenfassen.
Innerhalb dieser Archetypen bleibt allerdings noch Spielraum, wie genau der Charakter ausgelegt wird. Mit der Zeit werden die Archetypen – ebenfalls ein altbekanntes System – in Leveln gesteigert. Ein Charakter kann mehrere Archetypen ansammeln, jedoch wird der, in dem er das erste Level hatte, immer der Kernarchetyp bleiben, was mit speziellen Vorteilen und dem Startequipment des Charakters verbunden ist.
Außer Attributen müssen noch Talente – die Fertigkeiten entsprechen –, „Powers“ – welche wohl in den meisten anderen Systemen „Talente“ heißen würden – und Manöver – spezielle Kampffähigkeiten – gewählt werden. Diese ungewohnte Terminologie und der große Katalog an verschiedenen Fähigkeiten machen den Charakterbogen eher unübersichtlich. Andererseits kann ein Startcharakter auf Level 1 auch nur eine sehr begrenzte Anzahl davon haben. Im Spiel wird es also erst später kompliziert – die Charaktererschaffung gestaltet sich jedoch etwas mühsam, da die Spieler erst einmal die Qual der Wahl haben.
Kampfsystem – bitte alle auf einmal!
Ein Alleinstellungmerkmal von Pythós ist das Kampfsystem. Statt eine Begegnung mit Widersachern in Runden abzuarbeiten, handeln hier alle gleichzeitig. Was schwierig – wenn nicht gar unmöglich – zu ordnen klingt, soll helfen, alle Gruppenmitglieder beschäftigt zu halten, sodass sich niemand beim Warten auf die eigene Runde langweilt, was Kämpfe bekanntlich zu einer nervtötenden Angelegenheit machen kann.
Kämpfe in Pythos gliedern sich in Runden, welche sich ihrerseits in Phasen gliedern. Das funktioniert nach folgendem Muster:
Schritt 1: Beschreiben – die Spielleitung beschreibt der Gruppe die Szenerie.
Schritt 2: Entscheiden – Spieler und Spielleitung entscheiden, was sie als nächstes tun wollen. Es ist dabei eher nicht erwünscht, lange Gefechtspläne auszuarbeiten, denn schließlich haben die Charaktere im Spiel dafür auch keine Zeit
Schritt 3: Ansagen – jeder Spieler sagt seine geplante Aktion an. Dafür sieht das System Karten vor, die die Spieler vor sich auslegen. Es gibt „Aktionskarten“ und „Manöverkarten“, wobei ein Manöver eine komplexere Handlung beschreibt, die aus mehreren Teilen besteht. In jeder Runde kann ein Charakter ein Manöver und zwei bis drei kürzere Aktionen vollführen.
Schritt 4: Die Endphase – alle Aktionen und Manöver werden gleichzeitig ausgefochten bzw. ausgewürfelt, beginnend mit Verteidigungsaktionen, dann folgen Angriffe, andere Aktionen wie das Ziehen eines neuen Pfeils für die nächste Runde, und schließlich Bewegungsaktionen.
Das scheint chaotisch, ist aber effizient. Wenn mehrere Charaktere im Kampf mit einem oder mehreren NSC sind, wird die Spielleitung allerdings wohl immer noch eine gewisse Reihenfolge zum Würfeln festlegen müssen. Ein weiterer Aspekt, der das Kampfsystem kurzweilig hält, ist die Möglichkeit, in Phase 3 ein gewisses narratives Element in den Kampf einzubringen – hier ist es der Spielleitung freigestellt, für besonders intelligente oder rollenspielerisch gute Ideen Boni oder „Favours“ zu verteilen. Dies spornt Spieler an, Szenen schön zu beschreiben, anstatt nur auf die Würfel zu achten.
Erscheinungsbild
Die Illustrationen von Matthew Cowdery sind durchgehend beeindruckend und erwecken die Völker, Berufe und Landschaften der Welt von Pythós zum Leben. Neben ausschmückenden Bildern hat der Zeichner auch die Aktions- und Manöverkarten, die Weltkarte und mehrere hilfreiche kleinere Karten zu den Regionen der Spielwelt gestaltet.
Der Textsatz ist gut lesbar und schön gestaltet. Das Inhaltsverzeichnis im PDF ist verlinkt, und darüber hinaus ist ein Register auf der letzten Seite (vor den Danksagungen) vorhanden. Kurz gesagt, die Gestaltung des Regelwerks ist übersichtlich und überaus ästhetisch ansprechend.
Bonus/Downloadcontent
Auf der Internetpräsenz der Macher von Pythós gibt es kostenlose Charakterblätter (zum Ausdrucken oder als ausfüllbares Formular) und ein Abenteuermodul als „pay what you want“ zum Download. Außerdem ist hier noch einmal knapp das Kampfsystem erklärt. Das PDF-Paket zum System enthält neben dem Grundregelwerk auch noch eine Weltkarte der Spielwelt sowie hübsch gestaltete Aktions- und Manöverkarten zum Ausdrucken und selbst laminieren.
Fazit
Auch wenn die Grundidee einem klassischen High-Fantasy-Muster folgt, sind sowohl das Regelsystem als auch die Spielwelt von Pythós ohne Frage neu und ungewohnt. Für die Spielwelt ist dies positiv: hier sieht man neue Ideen, eine kreativ gestaltete Welt, die nicht von irgendetwas abgekupfert scheint. Diese zu entdecken wird auch erfahrenen Tischrollenspielern Freude bereiten.
Das Regelsystem wirkt hingegen, trotz seiner hohen Ansprüche, beim ersten Lesen ein wenig sperrig. Mit etwas Einlesezeit mag sich dieser Eindruck mildern, aber die vielen ungewohnten Begriffe machen das Verständnis anfangs etwas mühsam. Für Neulinge, an die sich das Regelwerk ja explizit richtet, wird dieser Eindruck womöglich weniger stark sein. Darüber steht die Regel des „common sense“, etwa des „gesunden Menschenverstandes“, die Konflikte abfedern und unsinnige Aktionen sowie Powergaming verhindern soll. Ob das funktioniert, hängt aber davon ab, ob sich die beteiligten Personen darüber einig werden, was „gesunder Menschenverstand“ eigentlich ist.
Ein klares Plus ist das innovative Kampfsystem, das auf Dynamik und Narrativ setzt, um Kämpfe schnell und spannend abzuhandeln. Dabei ist es nicht nur erlaubt, sondern explizit vorgesehen, dass alle Charaktere und NSC gleichzeitig handeln. Klingt chaotisch, scheint aber zu funktionieren. Für Menschen, die kreative Spielwelten und klassisches Abenteuern lieben, ist Pythós, trotz kleiner Kinderkrankheiten, auf jeden Fall sein Geld wert.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/08/05/rezension-dsa5-krallenspuren-alles-fuer-die-katz/
Wer bei Krallenspuren und Ulisses Spiele sofort an Katzen denkt, der ist keineswegs auf einer falschen Fährte. Der neue DSA5-Abenteuerband führt Helden in die Ruinen von Zhamorrah, in denen gleich mehrere Zivilisationen gefährliche Geheimnisse zurückgelassen haben. Ob die Helden die Region vor einem grausigen Schicksal bewahren können?
„KOMM, MEINE SCHÖNE KATZE, AN MEIN VERLIEBTES HERZ; ZIEH NUR DIE KRALLEN DEINER TATZE EIN UND LASS MICH TIEF IN DEINE SCHÖNEN AUGEN TAUCHEN, IN DEREN GLANZ METALL SICH UND ACHAT VERMISCHEN.
(Charles Pierre Baudelaire – frz. Schriftsteller und Lyriker)
Krallenspuren? Katzenkrallen? Ist dies etwa das erste Abenteuer von Die Schwarze Katze? Nein, dies ist ein weiteres Abenteuer in der Welt des Schwarzen Auges (DSA5).
Achtung, die Erforschung dieser Rezension fördert Spoiler zutage!
Inhalt
Wo die Flüsse Gadang und Mhanadi aufeinandertreffen, liegt das kleine Dörfchen Samra im Schatten der uralten Ruinen von Zhamorrah. Die Bewohner sind abergläubisch und misstrauisch und machen es dem horasischen Forscher Hexander nicht einfach, die Mysterien des geschichtsträchtigen Ortes zu ergründen. Zum Glück gibt es Helden, die ihn tatkräftig unterstützen können. Mit Neugier und Forscherdrang stellen sie sich den Geheimnissen der Stadt unter den wachsamen Augen der allgegenwärtigen Ruinenkatzen.
Eine Katze ist es auch, die aus dem kleinen Dörfchen und seinen misstrauischen Bewohnern einen Schauplatz für ein magisches und mysteriöses Abenteuer macht. Genauer gesagt, das Verschwinden des Katers Arkos. Die Hexe Halimyanis, deren Vertrautentier der Kater ist, ist alles andere als erfreut über sein Verschwinden und macht die Dorfgemeinschaft dafür verantwortlich. Schon bald sind die Fronten verhärtet und die Eskalation ist nur noch einen Hexenfluch entfernt.
Kapitel 1 – Katzenhafte Neugier
Egal, ob die Helden auf eigene Faust nach Samra kommen, oder in Begleitung des Geweihten und Geschichtsforschers Hexander Ponziani von Kuslik hergereist sind, sie werden Zeuge der eskalierenden Situation in Samra. Der stringente Verlauf des Abenteuers stellt Spieler und Helden gleichermaßen vor die Herausforderung, sich mittels sozialer Interaktion deeskalierend einzumischen.
Dafür bietet das Abenteuer eine Vielzahl an Nichtspielercharakteren, welche mal mehr und mal weniger von Flüchen der hiesigen Hexe geplagt werden. Spielergruppen, die soziale Interaktionen nur auswürfeln, kommen hier eventuell an Ihre Grenzen, das Ausspielen der sozialen Konflikte hingegen kann sich als abendfüllend oder gar rahmensprengend erweisen.
Je nach Vorbereitung durch die Spielleitung und Willen, auch aus dem Rahmen des linear strukturierten Abenteuers auszubrechen, ergeben sich viele Möglichkeiten für Nebenschauplätze und eigene Handlungsideen. Die Machtübernahme des Sultans Hasrabal in dieser Region wird beispielsweise nur angeschnitten, kann aber durchaus eine Rolle spielen, wenn man in Konflikt mit seinem eingesetzten Verwalter und dessen Söldnern gerät.
Da der Umgang mit den sozialen Konflikten den Bärenanteil des Abenteuers ausmacht, bringt er eine gewisse Komplexität mit sich, welche für unerfahrene Spielleiter möglicherweise nicht gleich erkennbar ist. Die Komplexitätskennzeichnung des Abenteuers „Meister: mittel“ ist daher etwas irreführend. Zwar stehen der Spielleitung viele Hilfsmittel, Vorlesetexte und Informationen zur Verfügung, aber es bedarf einiger Vorbereitung, die komplexen Verhältnisse der Dorfbewohner zueinander in ein atmosphärisches Spieltischerlebnis zu verwandeln. Eine Auseinandersetzung mit dem Thema soziale Konflikte im Rollenspiel ist Grundvoraussetzung. Siehe auch: Würfeln oder Sprechen? – Einsatz sozialer Fertigkeiten im Spiel.
Kapitel 2 – Krallenspuren
Die geradlinige Struktur des Abenteuers bringt die Helden unwiderruflich auf die Fährte des verschwundenen Katers. Dabei ist das Abenteuer derart konstruiert, dass sich an den Nebenschauplätzen stets weiter Ereignisse auftun, welche die Helden erst entdecken, wenn sie an den jeweiligen Schauplatz zurückkehren.
Hält sich die Spielleitung an den vorgegebenen Rahmen des Abenteuerbandes, so entzieht man den Spielern leider einen Großteil der Handlungsfreiheit. Es ist ein wenig wie in einem Point-and-Click-Adventure, in welchem man zwischen zwei Handlungsorten hin- und herspringt. Oh, ich habe ein Déjà-vu. Waren wir hier nicht schon einmal?
Ja, aber jetzt hat sich was verändert. Stück für Stück wird das Rätsel gelüftet, und der Alptraum wird wahr. Irgendetwas geht in den Ruinen von Zhamorrah vor sich. Gut, dass Historiker Hexander dabei ist, er kann bei der Entzifferung wichtiger Hinweise helfen und auch sonst als rettende Kavallerie auftreten.
Letztlich ist es weniger den Helden als dem geplanten Spielverlauf zu verdanken, dass die Helden mit den dunklen magischen Machenschaften des Antagonisten konfrontiert werden. Hierzu müssen sie allerdings zunächst einen Dungeon unter den Ruinen von Zhamorrah überleben.
Kapitel 3 – Unter Zhamorrah
Der finale Dungeon ist nicht nur eine gelungene Abwechslung zum eher sozialfertigkeitsgeprägten Einstieg und dem step-by-step- oder eher quest-by-quest-funktionierenden Abenteuerverlauf. Die uralten Räumlichkeiten der einstigen Magiermogule beherbergen nicht nur unvorstellbare Schätze, sondern ebensolche Schrecken. Die Beschreibungen sind detailliert und geben dem Spielleiter die Möglichkeit, eine gelungene Atmosphäre zu schaffen.
Neben Indiana-Jones-Hobby-Archäologen kommen auch Religionsforscher und kampferprobte Recken auf ihre Kosten. Die Überreste aus der Zeit der Magiermogule warten nicht nur mit Relikten einer Reihe uralter Gottheiten auf, sondern auch mit zahlreichen, tödlichen Fallen und Gefahren. Siehe hierzu auch: Was ewig liegt – Archäologie und Mythologie im Rollenspiel.
Besonders der große Showdown verlangt selbst kampferfahrenen Helden alles ab. Neben Wächtergolems gilt es, sich einem leibhaftigen Dämon zu stellen. Déjà-vu! Hatten wir das nicht gerade in einem anderen Abenteuer? Eine Hexe, die sich gegen die Feindseligkeit eines Dorfes erwehren muss, und ein mächtiger Dämon aus uralten Zeiten als Endgegner? Irgendetwas ist hier faul!
Unabhängig vom Gefühl des Schonerlebten lässt sich mit den Beschreibungen des Dungeon, den Zutaten Dämonen und Magiermogule, sowie den geschichtlichen Hintergründen, ein spannendes Finale erleben. Wenn es der Spielleiter versteht, die uralte Magie des Ortes gut zu präsentieren, sind Nervenkitzel und Bangen um der Helden Schicksal bis zur letzten Minute garantiert. Siehe hierzu auch: It‘s a kind of magic – Die Darstellung von Magie im Rollenspiel.
Anhang
Der Anhang des Buches ist verhältnismäßig klein gehalten, da alle wichtigen Personen bereits innerhalb der Kapitel beschrieben wurden. Das Augenmerk wurde hier auf die Regeln zum Umgang mit Dämonen gelegt und auf die Beschreibung des dämonischen Wirkens. Sicherlich ist dies auch ein willkommener Ausblick auf das Aventurische Pandämonium.
Erscheinungsbild
Neben einem hervorragend gelungenen Cover von Nathaniel Park, welches die Verfolgung einer Katze durch die Ruinen von Zhamorrah darstellt, sind es vor allem die Charakterdarstellungen, die ins Auge stechen. Egal ob Stadthalter Habib ben Harun oder Söldner Jedrech, fast alle wichtigen Charaktere wurden eindrucksvoll und treffend abgebildet. Daneben sind vor allem viele Bilder von Katzen im Abenteuerband zu finden, welche bereits durch den kürzlich erschienen Regelband Aventurische Tiergefährten Bekanntheit erlangten (wir berichteten!).
An Aufbau und Lesbarkeit lässt sich nichts bemängeln, wenngleich es ungewohnt ist, dass Antagonisten und NSCs nicht separat im Anhang aufgeführt werden. Positiv-ungewohnt wohl bemerkt, da es viel unnötiges Blättern erspart.
Abbildungen des Städtchens Samra und der unterirdischen Anlagen in Zhamorrah, auf den Innenseiten des Buchumschlages, runden den Abenteuerband ab.
Bonus/Downloadcontent
Es ist kein Bonus- oder Downloadcontent vorhanden.
Fazit
Das Werk Krallenspuren ist ein sehr lineares Abenteuer, welches sich durchaus als Mysterienabenteuer bezeichnen darf. Neben komplexen sozialen Interaktionen, die gut vorbereitet sein müssen, sorgen ein Dungeon und finale Kampfelemente für ein ausgewogenes und durchdachtes Konzept. Jede Art von Held kommt hier irgendwann in den Genuss, seine Fähigkeiten präsentieren zu dürfen. Wenngleich der Plot sehr ähnlich wirkt wie der aus Fauler Frühling, wurde hier besser darauf geachtet, ein glaubhaftes Setting für die vorherrschende Situation zu finden.
Die Nichtspielercharaktere und ihre Hintergrundgeschichten, vom einfachen Stadtbewohner bis zum Antagonisten, sind logisch aufgebaut. Mit etwas Spielleiter-Engagement bieten sie noch viel Potenzial für eigene Abenteuerideen und Nebenschauplätze. Leider wird durch das starre Korsett der linearen Struktur auch einiges an Potenzial und Handlungsfreiheit verschenkt. Nichtsdestotrotz kauft man mit Krallenspuren keinesfalls die Katze im Sack. Wer also noch auf DSK wartet, kann mit den Ruinenkatzen aus Zhamorrah sinnvoll die Zeit überbrücken.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/08/26/spieltest-shadowrun-6-battle-royale-zwischen-freiheitskampf-und-soyballs/
Battle Royale ist Teil des Starterpakets.
Sechste Welt, sechste Edition: Das 30-jährige Jubiläum von Shadowrun katapultiert Runner und die, die es werden wollen, direkt ins Jahr 2080. Im Schatten globaler Megakonzerne werden mit Magie, Chrom und Datenbuchse die schmutzigen Kapitel der Weltgeschichte geschrieben. Einen Vorgeschmack auf das, was kommt, bietet das Einstiegsabenteuer Battle Royale.
Im Herbst 2019 erscheint hierzulande das Grundregelwerk zu Shadowrun 6. Spätestens mit Veröffentlichung des Starterpakets von Pegasus Spiele im Juli ist die Vorfreude spielerseitig geschürt. Das mitgelieferte Einstiegsabenteuer dient als erster Spieltest zu Shadowrun 6 – mehr als Grund genug, einen genaueren Blick darauf zu werfen.
Die Spielwelt & Regeln und Charaktererschaffung
Der Schnellstarter von Shadowrun 6 stellt eine abgespeckte Version der eigentlichen Regeln dar, die erst mit Erscheinen des Grundregelwerks hierzulande im Herbst im Ganzen erfasst werden können. Das Vorhaben von Catalyst Game Labs, den Einstieg in das Regelsystem zu erleichtern, ohne auf Spieltiefe verzichten zu müssen – so im Mai 2019 auf der offiziellen Website des Studios angekündigt –, scheint jedoch auf den ersten Blick gelungen zu sein. Die von Megakonzernen dominierte, dystopische Welt von Genrehybrid Shadowrun soll damit auch Spielern offen stehen, die (zu) komplexe Regelsysteme ablehnen.
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Die auf insgesamt 18 Stück reduzierten Aktionsfertigkeiten sowie ein schlankes Regelkonzept für Magie- und Matrixanwendungen erleichtern auch für Shadowrun-Neulinge das Verstehen. Hinzu kommt eine veränderte Handhabe der Initiative. Damit unmittelbar verknüpft ist die Anzahl der Haupt- und Nebenhandlungen, die ein Charakter innerhalb einer Kampfrunde vornehmen kann.
Des Weiteren werden sogenannte Angriffs- und Verteidigungswerte als Indikator für den Erfolg der jeweiligen Handlung verwendet. Mithilfe dieser Werte bzw. ihrer Relation zueinander können sogenannte Edge-Token gewonnen und in Edge-Boosts investiert werden. So können einzelne Feinde, aber auch Schergengruppen, die mehrere Gegner zusammenfassen, besiegt werden.
Ob diese Regeländerungen, die bereits im oberflächlichen Vergleich mit Shadowrun 5 identifizierbar sind, praxistauglich sind, zeigt der Spieltest zu Shadowrun 6.
Spielbericht
Im Schnellstarter sind Kurzdossiers der vorgefertigten Charaktere enthalten.
Dank vorgefertigter Charakterdossiers entfällt eine Charaktererschaffung. Für das Spielen des Einstiegabenteuers ist demnach vor allem auf Spielerseite wenig vorab zu leisten. Die angebotenen vier Charaktere sind unterschiedlicher Natur und vermitteln eine Idee davon, wie vielfältig ein Team von Shadowrunnern aussehen kann. Die Fähigkeiten sind aufeinander abgestimmt; Redundanz oder fehlende, jedoch benötigte, Skills sind nicht gegeben.
Die Testrunde fand am Freitag, den 09.08.2019, online statt. Es wurden Discord und Roll20 als Plattformen zum gemeinsamen Spielen genutzt. Neben der Autorin, die die Spielleitung übernommen hatte, waren vier Spieler aus dem Teilzeithelden-Team – Felix, Johannes, Marc, Norbert – beteiligt. Ein herzliches Dankeschön geht an dieser Stelle an die freiwilligen Tester!
Die Handlung
In diesem Lagerkomplex kommt es zum Showdown.
Beim abendlichen Einkauf im Stuffer Shack werden die Runner von Motorengeräuschen und Gejohle von der Straße gestört. Mehrere Gangs – mithin die Spikes, die Rusted Stilettos, die Ragers und die Ancients – haben eine Luxuslimousine vom Typ Mitsubishi Nightsky eingekesselt und sind gewillt, die hochrangige Insassin an sich zu bringen. Bei dieser handelt es sich um niemand Geringeres als eine Gesandte der UCAS, namentlich Erika Hoffmann, die direkt aus Washington D.C. kommt.
Nach kurzer Kontaktaufnahme mit Hoffmann folgen die Runner der Limousine und den Gangs in einen nahegelegenen Lagerkomplex. Hier kommt es zu kreativen Ablenkungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen. Final kann Hoffmann befreit werden.
Die Regeln und die Umsetzung
Vor allem hinsichtlich der (politischen) Hintergründe ist Battle Royale für Kenner von Shadowrun interessant. In Kombination mit einer dynamischen Handlung, die die Charaktere direkt ins Geschehen stürzt, entsteht eine spannende Plotidee. Für Laien jedoch ist Battle Royale kein geeignetes Abenteuer – es bricht mit gängigen Shadowrun-Klischees. Anstelle eines Gesprächs mit einem Auftraggeber, der nachfolgenden Planung und der tatsächlichen Durchführung steht hier ein spontaner Run.
Mithilfe sogenannter Edge-Boosts können Fertigkeitsproben verbessert werden.
Neben der offenen Frage nach der Sinnhaftigkeit von Battle Royale als Einstiegsabenteuer bestehen Schwierigkeiten im Hinblick auf die Regelgrundlagen:
Während die grundsätzliche Idee, Edge vielfältiger einzusetzen, positiv anzuerkennen ist, hakt die tatsächliche Umsetzung. Die Generierung von zusätzlichem Edge mithilfe der Angriffs- und Verteidigungswerte bzw. aufgrund der Umweltbedingungen eröffnet zwar viele Möglichkeiten, erscheint oft jedoch willkürlich. Hinzu kommt, dass durch beispielsweise erfolgreiche Angriffe generiertes Edge für eine komplett andere Aktion verwendet werden kann. Spielerseitig entstand im Rahmen des Spieltests zu Shadowrun 6 mehrfach Irritation.
Das schnelle Verstehen, das etwa bei einem Spieltest auf einer Convention nötig wird, ist auch bei weiteren Regelaspekten schwierig: So bei den Schergengruppen und bei der Vielzahl der Proben, die zur Durchführung einer einzelnen Kampfhandlung nötig wird.
Spielbarkeit aus Spielleitersicht – Ein Bericht von Yola
Primär spiele ich lieber, als dass ich leite – dennoch finde ich ab und an Freude daran, die Position am anderen Ende des Spieltisches zu besetzen. Ein vorgefertigtes Abenteuer habe ich seit über zehn Jahren nicht mehr geleitet. Damals habe ich meine Spieler mit dem (für das Gruppenspiel angepassten) Soloabenteuer Ewig ist nur Satinav (DSA 3) vom täglichen aventurischen Murmeltier grüßen lassen. Dementsprechend verhalten begegnete ich dem Einstiegsabenteuer aus dem Starterpaket. Positiv fiel mir beim Lesen bzw. Vorbereiten auf, dass Battle Royale sich an erfahrene wie neuere SL gleichermaßen wendet und viele Praxistipps mit sich bringt. Das Abenteuer bietet eine Vielzahl von Hintergrundinformationen (z. B. ein mehrseitiges Dossier über Seattle) an, die der Spielleitung viele Freiheiten an die Hand geben, Modifikationen vorzunehmen. Aufgrund humoristischer Einschübe war das Lesen alles andere als langweilig.
Der Spieltest von Shadowrun 6 bringt auf Seiten des SL viel Arbeit mit sich. Ein spontanes Leiten ist meiner Meinung nach ohne Kenntnisse früherer Shadowrun-Editionen nicht möglich. Das Erstellen von Schergengruppen beispielsweise bedarf Vorbereitung. Auch die Anpassung während des Spiels – u. a. dann, wenn die Schergengruppe sich verkleinert – ist zeitintensiv. Das Nachschlagen von Werten, Beschreibungen und Regeln jedoch hat, wenn überhaupt, nur zu kleineren Verzögerungen geführt. Ich hätte es sehr begrüßt, Illustrationen zu den NSC innerhalb des Abenteuers zur Verfügung stehen zu haben – leider sind diese nicht Teil von Battle Royale.
Unvermittelte Action – Battle Royale zieht die Spieler mitten ins Geschehen.
Ist die Gruppe erst einmal mitten im Geschehen, ist der Fortgang des Runs nur schwer zu stoppen. Allerdings kann es einiges an Kreativität erfordern, einen gelungenen Einstieg zu schaffen. Meine Spieler waren versucht, hinter den schützenden Mauern des Stuffer Shacks abzuwarten – im Angesicht des Gangkriegs vor dessen Tür kein schlechter Gedanke. Doch Geld ist bekanntlich immer ein gutes Argument.
Spielbarkeit aus Spielersicht – Ein Bericht von Norbert
Was ich von einem Schnellstarter (bzw. einer „Beginner Box“, wie das Material im Englischen heißt) erwarte, ist eine kurze und prägnante Darstellung dessen, was das System und die Spielwelt mir bietet, wenn ich mir das Grundregelwerk anschaffe.
Shadowrun in einen Schnellstarter zu stecken, ist wegen der Komplexität des Systems und der Spielwelt eigentlich unmöglich. Wenn man es doch versucht, müssen Abstriche gemacht werden. In diesem Fall beginnt das damit, dass die Charaktererstellung ausgenommen und durch vorgefertigte Charakterdossiers ersetzt werden – grundsätzlich eine gute und sinnvolle Sache. Zusätzlich hat man versucht, sich auf die Basisregeln zu beschränken. Das hat meiner Meinung nach nicht funktioniert, denn man kann gar nicht so richtig festlegen, wo die Grenze zwischen Minimalregeln und vernünftiger Spielbarkeit liegt.
Die Spielwelt wird für den Spieler nur unzureichend vermittelt.
Das Ergebnis ist, dass viele Fragen unbeantwortet bleiben: Wie genau funktionieren vergleichende Sozialproben? Wird der temporäre Edgewert oder der des Charakters zum Würfelpool addiert, wenn man diese 4-Edge-Boost-Option wählt? Warum wird Antimagie erklärt, obwohl es keine magisch begabten Gegner gibt? Et cetera. Wenn ich die Spielwelt und vorherigen Editionen von Shadowrun nicht ausführlich kennen würde, hätte ich sicherlich so manches Problem gehabt. Das ist also die erste Sache, an der der Schnellstarter für mich scheitert: Welt und Regeln in angemessener Länge sinnvoll vermitteln und das beigelegte Abenteuer problemlos spielbar machen.
Liest man die Regeln, wirkt es so, als wollte man im Gegensatz zur Vorgängeredition alles etwas einfacher machen, also entschlacken. Fertigkeiten zusammenzufassen ist dabei eine der besseren Ideen. Ebenso einfachere Matrixregeln. Ich habe die hermetische Orkmagierin Frostburn gespielt und mag die einfache Anpassbarkeit der Kampfzauber – man kann den Schaden oder Radius steigern, muss dafür aber höheren Entzug in Kauf nehmen.
Das grundsätzliche Würfelprinzip ist einfach zu verstehen: Fertigkeits- und Attributswert zusammen ergeben den Würfelpool in W6. Entweder würfelt man gegen einen Schwellenwert oder gegeneinander in einer vergleichenden Probe. Bei Angriffen vergleicht man den Angriffswert und den Verteidigungswert – ist einer der Beteiligten mit vier oder mehr im Vorteil, bekommt der Charakter ein Bonus-Edge.
Eine Vielzahl von Faktoren wirkt sich auf den Angriffs- und Verteidigungswert aus.
Das erinnert ein wenig an das Vor- und Nachteilkonzept von D&D 5. Dass man danach noch rumdiskutieren soll, welche Ausrüstung einem einen weiteren Edgepunkt gibt, ist lediglich nervig. Außerdem verändern sich Angriffs- und Verteidigungswert permanent, wenn man zum Beispiel Eisschaden erleidet, wenn man eine Salve schießt oder wenn man in Deckung ist.
Zuerst wirkt das System also einfacher, dann aber kommen viele kleine, komplizierte Aspekte hinzu, und wenn man ehrlich ist, passt das alles nicht so richtig zu Shadowrun. Es geht doch um Zahlen und Werte, nicht um vage Diskussionen, ob man Edge bekommt, weil man Cyberaugen oder Ähnliches hat.
Einem Neuling würde ich vom Schnellstarter abraten. Das Abenteuer ist nicht repräsentativ für das Spiel, sondern nur Action ohne Antrieb. Erfahrene Spieler würden den „Run“ gar nicht erst angehen, denn er bedeutet unnötigen Ärger ohne viel Gewinn. Erfahrene Spieler werden sich mit vielen Fragen konfrontiert sehen, die ihnen der Schnellstarter nicht beantworten kann. Ich bin ein wenig enttäuscht und hoffe, dass das zur SPIEL 2019 erscheinende Grundregelwerk den schlechten Eindruck der Änderungen am Spielsystem wieder aufheben kann.
Fazit
Eine entführte Luxuslimousine, eine UCAS-Gesandte auf Abwegen und vier konkurrierende Straßengangs: Battle Royale ist ein dynamisches Abenteuer, das einen Vorgeschmack auf die sechste Edition von Shadowrun 6 gibt. Es bewegt sich fernab von system- und spielweltimmanenten Klischees, was für Kenner interessant, für Neulinge allerdings irreführend sein dürfte.
Des Weiteren ist die Masse an (teils vagen) Informationen den Run, die Hintergründe und die Regeln betreffend selbst für erfahrene Chummer schwer zu erfassen. Insgesamt ist mit dem Schnellstarter ein Konstrukt entstanden, welches aufgrund des Umfangs und der Interpretationsspielräume die Grenzen eines „Kennenlernabenteuers“ sprengt.
Battle Royale ist zugute zu halten, dass es allgemeine SL-Tipps – auch für Neulinge – anbietet und zudem eine humoristische Ader aufweist. Es ist darüber hinaus nicht ausschließlich ein Spieltest zu Shadowrun 6, sondern bietet seinem Leser Informationen zur Spielwelt an. Da das gesamte Starterpaket kostenfrei zu erhalten ist, ist zumindest die Lektüre von Battle Royale kein Minusgeschäft, sondern eines, das mit Vorbereitung, Modifikationen und vielleicht einigen klärenden Grundlagen aus dem Shadowrun 6-Grundregelwerk durchaus zu genießen ist.
Artikelbilder: © Catalyst Game Labs, Bearbeitung: Melanie Maria Mazur
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https://www.teilzeithelden.de/2019/08/09/angehoert-wrath-glory-soundtrack-duempeln-mit-dem-imperator/
Viele neue oder erneuerte Rollenspielsysteme erscheinen heutzutage mit einem bunten Strauß an Begleitmaterial. Beliebt sind da auch passende Soundtracks. Einer der jüngsten in dieser Reihe ist jener zu Wrath & Glory, der noch unter der Ägide von Ulisses erschienen ist. Wir haben unseren Noise Marine darauf angesetzt!
Lange mussten Fans das bolterlastigen Rollenspiels warten, als dann endlich Ende letzten Jahres mit Wrath & Glory die grausamen Weiten des 42. Jahrtausends erkundet werden durften. Passend dazu erschien auch ein Soundtrack von Joe Griffin. Griffin lebt in Chicago und hat sich vor allem als Komponist für Kurzfilme und Theateraufführungen einen Namen gemacht. Bei Wrath & Glory verantwortet er das erste Mal ein Projekt im Warhammer-Universum und ist für einen kompletten Rollenspiel-Soundtrack verantwortlich.
Der Soundtrack
Preparations (2:47)
Der Soundtrack beginnt sehr interessant und eröffnet mit militärisch anmutenden Trommeln und Klängen, die einen gedanklich tatsächlich in eine Vorbereitungsszenerie entführen. Man spürt die latente Anspannung für den Einsatz. Leider verliert sich dieses Gefühl sehr schnell in einer leicht drögen Melodie.
Last Day of Peace (5:26)
Ein vom Synthesizer erzeugter Bass eröffnet diesen Track und lässt an unendliche Dunkelheit im Weltraum denken. Doch wird dieser viel zu lange gehalten und erst nach einer Minute folgt eine leichte melodische Veränderung. Bei der soll es dann auch für die restlichen 4 Minuten des Stücks bleiben. Damit trägt dieser Titel kaum zu einer Stimmung merklich bei.
Aeldari Invasion (3:27)
Der Titel könnte die Erwartungen hochschrauben, wären die ersten Titel nicht so schwach. Tatsächlich startet die Invasion enorm kraftvoll. Mit einem Marschrhythmus unterlegt und durch tiefe Posaunen begleitet, kommt durchaus Kriegsstimmung auf. Es fehlen allerdings musikalisch erhaben passende Einschübe, die auf die Aeldari referenzieren. Auch ist reine Synthesizer-Musik hier nicht geeignet, Epik zu erzeugen. Gegen Ende versandet auch dieser Titel in Belanglosigkeit, gewinnt aber in den letzten Sekunden noch mal an Energie, die man sich früher gewünscht hätte.
Appeal to the Machine Spirits (3:57)
Zu den Maschinengeistern passt der reine Einsatz elektronischer Klänge deutlich besser. Es bleibt jedoch ein Hintergrundgeplätscher, das aber durchaus versteht, eine düstere Stimmung zu erzeugen und sicher für viele spannende Szenen geeignet seien dürfte. In manchen Passagen fühlt man sich fast schon an gute alte Echtzeitstrategieklassiker wie Command & Conquer erinnert.
Aeldari Stratagem (3:11)
Diesmal wird das Aeldari-Thema besser getroffen und Griffin greift zu Beginn zu exotisch anmutenden Klängen. Mit ein wenig Abwechslung im Einsatz der Synthi-Klänge und einem bedrohlichen Trommeln, gepaart mit marschähnlichen Sequenzen, bietet auch dieser Titel ein paar schöne Ansätze für Szenen.
The Void Looks Back (3:31)
Die Leere schaut in Warhammer nicht nur sprichwörtlich zurück, sondern kann ganze Besatzungen oder Planetenbewohner in den Wahnsinn treiben. Griffin fängt dieses Phänomen gut mit einer Kakophonie klagender, nicht greifbarer Stimmen ein. Dies zieht sich allerdings mit der Zeit etwas monoton hin und wir erst in der letzten Minute durch ein Ansteigen des stimmlichen Wahnsinns zu einem grauenhaften, im positiven Sinne, Höhepunkt gesteigert.
Cost of Victory (3:03)
Der Preis des Sieges ist in diesem Universum selten gering. Joe Griffin hat hier ein wirklich gutes Gespür, dies zu vermitteln. Vor dem inneren Auge könnte man ein blutiges Schlachtfeld genauso sehen, wie eine Prozession zu Ehren der Toten. Allerdings hätte dieser Titel wirklich gut echte Instrumente vertragen, um sich zu entfalten. So wirkt er am Ende lieblos und eher wie ein Demostück.
Aftermath of Defeat (3:30)
Mit diesem Titel kehrt Griffin wieder zu seinem Schema der ersten Titel zurück. Es plätschert ein wenig vor sich hin und ab und an verirren sich Pianoklänge in dieses Stück. Diese fangen dafür sehr gut die Stimmung nach einem Kampf mit hohem Preis ein. Leider gibt es auch hier kaum Variation, was diesen Titel wieder fad werden lässt. Sehr schade, weil er viele Emotionen transportieren könnte.
Waaagh! (3:34)
Man könnte meinen, der Komponist ist mit diesem Track aus seinem Schlaf erwacht. Kraftvoll pulsierend startet der Ork-Waaagh, begleitet von Rufen der grünen Meute. Spieler*innen von StarCraft werden stellenweise schöne Assoziationen zu den Terraner-Soundtracks haben. In der Mitte des Titels fühlt man sich dann wieder bei Command & Conquer angekommen. Die Inspiration ist hier eindeutig und wurde handwerklich gut umgesetzt. Der mit Abstand beste und lebendigste Titel des Albums.
The Hunt (3:13)
Das vorherige Stück machte große Hoffnungen und der Titel verspricht viel Spannung und Action. Die ersten 30 Sekunden überzeugen und versprechen eine spannungsgeladene Jagd, bei der unklar scheint, wer Jäger und Beute ist, verliert sich dann aber wieder in Eintönigkeit. In der Mitte des Titels scheint Griffin die Kurve zu kriegen, und schafft Spannung aufzubauen, die er versucht durch Wiederholung zu halten, überstrapaziert dies jedoch, da eine musikalische Entwicklung fehlt.
Righteous Fury (4:30)
Der gerechte Zorn ist zweifelsohne ein Leitmotiv des Warhammer-Universums. So gehört dieser Titel zu den wenig dynamischen Stücken des Albums und fängt dieses Thema gut ein. Treibende Trommeln und tiefe Melodien schreien danach, mit dem Bolter in die Feinde zu stürzen.
Preis/Leistung
Für 19,95 EUR erhält man einen gepressten Silberling mit schönem Artwork und Booklet. Die Beschreibungen lesen sich jedoch deutlich epischer, als das musikalische Erlebnis tatsächlich ist. Mit 11 Titeln und grade mal 41 Minuten Spielzeit bekommt man wenig geboten, selbst wenn man sich für die digitale Variante entscheidet, die bei rund 10 EUR liegt. Da bieten Erdenstern und Co. deutlich mehr für das Geld.
Fazit
Wer Warhammer kauft, hat eine bestimmte Erwartungshaltung: Grim-Dark (Space-) Gothic. Eine grausame, unbarmherzige Welt voller Epik und Superlativen. Das neue Rollenspielsystem, inzwischen von Cubicle 7 produziert, fängt dies ausgesprochen gut ein. Die Erwartungen an einen Soundtrack zu Wrath & Glory sind natürlich dementsprechend passend. Griffin gelingt es zwar einen Soundtrack zu schaffen, der sich nicht zu sehr in den Mittelpunkt drängt, doch leider fehlt der richtige Biss und das Gefühl von Warhammer. Das dürfte vor allem zwei Gründe haben. Zum einen hat sich Joe Griffin für einen sehr zurückhaltenden Soundtrack entschieden, der keine Geschichte erzählt. Das will nicht richtig passen und er verfehlt den richtigen Grad an Zurückhaltung, um dennoch eine Geschichte zu unterstützen. Zum anderen wirkt sowohl der Stil als auch der nahezu ausschließliche Einsatz elektronischer Synthie-Klänge sehr retro und erinnert an Computerspiele der späten 90er und frühen 2000er Jahre. Warhammer schreit aber geradezu nach einer orchestralen Aufbereitung mit elektronischen Einschlägen, die mit entsprechenden Soundboards machbar wären. Für das richtige musikalische Gefühl sollte man sicher daher lieber bei den üblichen Verdächtigen bedienen. Wem ein bisschen Synthie-Gedümpel mit etwas Science-Fiction Anlehnungen reicht, kann zugreifen, wobei Preis/Leistung hier absolut nicht stimmen.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/06/29/rezension-dsa5-fauler-fruehling-alles-nur-fauler-zauber/
Das auf dem Kaiser Raul Konvent 2018 in einem Workshop entstandene Abenteuer Fauler Frühling hat nun auch in die Regale des Handels gefunden. Ob sich hinter dem spannenden Namen eine ebenso spannende Geschichte verbirgt oder doch nur fauler Zauber, hat Redakteur Torben für euch herausgefunden.
„Etwas ist faul im Staate Dänemarks.“
(1. AUFZUG, 4. SZENE, MARCELLUS IN WILLIAM SHAKESPEARES‘ HAMLET)
Nicht im Staate Dänemarks, aber im Reich der Thorwaler ist etwas faul – einer Region in Das Schwarze Auge, die kulturell stark an Skandinavien erinnert. In die hinterste Provinz, in die Nähe des Orklandes, verschlägt es die Helden. Hier müssen Sie das Leiden eines kleinen Dorfes beenden, indem sie es aus dem Griff eines alten Schreckens befreien. Doch das ist einfacher gesagt als getan, wenn man es mit einer kaum greifbaren Bedrohung zu tun hat.
Helden sind aber bekanntlich die beste Medizin, wenn es um dunkle Magie und alte Relikte geht. Die Auswahl eines passenden Helden fällt hier allerdings nicht leicht und ist die erste Hürde auf einem holprigen Weg durch die kleine, thorwalsche Siedlung Vedgard am Rande des Olochtai-Gebirges.
Achtung, diese Rezension enthält Spuren von Spoilern!
Bei Risiken und Nebenwirkungen erschlagen Sie einen Ork oder zwei.
Inhalt
Das Abenteuer Fauler Frühling ist grob in fünf Kapitel unterteilt. In der Einleitung wird die Geschichte der Region beschrieben und wie erwartet auf den möglichen Verlauf des Abenteuers hingewiesen.
Der Plot wirkt einfach gestrickt und enthält neben den typischen Elementen des Rollenspiels keine abnormen Besonderheiten. Von Vorteil ist, dass auf Kämpfe größtenteils verzichtet werden kann. Somit lässt sich der Verlauf aber auch schlicht als immer wiederkehrende Verkettung von Suche & Finde-Aufgaben darstellen. Der Region geht es schlecht – suche und finde den Ort von dem es ausgeht. Dem Dorf geht es schlecht – suche und finde den Schuldigen. Ein Ritual kann helfen, den Schrecken zu beenden – suche und finde die benötigten Zutaten.
Kapitel 1 – Die Zeit der Schneeschmelze
„Die Zeit der Schneeschmelze“ befasst sich mit dem Einstieg der Helden. Drei Möglichkeiten gibt das Abenteuer vor, aber keine wirkt zu 100 Prozent zufriedenstellend. Lediglich die Idee sich einem Skalden (thorwalscher Barde) anzuschließen, welcher unbedingt eine Saga über angehende Helden singen will, wirkt nicht allzu gestellt. Die kleinen Strophen am Anfang eines jeden Abschnittes, welche aus der Feder eben jenes Barden stammen, sollen zudem die Stimmung am Spieltisch aufheitern. Zumindest das schlechte Verständnis für Versmaß und Reime hat unseren Spieltisch sehr erheitert.
Egal welchen Einstieg die Helden auch wählen, letztlich führt ihr Weg sie in das Hinterland und in das Dorf Vedgard. Schon auf dem Weg dorthin erhalten sie die ersten Anzeichen für den Fluch, der über dem Dorf liegt. Die Menschen sind krank und die Ernten fallen aus. Explizit die Rübenernte findet Erwähnung, was allerdings verwunderlich ist. Rüben werden, auch in Aventurien (siehe beispielsweise Handelsherr und Kiepenkerl) erst im Herbst geerntet. Ein derisches Pendant zur irdischen Mai-Rübe wäre noch vorstellbar, aber nicht, wenn gerade die Schneeschmelze eingesetzt hat und der Boden vermutlich noch gefroren ist. Im Abenteuer selbst heißt es, dass „die Kälte immerhin nicht lebensbedrohlich ist“.
Kapitel 2 – Die Suche nach Hilfe
Den agrarwissenschaftlichen Fauxpas außer Acht lassend, müssen sich die Helden im zweiten Kapitel auf die Suche nach der Ursache für das Elend in Vedgard machen. Das als „Horror“ bezeichnete Genre watet hier mit einer Maden- und Insektenplage auf und bringt immerhin durch seinen Ekelfaktor eine ganz neue Atmosphäre in das Spiel. Die Feststellung, dass die Bedrohung durch Krankheit und Plage nicht (oder kaum) durch die Helden fassbar ist, ist eine positive Abwechslung. In anderen Abenteuern kann man sich dem personifizierten Bösen meist mit der Waffe in der Hand entgegenstellen, hier sind nun die Ideen der Spieler gefragt, dem Unheil zu entrinnen. Nicht zuletzt auch ihrem eigenen, denn die Helden können, je nach Würfelglück und Meisterwillkür, am eigenen Leib erfahren, wie die Krankheit sie schleichend umbringt.
Die Spur der Plage führt – irgendwie haben wir es ja schon gewusst – zu den Hinterlassenschaften der örtlichen Hexe. Doch auch das Auffinden ihres Versteckes bringt nicht den gewünschten Erfolg im ungleichen Kampf gegen Käfer, Wespen und Mücken. Dafür bietet die „Hexenhöhle“ ein Dungeon-Element und damit erneut eine kleine Abwechslung.
Spätestens jetzt wissen die Helden, dass sie es mit einem mächtigen fast unbesiegbaren Dämon zu tun haben. Während die Spielleitung bereits aus der Einleitung die Geschichte des Dämons kennt, können die Spieler und ihre Helden leider nur wenig über die eigentlichen Hintergründe der Geschichte erfahren. Der Dämon wurde von der Hexe in einem Gefäß aufbewahrt, das Gefäß ging zu Bruch, die Hexe starb. Nun ist es an den Helden, das Gefäß wiederherzustellen. Die Notizen der Hexe reichen allerdings nicht aus, ein Orkpriester muss her. Gut, dass hinter dem Gebirgspass das Orkland liegt und ein friedlicher Orkstamm, der sich gerne bereit erklärt zu helfen. Schließlich ist jedwedes Leben in der Region gefährdet. Zu episch? Ja, definitiv.
Kapitel 3 – Die Erneuerung des Gefäßes
Und dann muss auch nur noch das Gefäß erneuert und der Dämon in einem Ritual gebannt werden. Schlussklappe – Licht aus. Wer seinen Helden einen (fast) aussichtslosen Kampf bieten will, kann dies natürlich an dieser Stelle tun, aber notwendig ist es nicht. Der Satz „Mit einem Bannmagier wären wir hier in fünf Minuten durchgewesen“ ist in dieser Situation gänzlich nachvollziehbar.
Anhang
Im Anhang lassen sich noch ein paar neue Krankheiten finden, welche den Ekelfaktor nach oben treiben können und eine schöne Ergänzung zu den im Aventurischen Almanach aufgeführten Krankheiten sind.
Die „Losen Enden“, welche das Schicksal des thorwalschen Barden und das Prequel des Gefäßes beschreiben, sind eine schöne Dreingabe, um aus dem Abenteuer noch ein bisschen mehr zu machen, als es bisher ist.
Erscheinungsbild
Das Layout ist, wie mittlerweile gewohnt, sehr gut und kann besonders durch das ausdrucksstarke Coverbild von Konrad Krogull punkten. Wertekästen und hervorgehobene Textstellen helfen, einen schnellen Überblick über die Spielsituation zu gewinnen, wenngleich einige Textpassagen deplatziert wirken. Informationen, welche erst in viel späteren Abschnitten des Abenteuers benötigt werden, haben sich an einigen Stellen frühzeitig in den Text gemischt. Im Ganzen folgt das Buch aber einem stringenten Aufbau und lässt sich leicht lesen, ähnlich wie schon das Abenteuer Zeichen der Macht, das ebenfalls aus der Feder von Rafael Knop stammt. Die Innenillustrationen sind ebenfalls gut gewählt und bringen die Personen und Landschaften zum Leben. Im genauen Gegensatz dazu stehen leider die Beschreibungen des Dorfes und der darin lebenden Personen.
Bonus/Downloadcontent
Es ist kein Bonus- oder Downloadcontent vorhanden.
Fazit
Fauler Frühling ist zwar kein fauler Zauber, aber auch kein meisterlich-magisches Werk. Die Helden sind die Medizin für das Unheil einer thorwalschen Binnenlandbedrohung, aber ohne notwendiges Blutvergießen als Nebenwirkung. Die Handlung des Abenteuers folgt einem einfach gestrickten roten Faden, lässt aber den Spielern ihre Freiheiten. Dennoch ist es ein Plot, ohne große Besonderheiten, wie man ihn gefühlt schon 100-mal erlebt hat. Einzig die Hintergrundgeschichte, welche den Spielern vermutlich verborgen bleibt, ist dabei etwas zu episch für die gewählte Region.
Abwechslungsreich ist das Abenteuer dennoch, so kann man neben den typischen Suche & Finde-Aufgaben auch einen Dungeon durchforsten und einen eher untypischen und unerwartet freundlichen Besuch zu einem Orkstamm unternehmen. Wer nicht auf Kämpfe verzichten möchte, kommt dank tollwütiger Tiere auch auf seine Kosten und kann sich einem (fast) unbezwingbaren Endgegner stellen. Für das Hinterland sicherlich eine Saga wert, für den heimischen Spieltisch nur Mittelmaß, aber mit ein wenig Aufwand ausbaufähig.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/05/27/ersteindruck-explorers-du-bist-entbehrlich-tom-vogt/
Im Universum hat sich die Menschheit über tausende Sternsysteme ausgebreitet. Die Grenzen des Imperiums müssen bewacht und neue Welten erforscht werden. Um die kostbaren Menschenleben zu schützen, wird auf eine Alternative zurückgegriffen: Klone. [explorers] stammt aus dem Hause Not Very Professional Games – ein tolles Sci-Fi-Rollenspiel, oder ist der Name Programm?
Einer der großen Vorteile des Universums ist seine Unbegrenztheit. In die endlosen Weiten können nahezu beliebig Sternsysteme, Planeten, Monde, Raumstationen und ganze Galaxien als Spielwiese platziert werden. [explorers] setzt genau hier an und eröffnet sich ein Spektrum an Möglichkeiten in alle erdenklichen Richtungen. Was hätte das für gesellschaftliche Konsequenzen? Fremde Welten bergen auch bis dato unbekannte Gefahren.
Würde man wirklich Menschenleben für die Erforschung aufs Spiel setzen, wenn es andere Möglichkeiten gäbe? In [explorers] verkörpern die SpielerInnen menschliche Klone, die zwar gebraucht, aber als Untertanen und entbehrlich eingestuft werden. Nicht nur den fremden Welten, sondern auch dem moralischen Dilemma könnte man sich als Spielrunde in [explorers]
Eine Welt ist nicht genug: Das Setting
Wir befinden uns im Jahr 376 des Galactic Human Empire. Die Menschheit hat sich über tausende Welten in vielen Sternsystemen ausgebreitet. Armut, Knappheit, Krankheit und sogar tägliche Arbeit gehören zu den Kuriositäten der Vergangenheit. Die Menschen des Imperiums verbringen ihre Zeit in einem fortwährenden Urlaub, ausgefüllt mit Philosophie und Kunst, oder einfach mit Entspannung und Spaß. Die Menschen leben ein gutes Leben – Klone jedoch sind keine Menschen. Obwohl nach menschlichem Vorbild konstruiert, werden sie als Untergebene, gar als Sklaven, angesehen und entsprechend behandelt. Die Erkundung unbekannter, potenziell gefährlicher Welten fällt ihnen ebenso zu wie das Bewachen der Grenzen des Imperiums gegen Aliens.
Die Bevölkerung des Imperiums unterscheidet strikt zwischen Menschen und Klonen. Menschen sind echt, wertvoll und existieren um ihrer selbst willen. Klone hingegen sind Produkte, ersetzbar und sollen nützlich sein. Obwohl Klone auf der Basis von menschlicher Gensaat hergestellt werden, haben sie eine stark reduzierte Lebenserwartung sowie zahlreiche kleinere Veränderungen, um dem angedachten Leben als Klon gerecht zu werden. Infolgedessen bekam Reinheit einen großen Stellenwert, und nur wenige sorgfältig ausgewählte genetische Behandlungen werden für Menschen in der Gesellschaft akzeptiert. Klone werden als Untermenschen angesehen, und einen Mitmenschen als Klon zu betiteln, ist eine schwerwiegende Anschuldigung und/oder Beleidigung.
Die Trennung zwischen Klonen und Menschen ist in vielen Teilen des Imperiums derart nachhaltig, dass es im Grunde genommen zwei Reiche gibt: Ein reines Menschenimperium im Zentrum, und ein Randgebiet darum herum. Viele Menschen in den Kernwelten des Reiches sehen in ihrem ganzen Leben keinen einzigen Klon. Im Randgebiet sind immer die Menschen die Gebieter und Klone die Sklaven.
Im Folgenden wartet die Settingbeschreibung auch mit technischen Aspekten auf und erläutert kurz und knapp verschiedene Technologien wie die Subspace Technology, Anti-Grav Technology und Clone Technology. Auch auf Lebensformen im Universum wird kurz eingegangen. Auf nur wenigen Seiten zeichnet das Setting ein dystopisch anmutendes Bild einer zweigeteilten Gesellschaft. Dabei geht es kaum in die Tiefe oder ins Detail. Es werden beispielsweise keine exemplarischen Kern- oder Randwelten vorgestellt, ebenso wenig, wie der Alltag in der futuristischen Gesellschaft aussieht. Sind es düstere Megacities wie in Blade Runner? Oder elitäre Villen wie in Elysium?
Die dargelegten Inhalte bleiben vom Detail- und Informationsgrad her stellenweise etwas zu sehr an der Oberfläche, und vereinzelt kommen Fragen hinsichtlich der Stimmigkeit auf. Beispielsweise erscheinen Hundert Jahre als genannter Zeitraum für die Besiedlung neuer Welten ohne Überlichtgeschwindigkeitsreise sehr knapp bemessen. Tägliche Arbeit gehört der Vergangenheit an – wird sie dann von Maschinen erledigt? Wie kann eine solche Gesellschaft funktionieren?
Womöglich hat man es sich an dieser Stelle etwas zu einfach gemacht, da nicht vorgesehen ist, im Rahmen des Spiels in die Kernwelten zu gelangen. Aber wie verhält es sich im Randgebiet des Imperiums, der offenbar ein Mischbereich sein soll? Eher unerfahrene SpielleiterInnen werden sich möglicherweise etwas schwertun, den offen gehaltenen Rahmen zu füllen. Etwas konkreter hätte es also schon sein dürfen. Wer jedoch Worldbuilding mag und kann, hat noch reichlich Freiraum für eigene Kreationen.
Roll The Dicepool: die Regeln
Gleich zu Beginn des Buches gibt es einen Überblick, was [explorers] sein möchte: kooperativ, modular und erzählend. Gespielt werden sollen einzelne, abgeschlossene Missionen, keine Kampagne, wie es beispielsweise in Dungeons & Dragons üblich ist. Der modulare Missionsablauf ist ein großer Vorteil für Gruppen, die sich unregelmäßig und/oder in unterschiedlicher Besetzung zum Spielen treffen. Material für eine fortlaufende Story möchte das Werk ganz bewusst nicht liefern, aber mit etwas Eigenleistung lassen sich problemlos mehrere Missionen zu einer Gesamtgeschichte verbinden.
Das Würfelsystem benötigt grundsätzlich einen Vorrat gleichartiger Würfel in zwei Farben. Empfohlen wird hier der zehnseitige Würfel. Mit den unterschiedlich farbigen Würfeln werden Würfelpools gebildet, die sowohl Können des Charakters als auch die Schwierigkeit der Probe abbilden. Entweder wird gegeneinander gewürfelt oder sogar alles in einem Würfelpool zusammengefasst. In [explorers] gibt es keinen Schwierigkeitsgrad zu erreichen, sondern es findet eine konkurrierende Probe statt. Das Zusammenstellen eines Würfelpools geht zügig vonstatten, ebenso das Auswerten und Weiterspielen. Bremsende Elemente wie Zuschläge, Tabellen, etc. gibt es nicht. Dezent wirkende Variationen wie einen Dice Pool Modifier oder das Vergeben von Bonuswürfeln ermöglichen es, unterschiedliche Situationen und Gegebenheiten abzubilden.
Dem Thema Power-Gaming werden eineinhalb Seiten gewidmet, und entgegen der gängigen ablehnenden Haltung wird hierzu ein Stück weit dafür geworben, das System gern schamlos auszunutzen. Gemeint sind hierbei im Speziellen die Dice Roll-Over und Bonus-Dice-Regeln. Beide Regeln basieren auf gelungen dargestellten Spielinhalten und können gleichzeitig das Ergebnis einer Probe nach oben katapultieren. In diesem Sinne möchte [explorers] seine SpielerInnen ermutigen, sich zu einem gewissen Grad dem Power-Gaming zu bedienen. Letztendlich soll das erzählerische Spiel gefördert und belohnt werden. Mit diesem Ansatz hebt sich [explorers] unter den Rollenspielen etwas hervor, ohne die Spielgruppe zu den nächsten Marvel’s The Avengers machen zu wollen.
Auch bei Kämpfen soll ein flotter Spielfluss beibehalten werden. Aktionen werden angesagt, entsprechend bildet jeder seinen Würfelpool und alle würfeln gleichzeitig. Das setzt allerdings voraus, dass genügend Würfel vorhanden sind, und das können je nach SpielerInnenanzahl nicht gerade wenig sein. Ist das nicht gegeben, kann das gut gemeinte beschleunigte Kampfsystem nicht angewandt werden. Die Regeln bleiben hier einfach und klar verständlich, und statten den ohnehin notwendigen Würfelpool mit weiterer Funktionalität aus. So wird zum Beispiel auch die Anzahl der Treffer bei einem erfolgreichen Angriff aus demselben Angriffswurf abgelesen. Mit den Advanced Combat Rules kann wahlweise noch etwas in die Tiefe gegangen und Komplexität erzeugt werden.
Für den Bereich Ausrüstung hat [explorers] ein funktionales und zum Setting passendes System adaptiert. Vor Missionsantritt darf sich das Team (die Charaktere der SpielerInnen) ausrüsten. Hierfür wird wie im Warhammer 40k Deathwatch-Rollenspiel mit Requisition Points gearbeitet, die sich gemäß der Herausforderung der Mission und auch nach Anzahl der SpielerInnen ergeben.
Mit diesen Requisition Points können dann Ausrüstungsgegenstände für die Mission erworben werden. Angesichts ständig wechselnder Ausrüstung (vor und womöglich auch während einer Mission) stellt [explorers] Ausrüstungskarten zur Verfügung, um aufwendiges Notieren und Korrigieren auf einem Charakterbogen zu vermeiden. Auf den Ausrüstungskarten ist zudem die Funktionsweise des jeweiligen Gegenstands erklärt. Dieses Prinzip erscheint im Hinblick auf die angedachte Anwendung ausgesprochen sinnvoll und praktisch.
Frisch aus der Klonfabrik: die Charaktererschaffung
Die Charaktererschaffung in [explorers] erfolgt in vier Schritten: Charakterkonzept, Auswahl der Fertigkeiten, freie Würfelwurfwiederholungen und Anforderungspunkte für Ausrüstung. Insgesamt stehen zwanzig Punkte für die Erschaffung der Spielfigur zur Verfügung, die man bedenkenlos ausgeben sollte, da sie sonst verfallen.
Insgesamt geht die Charaktererschaffung unkompliziert und schnell vonstatten, lediglich beim Background und dem Äußeren kann man sich natürlich nach eigenem Ermessen viel oder wenig Arbeit machen. Der Charakterbogen ist schlicht und funktional aufgebaut. Er erfüllt seinen Zweck, hätte aber mit ein paar gestalterischen Ideen noch etwas aufgepeppt werden können. Mit Mission Credits (hier Abenteuerpunkte) kann die Spielfigur in den oben genannten Bereichen später verbessert und auch mit Implantaten ausgestattet werden.
„Auskoppeln in 3 … 2 … 1“: die Missionen
Im dritten Teil des Regelwerkes wird grundsätzlich auf die Missionen in [explorers] eingegangen, auf die die Spielercharaktere entsandt werden können. Da hier eine klare Delegierung der zu erledigenden Aufgabe stattfindet, haben Missionen eine einheitliche Grundstruktur und beinhalten Punkte wie Briefing, Transport und natürlich Exploration.
Die einzelnen Schritte werden genauer ausgeführt, um sie inhaltlich zu verstehen. Für die Spielleitung gibt es zu jedem Schritt ergänzende Hinweise, wie beispielweise, dass das Briefing als Meeting stattfinden, aber auch über vorbereitete Handouts laufen kann. Ebenso folgen Überlegungen und Tipps zum Spielleiten: Welche Vorbereitungen sind ratsam? Wie lässt sich das Spieltempo gestalten? Wie funktionieren Improvisation und das Erzählen der Geschichte? Neulinge im Spielleiten werden hier mit grundlegenden Dingen ausgestattet, um [explorers] spielen zu können. Erfahrene GM werden diesen Teil eher überfliegen. Dennoch lohnt es sich hineinzuschauen, um spielspezifische Dinge abzugreifen (z. B. die Vergabe der Mission Credits oder was passiert, wenn eine Mission scheitert).
Großer nächster Block ist das Erstellen eigener Missionen. Im Vordergrund bei [explorers] steht das namensgebende Erkunden und Entdecken, daher müssen sich immer auch Gedanken über den Zielplaneten, Flora & Fauna, Kulturen, Bedrohungen, etc. gemacht werden. Das Creating-Mission-Chapter führt hier Schritt für Schritt durch die wichtigsten Punkte, liefert kurze, verständliche Erklärungen und auch Möglichkeiten, eine Kampagne zu gestalten.
Den Abschluss dieses Kapitels bilden drei unterschiedliche Beispielmissionen, die voll ausgearbeitet und als Startmissionen einer neuen Gruppe geeignet sind. In First Encounters wird das Team zu einem vielversprechenden erdähnlichen Planeten entsandt, auf dem eine gefährliche Entdeckung auf sie wartet. In Talk is Cheap landet das Team auf einem Planeten, der von sprechenden Tieren bewohnt wird – und einer hochreligiösen Kolonie als Überbleibsel des Ersten Imperiums. Die dritte Mission lautet Distress Signal und entsendet das Team auf eine waghalsige Rettungsmission von kostbarem Menschenleben. Hier wird schnell deutlich: Klone sind entbehrlich …
Die Missionen wirken durchdacht, abwechslungsreich und sind eine gute Möglichkeit, [explorers] kennenzulernen.
Last but not least: der Anhang
Der Anhang beinhaltet wichtige, ausdruckbar gestaltete Seiten wie das Charakter Sheet, eine Übersicht für neue SpielerInnen von [explorers], Ausrüstungs- und Fahrzeugkarten oder auch ein Quick Reference Sheet. Hier gibt es dezente und schöne farbliche Gestaltung, aber auch schwarz-weiß ist das Druckergebnis sehr gut.
Ein mehrseitiger Teil widmet sich der Dice Statistics, samt Erklärung und graphischer Darstellung. Dieser Abschnitt ist nicht zwingend relevant für das Spiel und wegen seines speziellen Charakters nur für eine kleinere Zielgruppe interessant.
Eine Bereitstellung als separater Download im Sinne von Bonusmaterial wäre völlig ausreichend gewesen. Vorhanden und wichtig ist der Bereich Thoughts and Inspirations, in dem der Autor darlegt, welche anderen Werke ihn inspiriert, und stellenweise recht deutlich, wie beispielsweise bei der Ausrüstung, als Vorlage gedient haben. [explorers] bedient sich hier der Idee unter Erwähnung der Quelle, bringt aber noch eigene Umsetzungsmethoden wie die Ausrüstungskarten mit. Dieses Vorgehen erscheint in dieser Form legitim.
Object Scan: das Erscheinungsbild
Für diesen Ersteindruck lag das Werk als PDF-Datei vor. Es ist vollfarbig, hat allerdings nur wenig Artwork vorzuweisen. Die Bilderqualität ist bezüglich Farben und künstlerischer Gestaltung durchwegs gut. Das Werk hat 177 Seiten, eine klar strukturierte Kapitelübersicht und Index am Schluss. Die Textgestaltung ist ohne Mängel: Alles lässt sich durchwegs gut lesen, an passenden Stellen wurden mittels der Layoutgestaltung einzelne Passagen wie GM-Tips separiert und hervorgehoben.
Bonus/Downloadcontent
Wer das Equipment-Card-Deck nicht ausdrucken will, kann es hier beziehen. Auf der Website zum Spiel gibt im Downloadbereich z. B. Character Sheets und Gamemaster Sheets, aber auch einen Mission Timer und Planet Generator.
Fazit
Mit [explorers] bekommt man ein Science-Fiction-Rollenspiel, in dem die SpielerInnen Klone verkörpern. Jene Klone werden auf gewagte Missionen entsandt, die sich nicht nur um das Erkunden neuer Welten drehen müssen. Es gibt genügend Spielraum sowohl im Setting als auch im Missionsaufbau, abwechslungsreiche Einsätze zu gestalten. Vorgesehen sind Stand-alone-Abenteuer, jedoch ist es auch möglich, eine Kampagne zu spielen.
Das dystopisch anmutende Setting wird ausreichend dargelegt, um einen Eindruck der Gesellschaft zu bekommen, geht aber nicht sonderlich in die Tiefe oder ins Detail. Dadurch bleiben Fragen, aber auch Freiheiten für die Spielleitung. Als Würfelsystem werden zehnseitige Würfel in zwei verschiedenen Farben empfohlen, aus denen bei Proben Würfelpools gebildet werden. Die Regeln sind eingängig und verständlich erklärt. Sie treffen auf einer Skala von schlicht bis komplex gut die Mitte. Auch das Kämpfen wird möglichst unkompliziert abgebildet, da auch hier, wie insgesamt immer wieder betont wird, das Erzählen einer Geschichte im Vordergrund stehen soll.
Die Charaktererschaffung ist zügig erledigt, lediglich der Charakterbogen könnte optisch etwas mehr Ambiente abbilden. Um als SpielleiterIn Missionen zu erschaffen, gibt es ein ausführliches Kapitel samt Leitfaden, der eine klare Struktur hierfür vorschlägt. Enthalten sind drei voll ausgearbeitete unterschiedliche Missionen, die sich als Einstieg gut eignen.
Der Anhang liefert spielrelevantes Material wie Charakterbögen und Ausrüstungskarten, aber auch eine Quellenangabe von Werken, die hier adaptierte Ideen beinhalten. Layout und Gestaltung des Regelwerks sind tadellos und wirken professionell. Der Preis ist vollkommen in Ordnung, wirkt sogar eher günstig im Hinblick auf den inhaltlichen Umfang, bei dem nichts fehlt, um gleich losspielen zu können.
Für diesen Ersteindruck lag die PDF-Ausgabe vor. Er basiert auf dem Lesen des Werkes, dem Erstellen eines Charakters sowie Ausprobieren des Würfelsystems. Ein Spieltest ist nicht geplant.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/07/26/ersteindruck-entromancy-a-cyberpunk-fantasy-rpg/
Viele Rollenspielsysteme versuchen nicht, das Rad völlig neu zu erfinden, sondern adaptieren Ideen eines bekannten Spiels. Entromancy wandelt in den Fußspuren gleich zweier großer Namen in der Welt der Tischrollenspiele. Wir haben einige Agenten nach San Francisco geschickt, um das Potential des Grundregelwerks zu analysieren.
Es heißt, es sei besser, eine Sache gut zu kopieren, als sie sich schlecht selbst auszudenken. Ob diese geflügelten Worte wahr sind, kann sicher nicht abschließend geklärt werden, aber es steht fest, dass die EntwicklerInnen so manchen Rollenspielsystems von ihrer Richtigkeit überzeugt waren. Denn wer sich ein wenig mit verschiedenen Spielsystemen beschäftigt, stößt eher früher als später auf Inhalte, bei denen sich die MacherInnen des Spiels offensichtlich von bereits existierenden Produkten haben inspirieren lassen.
Entromancy – A Cyberpunk Fantasy RPG zieht seine Inspirationen sogar aus zwei Rollenspielen, die aus der Szene nicht wegzudenken sind. Das Regelsystem des per Kickstarter finanzierten Spiels nutzt den Regelkern der fünften Edition von Dungeons & Dragons, während der Hintergrund der Spielwelt auf die Grundideen des Settings von Shadowrun zurückgreift. Wir haben das Regelwerk unter die Lupe genommen und überprüft, ob das eingangs erwähnte Sprichwort im Falle von Entromancy zutrifft.
Die Spielwelt
Die Welt, in der alle Abenteuer und Szenarien von Entromancy stattfinden, basiert auf der Realität, allerdings liegt der Zeitpunkt der Handlung in der Zukunft, genauer im späten 21. Jahrhundert. Das Regelwerk des Rollenspiels schweigt sich über die meisten Ereignisse aus, die sich während des Zeitraums zwischen der realen Gegenwart und der erdachten Zukunft der Spielwelt zugetragen haben. Der 2015 erschienene Roman zum Setting dürfte mehr Hintergrundinformationen bieten. Wirklich entscheidend für diese alternative Welt ist ohnehin nur die Entdeckung von Ceredium.
Dieses fiktive Element ist der Menschheit vor der Moderne bereits in seiner natürlichen Form als blaues Orichalkum bekannt gewesen und war die Energiequelle dessen, was Magie genannt wurde. Im frühen 21. Jahrhundert wurde nicht nur das volle Potential des Stoffs entdeckt, sondern auch eine Möglichkeit, Orichalkum als Ceredium zu synthetisieren. Diese Entdeckung hat die Gesellschaft grundlegend verändert.
In der Gegenwart der Spielwelt dient Ceredium als erneuerbare Energiequelle, betreibt Waffen und schwebende Fahrzeuge. Außerdem wird die Nutzung der sogenannten Mancy, verschiedener Magieschulen, die von der Menschheit gemeistert wurden, durch Ceredium möglich gemacht. Und das mysteriöse Element hat auch die Menschheit selbst verändert.
Rassenkonflikte
Durch den Kontakt mit der synthetischen Version des Orichalkums wurde in einem Teil der Bevölkerung eine genetische Mutation aktiviert. Das Ergebnis sind die Underraces, die den gängigen Fantasyvölkern ähneln. Wie der Name vermuten lässt, sind diese Bevölkerungsgruppen innerhalb der Gesellschaft nicht sonderlich wohlgelitten.
Die Texte des Regelwerks deuten nur an, dass zwei große Kriege und diverse kleinere Revolten auf der ganzen Welt aufgrund der Problematik der Underraces ausgebrochen sind. Etwas detaillierter fällt die Beschreibung der Situation in San Francisco aus. Die Metropole an der Westküste Nordamerikas stellt den Schauplatz für die Szenarien von Entromancy dar und wird besonders durch drei Fraktionen geprägt, deren Agenten die SpielerInnen verkörpern.
Fraktionen
Aurichrome ist eine monarchisch geführte Nation, die als sicherer Hafen für alle Rassen dienen soll. Das Territorium der jungen Fraktion haben ihre Mitglieder dem amerikanischen Staat in einer Revolte entrissen und verteidigen es unter Einsatz von brutalen Guerilla-Taktiken. Wer sich gut mit Aurichrome stellt, kann Teil der Aurikar Elite, der persönlichen Einsatztruppe des Monarchen, werden.
Die staatliche Behörde namens NIGHT (National Intelligence Guard of Human Technology) ist paramilitärisch aufgebaut und soll die Beziehungen zwischen Menschen und Underraces schützen und vertiefen. Die Methoden der Fraktion sind allerdings umstritten. Insbesondere Befragungen mithilfe des VPEN, einer Technologie, die Straftäter den Moment ihrer Entdeckung und Verhaftung in Endlosschleife erleben lässt, werden in Frage gestellt. Verdiente Agenten von NIGHT werden zu Inquisitoren befördert und erhalten Zugang zu mächtigen Zaubern.
Die Unaligned bilden nur dadurch eine Fraktion, dass sie sich weder NIGHT noch dem Aurichrome zuordnen lassen. Verschiedene heterogene Gruppierungen bilden den Kern der Fraktion und mehrere Autoritäten, darunter eine künstliche Intelligenz, nehmen Einfluss auf die Mitglieder. Nur bei den Unaligned lässt sich die namensgebende chaotische Kunst der Entromancy erlernen.
Kompakte Weltbeschreibung
Auch wenn der Teil der Spielwelt, der im Rahmen des Grundregelwerks beschrieben wird, nicht sehr groß ausfällt, überzeugen die enthaltenen Texte. Die Beschreibungen der Schauplätze und Fraktionen sowie der Geschichte der Welt fallen angenehm knapp aus und sind sehr deutlich zur Vermittlung von relevanten Informationen und weniger als Unterhaltungslektüre gestaltet worden. Das Problem allzu blumig formulierter Weltbeschreibungen, in denen sich gesuchte Details nur schwer finden lassen, wird im Spiel eher selten auftreten.
Tatsächlich könnte es eher problematisch werden, wenn Informationen gesucht werden, die im Regelwerk schlicht nicht enthalten sind. Das Buch gewährt mit dem Schauplatz San Francisco lediglich einen sehr schmalen Einblick in die Spielwelt, alle Elemente außerhalb der Metropole müssen von einer Spielrunde autark gestaltet werden. Gerade wenn längere Kampagnen gespielt werden sollen, könnten die angebotenen Informationen sich als nicht ausreichend erweisen.
Zumindest ein Startpaket wird interessierten SpielleiterInnen aber geboten. Neben einer vernünftigen Auswahl an NSC und Kreaturen enthält das Regelwerk auch ein Einstiegsabenteuer, in dem ein Labor unter der Kontrolle eines abtrünnigen NIGHT-Inquisitors infiltriert, übernommen oder zerstört werden muss, je nachdem, welche Fraktion die Charaktere beauftragt. Leider erweist sich das Abenteuer als nicht sehr gelungener Dungeon, in dem die meisten Räume mit schlichten Kampfbegegnungen aufwarten.
Die Regeln
Wer die Regeln der fünften Edition von Dungeons & Dragons kennt, ist auch mit den grundlegenden Regeln von Entromancy bereits vertraut. Alle Proben werden mit einem zwanzigseitigen Würfel abgelegt. Auf das Wurfergebnis wird ein Modifikator addiert, der sich aus dem Bonus des Attributs und einem Bonus für eventuelle Übung in der relevanten Fertigkeit zusammensetzt. Mit dem endgültigen Probenergebnis muss ein Zielwert erreicht werden, der sich entweder aus der Schwierigkeit einer Aufgabe ergibt oder aus den Spielwerten eines Gegners.
Besondere Fähigkeiten und Umstände können einem Spielercharakter weitere Boni oder Mali verleihen. Außerdem kann für den Wurf ein Vorteil oder Nachteil vergeben werden. In solchen Fällen werden zwei Würfel geworfen und bei Vorteil der höhere, bei Nachteil der niedrigere Wurf gewertet.
Würfelmechanik
Neben dem zwanzigseitigen Würfel kommen zusätzlich sechsseitige Würfel zum Einsatz, vor allem, wenn Schaden oder Heilung einer Figur bestimmt werden. In solchen Fällen verliert der Charakter Trefferpunkte oder gewinnt sie zurück. Sollten die Trefferpunkte eines Charakters auf null fallen, ist er außer Gefecht, bis er geheilt wird, konkrete Regeln zum Tod eines Charakters fehlen.
Wer detaillierte Informationen zur Probenmechanik des Spiels wünscht, findet diese in unseren Artikeln zum Player’s Handbook der fünften Edition von Dungeons & Dragons. Der Regelkern von Entromancy entspricht fast vollständig der aktuellen Version des ältesten Tischrollenspiels. Lediglich einige Randelemente erweitern das Regelwerk.
Erweiternde Elemente
So können Charaktere etwa Momentum ansammeln, eine Ressource, die von der Spielleitung für gutes Rollenspiel vergeben werden kann. Im Spiel kann ein Charakter durch den Einsatz von Momentum einen zusätzlichen Bonus auf eine Probe bekommen oder es einmalig vermeiden, auf null Trefferpunkte zu fallen. Außerdem können durch den Einsatz von Momentum im Ermessen der Spielleitung Aktionen durchgeführt werden, die sonst unmöglich wären.
Auch das Wirken von Magie weicht ein wenig vom Vorbild D&D ab. Zauber werden durch Ceredium gespeist, das stets nur in geringer Menge von einem Charakter mitgeführt werden kann. Charaktere können die Ressource aber untereinander weitergeben, wenn es nötig sein sollte.
Was nicht erklärt wird, ist, was passiert oder welche Regel greift, wenn ein Charakter zu viel Ceredium mit sich herumträgt. Diese Vorgehensweise ist leider symptomatisch für das ganze Regelwerk, das zu oft Ideen anreißt, aber nicht detailliert genug ausarbeitet. Der Regelkern ist in Dungeons & Dragons bereits erprobt worden und funktioniert, aber darüber hinaus müsste Entromancy mehr Regelinhalte anbieten.
Charaktererschaffung
So wie beim regeltechnischen Vorbild D&D steht am Beginn der Charaktererschaffung in Entromancy die Wahl des Volkes und der Klasse. An Völkern werden neben den obligatorischen Menschen Zwerge, Gnome, High Aurics (ähneln Elfen) und Low Aurics (ähneln Orks) angeboten.
Auch bei den Klassen stehen SpielerInnen fünf Optionen zur Verfügung: NIGHT Agent, Revolutionary, Technomancer, Terramancer und Vanguard.
Diese Klassen sind sehr archetypisch und spezialisiert aufgebaut, auch wenn immer die Möglichkeit besteht, eine von zwei alternativen Versionen der Klasse zu wählen. Der Technomancer etwa definiert sich immer durch einen Drohnen-Begleiter, kann sich aber als Combat Engineer oder Net Specialist Zugang zu weiteren Fähigkeiten verschaffen, die ihn im Kampf beziehungsweise beim Umgang mit Technologie verbessern. Neben der Spezialisierung stellen die Charakterklassen außerdem Klassenfertigkeiten und eine kleine Auswahl an Sonderfähigkeiten, die Talente, zur Verfügung, zwischen denen bei der Erschaffung gewählt wird.
Nachdem Volk und Klasse, Spezialisierung, Fertigkeiten und Talente gewählt worden sind, muss nur noch vermerkt werden, welche Ausrüstung der Charakter durch seine Klasse erhält. Alle spielrelevanten Werte wie Attribute, Trefferpunkte und Schadenswerte stehen zu diesem Zeitpunkt bereits fest. Mithilfe optionaler Regeln können die Attributswerte des Charakters auch mit einem Punktekaufsystem oder zufällig bestimmt werden.
Wenig Entwicklungspotential
Diese optionalen Regeln sind aber eigentlich obsolet. Alle Klassen sind so sehr spezialisiert, dass eine alternative Verteilung der Werte auf die vier Attribute Strength, Agility, Will und Personality wenig sinnvoll erscheint. Dadurch werden sich Vertreter einer bestimmten Charakterklasse in ihren Spielwerten kaum voneinander unterscheiden.
Im Verlauf des späteren Spiels kann der Charakter noch eine Destiny auswählen, eine von fünf Zusatzklassen, die Zugang zu weiteren Spezialfähigkeiten ermöglichen. Die meisten Zusatzoptionen sind allerdings nur für Charaktere zugänglich, die sich mit einer der drei großen Fraktionen gut gestellt haben. Weitere Individualisierung der Spielfigur kann nach erfolgreichen Missionen durch kybernetische Implantate erfolgen.
Alles in allem können diese Möglichkeiten aber nicht verhindern, dass die Charaktererschaffung und -entwicklung zu flach ausfällt. Die wenigen Klassen sind auf ein zu enges Konzept festgelegt, um SpielerInnen die Verwirklichung eigener Ideen zu ermöglichen. Selbst mit den späteren Optionen werden sich nur wenige Charakterkonzepte ergeben, die sich innerhalb der Regeln umsetzen lassen.
Erscheinungsbild
Seitenfüllende Illustrationen wie diese sind eher Mangelware.
Entromancy nutzt ein sehr zurückhaltendes Layout. Überschriften und Kapitelanfänge sind farblich hervorgehoben und gestaltet, darüber hinaus werden dem Leser aber lediglich Textblöcke auf weißem Hintergrund sowie gelegentliche Illustrationen geboten. Die Qualität dieser Illustrationen ist in Ordnung für ein Projekt dieser Größenordnung, kann sich aber keinesfalls mit bekannten Rollenspielsystemen messen.
Was hingegen in der oberen Liga mitspielen kann, ist das Lektorat der Texte. Es fallen praktisch keinerlei Fehler auf, die die Lesbarkeit erschweren würden. Das PDF ist mit gut strukturierten Lesezeichen ausgestattet, um alle relevanten Informationen schnell zugänglich zu machen. Lediglich ein Index fehlt bedauerlicherweise.
Bonus/Downloadcontent
Zum Zeitpunkt der Rezension steht kein zusätzlicher Content zum Regelwerk zur Verfügung.
Fazit
Es wäre zu einfach, die abgegriffene Metapher vom unehelichen Kind zweier namhafter Rollenspiele zu bemühen, wenn man über Entromancy spricht. Aber es lässt sich nicht verhehlen, dass Shadowrun und Dungeons & Dragons maßgebende Inspiration für das Setting bzw. die Regeln des Spiels darstellen. Wie also funktionieren diese beiden Schwergewichte der Branche, wenn man sie vermischt? Entromancy wird diese Frage nicht abschließend beantworten können.
Das Setting rund um San Francisco mit seinen drei Fraktionen ist griffig beschrieben, bietet aber verhältnismäßig wenig Inhalte, gerade für längere Kampagnen. Die Regeln und die Charaktererschaffung stehen zwar auf einem soliden Fundament dank d20-Unterstützung, aufgrund überschaubarer Charakteroptionen bleiben sie trotzdem hinter ihrem Potential zurück. Das ganze Regelwerk leidet unter einem sehr engen Fokus auf eine bestimmte Sorte von Szenarien.
Wer schon immer Cyberpunk-Abenteuer mit den Regeln der fünften Edition von D&D erleben wollte, bekommt mit Entromancy ein Rollenspiel, das lediglich eine Basis liefert, auf der man selbst aufbauen muss.
Das Regelwerk leistet sich grundlegend keine echten Fehler, die nicht verziehen werden könnten. Mit den Inhalten, die geboten werden, kann innerhalb eines vorgegebenen Rahmens durchaus eine Kampagne gespielt werden.
Gleichzeitig gelingt es den Autoren des Grundregelwerks aber leider nicht, ihrem Produkt etwas Besonderes mit auf den Weg zu geben. Das Buch bleibt durchgehend an der Oberfläche und bietet keine Hilfestellungen, um tiefer in die Materie einzutauchen. Am Ende einer eingehenden Lektüre bleibt der Eindruck, nur einen sehr umfassenden Schnellstarter gelesen zu haben, kein vollständiges Regelwerk.
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Creator Reply: |
Thanks so much for taking the time to leave us a review! |
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https://www.teilzeithelden.de/2019/08/01/rezension-dsa-das-fest-der-feinde-dekadenz-in-der-weissen-wacht/
Dieses Abenteuer für Das Schwarze Auge führt die Helden ins Horasreich. Weinreiche Feiern gehören dort in der Oberschicht zum guten Ton. Doch wann wird Dekadenz zur Perversion? Wann Zügellosigkeit zur Blasphemie? Die Teilzeithelden gingen diesen Fragen nach und wagten sich auf Das Fest der Feinde.
Das Horasreich ist für ausschweifende Feste und weit verzweigte Intrigen bekannt. Manch einer wacht nach dem Rausch nicht mehr auf, sondern weilt dank eines Dolches im Herzen oder wegen eines vergifteten Weines bereits in Borons Hallen. Das Fest wird für den Glücklosen oder Wagemutigen schnell zum Fest der Feinde, dem er nur noch schwer entrinnen kann.
Dekadenz in der Weißen Wacht
In den letzten Jahren, nachdem die fünfte Edition von Das Schwarze Auge erschien, waren es oftmals alte Flüche und unheilsame Artefakte, die das Eingreifen tapferer Recken auslösten. In Das Fest der Feinde stehen die Helden jedoch einer brandaktuellen Intrige gegenüber, welche die Stadt Neetha, wenn nicht gar das gesamte Horasreich, in ihren Bann zu ziehen vermag.
Doch eines nach dem anderen. Die Helden werden von der Rahja-Kirche in Neetha angeworben, um den jüngsten Ausschweifungen der städtischen Oberschicht nachzugehen. Zwar sind im Horasreich, das an das irdische Südeuropa der Frühen Neuzeit angelehnt ist, opulente Feste keine Seltenheit und gerade der Süden des Reiches, in dem sich Neetha befindet, gibt sich bewusst ungezwungen und freizügig.
Jedoch scheinen in einigen Festsälen nicht mehr nur rahjagefällige Feste gefeiert, sondern auch andere, dunklere, Aspekte des Rausches und der Lust zelebriert zu werden. Selbst den Dienern Rahjas scheint es zu viel zu werden, sodass die Helden beauftragt werden, den Umtrieben nachzugehen.
Spoiler
Das Fest der Feinde bietet manche Überraschung
Das Abenteuer ist angenehm offen gestaltet. Die Autorin bedenkt mehrere Ermittlungsansätze, über die sich die Helden dem Geheimnis hinter den zügellosen Feiern nähern können. Anfangs sind die Informationen noch äußerst vage, weswegen mehrere Anlaufpunkte gewählt werden können. Dementsprechend bekommt der Spielleiter ausreichend viel Material zu Verfügung gestellt. Enthalten ist auch eine kompakte Beschreibung Neethas samt einem schönen Stadtplan.
Das Fest der Feinde enthält außerdem eine kleine Spielhilfe zum Ausrichten von eigenen Festen, sollten die Helden sich entscheiden, auf diesem Wege in der Oberschicht von Neetha Fuß zu fassen. Dazu passt, dass die Helden zur Tarnung ihrer Absichten eine Villa in Neetha beziehen können, deren Darstellung ebenfalls im Abenteuer zu finden ist. Gerade in der Kombination mit Wege der Vereinigungen können Spielrunden mit entsprechender Neigung viel Spaß in Neetha haben. Das Abenteuer weist übrigens ausdrücklich darauf hin, dass auch Spielercharaktere nicht vor der Beeinflussung durch Nichtspielercharaktere geschützt sind. Eine Berücksichtigung des Mini-PDFs zu Sozialen Interaktionen kann deswegen nicht schaden. Der relevante Inhalt dieser Spielhilfe findet sich jedoch auch in kompakter Form im Abenteuer wieder.
Das Abenteuer bietet also mehrere Anspielpunkte und viel Handlungsfreiheit. Dementsprechend sind viele Informationen zu möglichen Episoden enthalten. Was aber oft fehlt, sind konkrete Ansatzpunkte, wie es nun zu dieser oder jener Situation kommen mag. Dies fängt mit dem etwas schwammigen Einstiegsverdacht an, durch den die Helden überhaupt erst angeworben werden. Die Ausschweifungen beobachtet die Rahja-Kirche allmählich mit Skepsis und Sorge, heißt es.
Doch was genau geschieht auf diesen Feiern? Sind es schlicht zu viel Wein oder illegale Rauschmittel? Zu viel wahlloser Geschlechtsverkehr? Oder werden bereits die Peitschen ausgepackt und K.O.-Tropfen in die Weinbecher gekippt? Wenn die Helden schließlich eines der Feste aufsuchen, wird es jedenfalls nicht gerade als übertrieben zügellos beschrieben, weswegen die Frage aufkommt, was für schlimme Vorkommnisse eigentlich den Ausgangsverdacht verursacht haben.
Der Weg ist das Ziel
Die eigentliche Handlung – das muss an dieser Stelle leider gesagt werden – bleibt trotz aller Mühen flach und gradlinig. Zwar mag sich das Finale je nach den Entscheidungen der Helden leicht anders gestalten, aber letztlich befinden sich die Helden gegen Ende in einer Reihe von Ereignissen, die sie nur schwer durchbrechen können.
Dass die Enttarnung der Ränkeschmiede im offenen Teil des Abenteuers nur schwer möglich ist und viele relevante Entscheidungen erst kurz vor dem Finale verfügbar werden, trübt zudem die Freude. Auch wenn die Spielercharaktere im offenen Teil viele Optionen haben, scheint das letzte Kapitel trotzdem sehr stark für sich zu stehen. Stimmiger wäre es, die dort erstmals auftauchenden Nichtspielercharaktere, die als Verbündete gewonnen werden können, bereits im offenen Teil einzuführen. Dieser beinhaltet stattdessen ein gutes Dutzend Spielleiterfiguren, die gegen Ende kaum noch Relevanz besitzen.
Es bleibt festzuhalten, dass der offene Teil sehr unterhaltsam sein mag, sich dabei aber auch weit von der eigentlichen Handlung entfernen kann. Den Helden werden zahlreiche Optionen angeboten, wie sie ihre Zeit verbringen können, aber nur wenige Hinweise gegeben, mit denen nennenswerte Zwischenerfolge gefeiert werden können. Zudem bleibt lange unklar, was – oder wer – eigentlich das Ziel der Ermittlungen ist. Erst das letzte Kapitel offenbart konkrete Lösungsansätze, konfrontiert die Spieler dann aber schnell mit gegebenen Tatsachen.
Erscheinungsbild
Das Abenteuer ist übersichtlich strukturiert und beinhaltet sehenswerte Illustrationen. Manche Inhalte sind zwar nur solide, bewegen sich aber stets auf einem guten bis sehr guten Niveau. Vor allem die Stadtkarte von Neetha, die im inzwischen üblichen Stil neuerer DSA-Publikationen gestaltet ist, kann durch Übersichtlichkeit überzeugen und strahlt gleichzeitig eine Lebendigkeit aus, die Lust weckt, in die Spielwelt einzutauchen. Gleiches gilt für die Karte einer Villa, welche den Helden im Zuge ihrer Ermittlungen als Zuhause dienen kann.
Fazit
Das Fest der Feinde ist ein solides Abenteuer, das jedoch hinter seinen Möglichkeiten bleibt. Die Helden bekommen sehr viel Handlungsfreiheit zugestanden, wobei das Abenteuer einige Ansätze für eine unterhaltsame Sandbox bietet. Dies steht jedoch im Kontrast zur geschlossenen Rahmenhandlung. Dadurch, dass die Spielercharaktere über einen Auftrag ins Abenteuer kommen und dessen Erledigung im Finale geschieht, wirkt der offene Teil in diese hineingezwängt.
Stimmiger wäre es, wenn die Spielercharaktere aus einem anderen Grund die Bühne betreten und dann nach und nach die Intrigen ihrer Gegenspieler aufdecken, das eigentliche Abenteuer also erst im Verlauf der Handlung entdecken. Der Klassiker Die Herren von Chorhop, in dem die Helden durch Zufall – oder göttliche Fügung? – in eine Sandbox geraten, in der sie sich ungezwungen austoben können, während nach und nach Teile der Rahmenhandlung eingestreut werden, kann hier als Vorbild dienen.
Nichtsdestotrotz bietet Das Fest der Feinde seinen Spielern viele Möglichkeiten, manch unterhaltsamen Spielabend zu verbringen. Es ist nur die Komposition der Elemente, nicht die einzelnen Elemente an sich, die etwas unausgegoren wirkt. Die überschaubare Rahmenhandlung wäre ein gutes Heldenwerk-Abenteuer, der offene Teil eine gute Sandbox-Kampagne. So stehen sich die einzelnen Teile gegenseitig im Weg. Wenn der oder die SpielleiterIn aber einige diesbezügliche Änderungen vornehmen will, ist dies ohne größere Umstände möglich, was wiederum für die Offenheit des Abenteuers spricht.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/05/06/rezension-the-one-ring-the-laughter-of-dragons-wider-der-zwietracht
Seit dem Tod des mächtigen Drachen Smaug gibt es ein starkes Bündnis zwischen den Königreichen Erebor und Dale. Dem Feind ist die Stärke der Freien Völker im Norden der Wilderlands ein Dorn im Auge. Deshalb schickt er einen seiner mächtigsten Diener, um Menschen und Zwerge in bitteren Zwist zu stürzen.
Zu den Quellenbücher des Mittelerde-Rollenspiels The One Ring bringt der Verlag Cubicle 7 in der Regel auch einen Abenteuerband heraus. The Laughter of Dragons baut auf Erebor auf, dem Ban dum das namensgebende Zwergenreich und das Königreich Dale (dt. Thal) am Fuße des Berges. Beide Reiche arbeiten eigentlich eng zusammen und sind sich in Freundschaft verbunden, doch der Feind fühlt sich von dieser Eintracht bedroht. Er schickt einen mächtigen Diener, um einen Keil zwischen beide zu treiben. Was dieser plant und was die Gefährten dagegen unternehmen können, das versprechen Klappentext und Einleitung zu zeigen.
Inhalt
Zu Beginn steht eine Einleitung, in der die Abenteuer kurz vorgestellt werden. Diese können alleinstehend gespielt werden, sollen aber verbunden eine längere Handlung über die Pläne Feindes ergeben, quasi eine kurze Kampagne. Anders als beispielsweise Oaths of the Riddermark, dem Abenteuerband zu Rohan, haben die Abenteuer hier eine leichte Anknüpfung an eine andere Kampagne, The Darkening of Mirkwood, was aber nur Aufhänger ist. Es wird hauptsächlich bei der zeitlichen Einordnung berücksichtigt. Weitere Kenntnis der Kampagne ist daher nicht nötig.
An sich schön ist, dass ein paar wichtige NSC schon zu Beginn gelistet und erklärt werden. Das erleichtert die Einordnung, auch wenn es gut gewesen wäre, ebenso mit Seitenzahlen auf die passenden Stellen zu verweisen.
Die Abenteuer
Ab hier folgen Spoiler, an zwei Stellen auch zu Tales from Wilderland und The Darkening of Mirkwood, weshalb nur potenzielle Spielleiter*innen diesen Teil lesen sollten.
Belanglos und unlogisch
The Silver Needle
Während sie in The Silver Needle auf die Öffnung der Stadttore von Dale warten, werden die Gefährten Zeuge eines scheiternden Überfalls auf die alte Schneiderin Kelda. Schnell hören sie Gerüchte, dass der Räuberhauptmann Longo dahinterstecken soll. Der Hobbit Clovis weist ihnen die Richtung zu Longos Lager, doch das stellt sich als Hinterhalt heraus. Bei einem Überfall des Orks Radbal erfahren die Gefährten zufällig, dass Longo ein Hobbit ist… nämlich Clovis! Der hat mittlerweile Kelda eine magische Nähnadel stehlen lassen, die der Nazgûl Morlach, verdeckter Strippenzieher des Feindes, haben möchte. Die Gefährten haben gerade noch die Gelegenheit, Kelda vor einem Brandanschlag zu retten. Nun müssen sie Longo finden, der seinerseits von einer verfluchten Schwertscheide kontrolliert wird, und der Gerechtigkeit zuzuführen.
Dieses Abenteuer ist leider nicht gut geschrieben. Nicht nur, dass die Handlung irgendwie belanglos wirkt, vieles von dem, was passiert bzw. passieren soll, ist logisch nicht nachvollziehbar: Warum scheitert eigentlich der erste Überfall auf Kelda? Warum schickt Clovis/Longo die Gefährten überhaupt los, statt ihnen einfach konsequent aus dem Weg zu gehen? Warum fühlt sich der Ork Radbal von Longo betrogen? Er wusste doch schließlich, dass die Gefährten kommen! Generell ist die Aufdeckung der Identität sehr künstlich und erzwungen. Warum wird Keldas Haus erst angezündet, nachdem die Gefährten wieder in Dale sind, und nicht schon in der Nacht des Einbruchs? Auch fallen ein paar Ungenauigkeiten auf. Gerade wenn es darum geht, was wo liegt und wie lange Dinge dauern. Sehr negativ fällt die Begegnung mit dem Charakter Lord Hakon gegen Ende auf, der ebenfalls ein wiederkehrender Feind werden soll, hier aber mehr schlecht als recht eingeführt wird. Die Begegnung mit ihm widerspricht einfach vielen Regeln des guten Spielleitens. Longos verfluchte Schwertscheide ist des Weiteren derart übermächtig, dass er kaum überwunden werden kann.
Am schlimmsten ist aber, dass an keiner Stelle klar wird, was der Nazgûl eigentlich mit dieser Nähnadel will. Es bleibt nämlich letztlich eine Nähnadel!
Solider Investigativteil
Of Hammers and Anvils
Auf ihrem Weg nach Dale finden die Gefährten den Zwerg Balin verletzt in einer Schlucht. Von ihm erfahren sie, dass er von Menschen überfallen wurde. Die Angreifer haben die Gefährten nur Momente vorher auf dem Fluss vorbeisegeln sehen. An nächsten Tag geht in Dale die Nachricht herum, dass Balin ermordet wurde, doch das stellt sich als Finte heraus, um seinen Feinden zu entkommen. Balin ist einer Verschwörung auf der Spur, die sich gegen Erebor richtet, und bittet die Gefährten um Hilfe bei der Aufklärung. Einige Untersuchungen ergeben, dass der verbitterte Zwergenschmied Niping im Hintergrund die Strippen zieht, um die Zwergengesellschaft nach seinen Vorstellungen zu formen. Bald schon werden die Gefährten von Lord Gunvar, einem von Nipings menschlichen Strohmännern, eingeladen, sich der Verschwörung und einer Sabotageaktion im Erebor anzuschließen. Wie sie jetzt handeln bestimmt, ob es in den Tiefen des Lonely Mountain zur Konfrontation kommt.
Ganz zu Beginn des Abenteuers steht ein klassischer Anfängerfehler: Der Fortgang wird von einem einzigen Würfelwurf abhängig gemacht! Nicht so toll. Später wird dafür oft nicht genannt, was für Würfe für offensichtliche Probleme notwendig sind.
Der Investigativteil ist durchaus solide, endet aber sehr gelenkt durch die Einladung von Lord Gunvar. Der verhält sich teils unlogisch. Denn wenn er sich wie beschrieben gut über die Gefährten informiert hat, sollte er eigentlich nicht so offen sein Blatt zeigen. Generell ist die Begegnung mit ihm etwas verwirrend beschrieben. Wieder kommt Lord Hakon vor, diesmal so verdeckt, dass man ihm nicht auf die Schliche kommen kann.
Insgesamt ist dieses Abenteuer von vielen handwerklichen Fehlern durchsetzt. Die Story um die Verschwörung hätte hier gut in Gang kommen können, wenn man verstehen würde, was eigentlich speziell mit dieser Aktion bezweckt werden sollte. Der Plan ist ein sehr offensichtliches Manöver und schadet den menschlichen Verschwörern eigentlich nur. Der Zwerg Niping taucht übrigens nie auf und man erfährt nirgendwo, was aus ihm geworden ist.
To Dungeons Deep
In To Dungeons Deep beauftragt Lord Jofur die Gefährten, den zwergischen Gelehrten Domi zu finden. Dieser gab an, möglicherweise das vergessene Mausoleum des ältesten Sohns von Girion, den letzten König des alten Dale, gefunden zu haben. Zu einem geplanten Treffen mit König Bard ist er nie erschienen. Auch die Zwerge von Erebor wissen von diesem Mausoleum, und es kündigt sich jetzt schon an, dass es Streit um die Schätze dort geben wird. Nach einer anstrengenden Suche finden die Gefährten den alten Zwerg bei einer Gruppe Söldner und Orks, die ihn und seine Begleiter gezwungen haben, das Mausoleum freizulegen. Nach seiner Befreiung können sich die Gefährten davon überzeugen, dass die Gerüchte über die Schätze wahr und nicht übertrieben sind. Auf dem Rückweg werden sie in ein Lager der Bardinger und Zwerge geführt und müssen sich dort in den Streit darüber einmischen, wem die Fundstücke zustehen.
Dieses Abenteuer hat eine solide Handlung, die gut ausgearbeitet wurde. Erstmals ist hier wirklich verständlich, was aus welchem Grund vor sich geht, und der Plan des Feindes ist spürbar. Lord Hakon, der Diener Morlachs unter den Bardingern, kommt hier auch erstmal gut zur Geltung, ohne ihn zu enttarnen. In den vorangegangenen Abenteuern war seine Beteiligung eher mäßig eingefügt. Einziges Manko ist, dass nicht wirklich auf die Möglichkeit eingegangen wurde, Hinweise auf die Feinde im Hintergrund zu erlangen. Sowohl die Söldner als auch ein spektakulärer Angriff bieten eigentlich dazu Gelegenheit. Aber Befragungen oder ähnliches werden nicht einmal vorgeschlagen.
Gandalf höchstselbst taucht im Epilog kurz auf, aber leider auf eine Weise, wie gerade er es nicht sollte: Beliebig und uninspiriert.
In Sleeping Dragons Lie sendet König Dáin die Gefährten und andere Abenteurer mit keinem geringeren Auftrag aus, als einen Drachen zu erschlagen. Das Ganze soll allerdings möglichst unauffällig vonstattengehen, denn der König vermutet überall Spione des Drachen. Es ist eine beschwerliche Reise, auf der die Gefährten nicht nur gegen Orks und korrumpierte Konkurrenten kämpfen müssen, sondern vor allem die Landschaft selbst zum Feind haben. Wenn das alles überstanden ist, gilt es immer noch, einen leibhaftigen Drachen zu erschlagen!
Sleeping Dragons Lie
Dieses Szenario kann genutzt werden, um an das Abenteuer The Watch on the Heath in Tales of the Wilderlands anzuschließen, indem man den Drachen Raenar wieder auftauchen lässt. Das Szenario nutzt eine abgewandelte Variante der Regeln für das Eye of Mordor aus dem Quellenband Rivendell. Ich bin persönlich kein Freund dieser Regel, aber hier ist das ganze zumindest halbwegs ins Szenario eingebunden. Denn letztlich wird darüber bestimmt, wie mächtig der Drache ist, wenn die Helden ihm gegenübertreten. Leider ist der Hintergrund dieses Mächtiger-werdens nicht ganz ersichtlich. Die Reise zum Ziel ist wirklich strapaziös für die Gefährten. Schöner wäre es allerdings gewesen, hätte es mehr gut ausgearbeitete Hindernisse gegeben, statt vieler Hazards. Die werden nämlich in der Regel mit ein oder zwei Würfen aufgelöst. Der Drache selbst ist dann wahrscheinlich ein brutaler Gegner!
Schwach hingegen sind die konkurrierenden Drachenjäger, die ich allesamt nicht überzeugend eingebunden finde, obwohl sie Potenzial hätten. Entweder fallen sie durch merkwürdige Motivationen oder seltsames Verhalten auf. Auch fällt auf, dass das Szenario eigentlich gar nicht in die Hintergrundhandlung des Bandes eingebunden ist.
Dark Waters
Dark Waters beginnt mit dem Verschwinden des Schmieds Orsmid, der an einer prestigeträchtigen Statue König Bards in Laketown gearbeitet hat. Nachforschungen auf Bitten seiner Schülerin enthüllen schon bald eine alte Feindschaft, die sich um einen kostbaren schwarzen Edelstein dreht. Letztlich führt die Untersuchung die Gefährten über Umwege unter die Plattformen von Lake-town, wo Orsmid von einer Gruppe krimineller Waldelben gefangen gehalten wird, und zusätzlich eine schreckliche Bestie lauert.
Wenn der letzte Satz irritiert, ist das zu Recht. Was eine spannende Geschichte um die Schuld aus vergangenen Zeiten und zerbrochene Freundschaften zu sein scheint, wird gegen Ende mit einer zweiten Thematik verknüpft (kriminelle Waldelben, die Mud-men), die nicht nur mehr als gekünstelt und fehl am Platz wirkt, sondern auch mit dem Rest nichts zu tun hat. Dabei ist der vorangegangene Investigativteil schön gestaltet und hat viele Hinweise. Aber der Twist gibt dann leider nichts her, die alte Feindschaft zwischen Orsmid und dem Händler Odvarr, die eine Vergangenheit als Diebe teilen, wird kaum aufgegriffen, und das Monster, das Guttermaw, ist nur um seiner selbst willen eingefügt.
Mit der Prämisse des Bandes hat auch dieses Szenario wieder nichts zu tun.
Shadows in the North
Ein weiteres Mal ist es Balin, der die Gefährten in Shadows in the North um Hilfe bittet. Sie sollen eine Orkarmee auskundschaften, die sich nicht allzu weit weg sammelt. Es stellt sich jedoch heraus, dass dies nur eine Täuschung und Falle des Nazgûls ist, der den Arkenstone stehlen will. Bei ihrer Rückkehr nach Dale werden nicht nur die Gefährten, sondern auch Balin festgenommen. Der verräterische Lord Hakon hat einen Prozess angeleiert, um die lästigen Gefährten endgültig aus dem Verkehr zu ziehen. Ob sie dem durch Wortgewandtheit oder Flucht entgehen, ihr Weg wird sie zum Erebor führen. Dort müssen sie durch eine waghalsige Flucht durch den Einsamen Berg den Arkenstone retten, denn die Ringgeister selbst sind gekommen, um ihn sich zu holen.
Hier sollen alle Fäden der bisherigen Abenteuer zusammenführen… nur: Was sollen das für Fäden sein? Die Pläne des Feindes waren in den vorherigen Abenteuern nicht besonders beeindruckend, und selbst die wurden ja wahrscheinlich von den Gefährten vereitelt. Daher ist die angespannte Stimmung, von der im Abenteuer gesprochen wird, nicht so recht glaubhaft. Ebenfalls nicht verständlich ist, warum die Nazgûl den Arkenstone nicht von Anfang an versucht haben zu stehlen. Probleme in den Erebor einzudringen scheinen sie keine zu haben! Störend ist auch die plumpe Enthüllung dieses Plans durch einen Gegner, der einfach die Klappe nicht halten kann. Leider ist auch der Prozess insofern eher uninteressant, da keine Möglichkeit vorgesehen ist, wirklich etwas zu bewirken (z.B. Lord Hakon zu enttarnen). Selbst im besten Fall führt einen das Szenario letztlich an die gleiche Stelle. Dafür ist die Flucht durch den Erebor definitiv die beste Szene im ganzen Band, spannend und abwechslungsreich gestaltet. Nett ist auch, dass sich zumindest bemüht wurde, möglichst viele interessante NSC aus den vorangegangenen Abenteuern einzubauen.
Gandalf taucht in diesem Szenario auf, was tatsächlich auch passend wirkt. Unschön ist nur eine Hilfe nach der Art deus ex machina. König Bard taucht hier erstmals in persona auf, verhält sich aber erst desinteressiert, nur um gegen Ende doch etwas zu machen. Seine Passivität wurde den ganzen Band damit gerechtfertigt, dass die Abenteuer kurz nach dem Tod seiner geliebten Königin in The Darkening of Mirkwood spielen. Das hätte man aber bis zum Ende durchhalten sollen.
Wie bei Niping erfährt man übrigens nicht Lord Hakons endgültiges Schicksal, sondern wird auf später vertröstet.
Der Anhang
Im Anhang finden sich die Werte und Regeln für die Verwendung der Ringgeister. Das ist gut, da man so nicht The Darkening of Mirkwood als Referenzwerk braucht.
Erscheinungsbild
Auch diese Publikation für The One Ring hält den hohen Standard an die Optik aufrecht. Gute Illustrationen unterstreichen die beschriebenen Situationen. Vor allem gibt es aber wieder tolle Portraits von NSC, die glaubwürdige Menschen und Zwerge darstellen.
Text ist wie üblich zweispaltig und lässt sich gut lesen. Textwüsten gibt es keine, da Überschriften, Textkästen und Illustrationen immer wieder für Auflockerung sorgen. Im PDF laden die Seiten zügig, wenn man das Zoom nicht zu groß einstellt.
Bonus/Downloadcontent
Die Karten, leider ohne Beschriftung der Schauplätze.
In der PDF-Version sind die Karten, die sich normalerweise im Einband befinden, gesondert als PDF beigefügt. Leider wurde versäumt, auch Orte aus den Abenteuern einzutragen.
Fazit
Leider fällt der Gesamteindruck zu The Laughter of Dragons schlecht aus. Zunächst verfehlt der Band es, das zu erzählen, was er versprochen hat. Von subtilen Plänen des Feindes bekommt man nicht viel mit. Das, was er letztlich versucht, ist entweder undurchdacht oder eher Holzhammermethode. Löbliche Ausnahme ist nur To Dungeons Deep. Zwei Abenteuer haben gleich gar nichts mit der Grundhandlung zu tun.
Noch schwerer fällt allerdings ins Gewicht, dass die Abenteuer insgesamt nicht besonders gut sind. Nur zwei, wieder To Dungeons Deep und Sleeping Dragons Lie, würde ich als solide bezeichnen, der Rest ist mäßig oder schlechter. Aber keines hat beim Lesen wirklich Lust gemacht, es zu spielen!
Woran aber liegt das? Zum einen daran, dass es keine starken NSC gibt. Viele sind zwar nett gemacht, aber gerade unter den Gegnern ist keiner, der in Erinnerung bleiben wird. Wie auch, wenn man nie erfährt, dass sie hinter etwas stecken?
Die Handlungen der Szenarios sind oft nicht gut konstruiert, haben merkwürdige Wendungen oder wirken uninspiriert. Handwerkliche Fehler sind auch öfters zu finden.
Insgesamt ist von diesem Band abzuraten, gerade für seinen hohen Preis. Schade, dass hier so viel Potenzial für eine Kurzkampagne vor dem spannenden Setting Erebor und Dale vergeben wurde.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/04/05/7te-see-die-neue-welt-ein-letzter-segelturn/
Pegasus Spiele hat Ende Februar bekannt gegeben, dass die Übersetzung des Rollenspiels 7te See eingestellt wird. Mit Die Neue Welt ist ein letzter Zusatzband in deutscher Sprache erschienen, der den Kontinent westlich von Théa vorstellt. Wir feuern Salutschüsse und bereisen ein letztes Mal das Atabische Meer.
Am 21. Februar 2019 erreichte alle Fans von 7te See eine Hiobsbotschaft: Nachdem John Wick, Verleger des englischsprachigen Originals, sein Personal drastisch verkleinert hatte und die Erscheinungsdaten weiterer Bände in die Ferne rückten, gab Pegasus Spiele bekannt, dass die Übersetzung ins Deutsche eingestellt wird. Im Rahmen dieser Bekanntmachung wurde auch klargestellt, dass Die Neue Welt das letzte Produkt der Reihe darstellen würde.
Mittlerweile liegt der Band vor, der den Abschluss der Reise in die Welt von Degen und Piraten bilden wird, zumindest in deutscher Sprache. Wie der Name andeutet, wird die Spielwelt deutlich vergrößert, denn Aztlan, der Kontinent westlich von Théa, wird ausgiebig beschrieben und bespielbar gemacht. Nicht nur théanische Helden sollen in der Lage sein, die Dschungel und Wüsten dieses fremdartigen Landes zu erforschen, es soll auch ermöglicht werden, einheimische Helden zu verkörpern.
Wir haben den Regionalband unter die Lupe genommen und sind ein vorerst letztes Mal in die Welt von 7te See eingetaucht. Dabei haben wir überprüft, ob das System mit Die Neue Welt einen würdigen Abschluss gefunden hat.
Inhalt
Bevor die einzelnen Nationen des Kontinents Aztlan im Detail vorgestellt werden, widmet sich der Regionalband zunächst ihrer gemeinsamen Geschichte. Aztlan war einst von einem gleichnamigen Reich bedeckt. Das Zeitalter dieses Reiches war ein goldenes, doch eine nicht näher definierte, kataklysmische Entwicklung bedeutete seinen Untergang.
Aus den Überresten des Großreiches entstanden drei neue Reiche, die ihre jeweils eigene Kultur entwickelt haben. Jedem dieser Reiche widmet der Band ein ausführliches Kapitel. Vorher stellt er aber die Gemeinsamkeiten vor, die alle Kulturen teilen.
Dazu gehören neben dem starken Bezug zum untergegangenen Aztlan vor allem die ähnlichen Religionen, die alle durch die Tatsache geprägt werden, das die Götter der Aztlaner über den Kontinent wandeln und Kontakt mit ihren Gläubigen halten. Sie sind deutlich als übernatürliche Wesen zu erkennen, neigen aber trotzdem manchmal zu allzu menschlichen Launen.
Dieses Verhältnis zum Göttlichen und zur Spiritualität unterscheidet sich grundlegend vom Glauben der Théaner. Auch die anderen Aspekte des selten leichten Zusammenlebens mit den Fremden, die aus dem Osten gesegelt kamen, werden beschrieben. Dabei fällt auf, dass der Fokus deutlich auf den Menschen Aztlans liegt.
Die Théaner, das Pendant zu den irdischen Europäern, sind ein Randelement des Bandes. Im Mittelpunkt stehen die Kulturen der Neuen Welt, die als gleichwertig mit denen Théas gewertet werden. Auch wenn die goldenen Zeiten des alten Aztlans vorüber sind, werden alle Reiche des Kontinents als Hochkulturen dargestellt.
Fragwürdige Praktiken wie religiöse Menschenopfer hat es beispielsweise in der Vergangenheit des Landes gegeben, aber sie wurden durch die freie Entscheidung seiner Bewohner überwunden. Durch diese Art der Darstellung erscheinen die indigenen Kulturen des Kontinents nicht als edle Wilde, sondern als einzigartige, dem westlichen Standard gleichwertige Zivilisationen.
Die drei Reiche
Nachdem eine gemeinsame Basis der Kulturen Aztlans beschrieben wurde, werden die drei Reiche im Einzelnen vorgestellt:
Die Nahuaca-Allianz ist aus vier Stadtstaaten entstanden, die sich nach langen Kriegen verbündet haben und mit einer Mischung aus Diplomatie und Eroberung ihren Einflussbereich über den Norden des Kontinents kontinuierlich vergrößert haben. Die Allianz verfügt über ein starkes Heer und eine umfassende Verwaltung, sowie einen gut ausgebauten Justizapparat. Allerdings wankt das Fundament der Nation, deren derzeitiger Herrscher von vielen als unerfahren und leicht zu beeinflussen wahrgenommen wird.
Nach langer Erfolgsgeschichte steht das Reich jetzt vor dem typischen Problem von Imperien. Die Bürokratie droht, zum Problem zu werden und weitere Eroberungen sind nur schwer zu bewerkstelligen. Außerdem besteht unter den vier Hauptgöttern des Reiches Uneinigkeit darüber, wie man mit den angelandeten Fremden aus Théa verfahren soll.
Tzak K‘an stellt eigentlich keine geeinte Nation dar, sondern eine Ansammlung verschiedenster Stadtstaaten, die sich in den stetiger Veränderung unterworfenen Dschungeln etabliert haben. Die einzelnen Staaten sind durch gemeinsame kulturelle und religiöse Grundlagen verbunden, sind sich darüber hinaus aber selten einig und feinden sich häufig gegenseitig an. Aber nicht nur ein kultureller Kollaps zeichnet sich ab, auch von außen wird das Reich bedroht.
Die geografische und politische Lage zwischen der Nahuaca-Allianz im Norden und Kuraq im Süden bedeutet, dass Tzak K‘an durchgehend einer drohenden Invasion durch einen oder beide Nachbarn entgegen sieht. Bisher haben sich die einzelnen Städte noch nicht auf ein gemeinsames Vorgehen gegen diese Gefahr einigen können. Tatsächlich lautet die Frage weniger, ob Tzak K‘an untergehen wird, sondern eher, auf welche Weise.
Kuraq, das südlichste der drei Reiche wird von einer absolutistischen Monarchin regiert, die dank des Einsatzes von Totenmagie bereits mehrere Jahrhunderte an der Macht ist. Sie plant, ihren Totengott über alle anderen Götter zu erheben und den gesamten Kontinent unter ihrer Herrschaft zu vereinen. Wie die Nahuaca-Allianz im Norden blickt auch Kuraq in seinen Expansionsbestrebungen in Richtung Tzak K‘an.
Ihre Politik der Jagd auf Götter findet allerdings nicht nur Zuspruch innerhalb der Bevölkerung von Kuraq. Ein von den verfolgten Göttern gesegneter Widerstand hat sich gebildet und verfolgt das erklärte Ziel, die verkommene Herrscherin zu entmachten. Dass fast alle Aspekte des täglichen Lebens der Bevölkerung von den Geistern der Ahnen überwacht und bestimmt werden, macht diese Rebellion schwierig und gefährlich.
Nichtspielercharaktere mit Szenariovorschlägen
Für jedes der drei Reiche werden neben den beschreibenden Texten auch acht Nichtspielercharaktere vorgestellt. Jede dieser Figuren kommt mit kleinen Szenariovorschlägen daher. Leider wird die Art, wie die einzelnen NSCs kategorisiert werden, aus dem früheren Quellenband Helden & Schurken übernommen und nicht weiter erläutert, was die Nutzbarkeit für Spielleiter, die den Band nicht besitzen, etwas erschwert.
Was den Nutzen der einzelnen Kapitel ebenfalls einschränkt, ist eine fehlende Übersicht über die Kerninformationen. Die Fließtexte laden zwar zum gemütlichen Lesen ein, aber im laufenden Spiel wird es schwierig werden, selbst grundlegende Informationen im Buch wiederzufinden. Hier hätten Übersichtskästen mit allen Eckdaten in Stichpunkten zu jedem der drei Reiche sehr geholfen.
Manche Informationen sind sogar noch schwieriger zu verorten, da sie in unerwarteten Kapiteln stehen. Im allgemeinen Kapitel zu Aztlan wird etwa die théanische Archäologie in der neuen Welt beschrieben. Dabei werden mehrere Fallbeispiele aus den einzelnen Reichen aufgeführt, die in den Beschreibungen der jeweiligen Reiche besser aufgehoben wären.
Nachdem nun der Kontinent Aztlan und seine Kulturen vorgestellt wurden, folgt eine Sammlung verschiedener Spielmaterialien, die es ermöglichen sollen, Helden aus Aztlan zu erschaffen und Abenteuer auf dem Kontinent stattfinden zu lassen. Neben neuen Charakterhintergründen und -vorteilen werden neue Wege der Zauberei, Duelltechniken, Schiffscharakteristika und die obligatorischen Geheimgesellschaften vorgestellt. Spielleiter, die Abenteuer in Tzak K‘an entwerfen wollen, finden sogar einen kompletten Baukasten vor, um einen eigenen Stadtstaat zu kreieren.
Relativ wenige Kombinationsmöglichkeiten
Die Vielfalt des angebotenen Materials ist prinzipiell sehr ansprechend und dürfte jeder Spielrunde, die Aztlan in ihre Geschichten einbinden will, etwas bieten. An zwei Stellen hätte es allerdings deutlich mehr sein dürfen:
Der Ansatz des Bandes besteht offensichtlich darin, das Spiel mit aztlanischen Helden in den Fokus nehmen. Das ist auf jeden Fall begrüßenswert, wird aber beim Spielmaterial nicht umgesetzt. Es werden nur vier allgemeine Hintergründe für Charaktere angeboten, von denen nur zwei zu indigen aztlanischen Helden passen. Dazu kommen noch jeweils vier Hintergründe je nach gewählter Kultur.
Insgesamt ergeben sich also sechs mögliche Hintergründe für den Charaktere, von denen zwei gewählt werden. Da sich einzelne kulturspezifische Hintergründe gegenseitig ausschließen, bleiben relativ wenige Kombinationsmöglichkeiten. Hier wurde théanischen Helden in den früheren Bänden der Reihe eine weitaus größere Auswahl geboten.
Auch der Abschnitt zur Gestaltung von Abenteuern in Aztlan ist bedauernswert kurz geraten. Gerade mal drei Seiten widmen sich den möglichen Dramen, die théanische und aztlanische Helden in der neuen Welt erwarten können. Für interessierte Spielleiter wird hier leider bei weitem nicht genug angeboten, selbst wenn man die Szenarioideen aus den Beschreibungen der oben genannten NSC mitrechnet.
Nach dem ersten Lesen des Bandes drängt sich der Eindruck auf, dass er an den typischen Problemen von Regionalbeschreibungen für Rollenspielen leidet. Die Texte sind umfassend, detailliert und im Großen und Ganzen angenehm zu lesen. Leider wurde die Nutzbarkeit im Spiel vernachlässigt.
Über große Strecken besteht Die Neue Welt aus reinen Informationstexten, die Wissen über die Spielwelt vermitteln. Was fehlt sind die Anregungen, wie dieses Wissen in spannendes Rollenspiel umgewandelt werden kann. Damit schafft der Band es leider nicht, sich von der Masse abzusetzen, sondern bleibt nur guter Durchschnitt.
Erscheinungsbild
Wie schon die vorherigen Bücher der Reihe erscheint auch Die neue Welt als vollfarbiges Hardcover. Die zahlreichen Illustrationen verteilen sich angenehm über den Band und vermitteln einen guten Eindruck des beschriebenen Teils der Spielwelt.
Leider wird diese sonst tadellose Optik an einigen Stellen durch auffällige Tipp- und Satzfehler gestört. Der Gesamteindruck wird davon zwar nicht zunichte gemacht, aber diese kleinen Mäkel fallen trotzdem ins Auge.
Fazit
Mit Die Neue Welt findet die deutschsprachige Übersetzung von 7te See ihr Ende. Für Fans des Systems wird der Regionalband den Abschied sowohl schwer als auch leicht machen. Denn er bietet gute wie schlechte Seiten.
Hervorragend gelungen ist die Darstellung der auf Aztlan ansässigen Kulturen und ihrer gemeinsamen Vergangenheit. Die Völker der neuen Welt sind keine Wilden, die von den zivilisierten Théanern erobert werden, sondern stellen eigene Hochkulturen dar, die auf ihre Weise auf einer Entwicklungsstufe mit den östlichen Nachbarn stehen. Wünschenswert wäre aber eine kompaktere Zusammenfassung und klarere Ordnung der Inhalte.
Gruppen, die eine reine Aztlan-Kampagne spielen möchten, werden also mehr als genug Informationen vorfinden. Leider kann der Regelteil des Buches weitaus weniger Material anbieten, wenn es darum geht, aztlanische Charaktere zu erschaffen. Die enthaltenen Elemente sind gelungen, fallen aber zum Teil etwas spärlich aus, ebenso wie die Hilfestellungen für eigene Abenteuer in der neuen Welt.
Am Ende kann die Flagge für Die neue Welt also nur auf Halbmast gehisst werden. Und mit dieser Flagge entbieten wir auch der 7ten See einen vorerst letzten Gruß.
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https://www.teilzeithelden.de/2019/04/09/rezension-wrath-glory-ulisses-spiele-einmal-alles-mit-bolter/
Lang stand die Zukunft des Warhammer 40k-Rollenspiels in den Sternen. Doch dank Ulisses North America gab es bereits letztes Jahr ein neues System für das beliebte Setting. Nun ist die deutsche Übersetzung erschienen. Wir haben den Bolter durchgeladen und uns in die finstere Zukunft gestürzt.
Denkt man an Grimdark-Fantasy, ist der Gedankensprung zu Warhammer nicht weit. Mit Dark Heresy, grauenhaft ins deutsche mit Schattenjäger übersetzt, erschien 2008 unter der Ägide von Black Industries ein sehr beliebtes Rollenspielsystem für Jünger des Warhammer 40.000-Universums. Später von Fantasy Flight Games publiziert, baute sich das System eine ordentliche Fangemeinde mit diversen Erweiterungen auf. Nachdem Games Workshop die Lizenzen neu verteilt hatte, sollte Ulisses North America ein neues System entwickeln, welches dann auch Ende letzten Jahres auf Englisch erschien. Nun liegt die deutsche Übersetzung vor, nach der sich viele sehnten.
Die Spielwelt
Warhammer 40.000 ist genau genommen inzwischen im 42. Jahrtausend angekommen, und das Universum ist immer noch im Krieg. Wer mit der aktuellen Warhammer-Zeitleiste vertraut ist, kann diesen Teil vermutlich überspringen, spielt Wrath & Glory doch parallel zu aktuellen Geschehnissen.
Was bisher geschah…
Ein vollständiger Überblick über die Geschehnisse der letzten rund 40.000 Jahre würde vermutlich jeglichen Rahmen sprengen und Dimensionen wie eine Abhandlung über die Dune-Saga erfordern. Daher soll hier nur auf das Nötigste eingegangen werden, um (noch) Unkundigen einen groben Überblick zu verschaffen.
Seit Jahrtausenden besiedelt die Menschheit den Weltraum, hat sich auf unzähligen Planeten niedergelassen und beherrscht große Teile des bekannten Universums. Kontrolliert wird alles, zumindest in der Theorie, vom allmächtigen Terra, der guten alten Erde. Dort herrscht formell der Imperator, der jedoch seit einer tödlichen Verwundung an eine sehr spezielle Maschine, den goldenen Thron, gefesselt und eher tot als lebendig ist. Dies übrigens seit rund 10.000 Jahren. In der Praxis kämpfen viele Institutionen um die Kontrolle des Imperiums, und die Verwaltung ist so mit sich selbst beschäftigt, dass viele Planeten und Systeme von autokratischen Gouverneuren regiert werden.
Als wäre das nicht schon fordernd genug, treiben sich noch allerlei fiese Gestalten im Universum umher, die ebenfalls um die Vorherrschaft ringen. Darunter sind die verschiedensten Spezies mit ihren Besonderheiten. Von Weltraum-Orks über Weltraum-Elfen (Aeldari) und Weltraum-Terminatoren zu Starship Troopers’schen Bugs ist so ziemlich alles dabei. Auch gottähnliche Wesen mischen in diesem bunten Reigen mit. Vier davon bilden auch den bedeutendsten Antagonisten der Menschheit: Die Chaosgötter. Diese stammen aus einer Art Paralleldimension, dem Warp, und versuchen, sich das Universum, und speziell die Menschheit, untertan zu machen. Dazu setzen sie gleichermaßen auf Dämonen wie auf Paktierer und Kulte. Zwei Sachen sind dabei übrigens ziemlich blöd für die Menschen: Will man interstellar schnell vorankommen, muss man durch den Warp reisen, und wenn man psionische Fähigkeiten einsetzen möchte, muss man dafür auch auf den Warp zurückgreifen.
Betrachtet man die aktuelle Situation der Galaxie, hatte beinahe das letzte Stündchen der Menschheit geschlagen. Truppen des Chaos, angeführt vom abtrünnigen Space Marine Abaddon, standen mit Dämonen auf Terra. Zuvor war es ihnen gelungen, das Imperium durch einen Warpriss zu teilen, was es natürlich deutlich schwächte. Zum Glück für die Menschheit kehrte aber ein verloren geglaubter Held zurück: Roboute Guilliman, Primarch (Primarchen sind oberste Kommandanten und genetische Väter jeder Legion und stammen alle widerum vom Imperator selbst ab) des Space Marine-Ordens der Ultramarines, warf, mit der mehr oder minder geheimen Unterstützung einiger eigentlich verhasster Aeldari und eines genial wahnsinnigen Techpriesters, das Chaos zurück.
Nach einem kurzen Plausch mit seinem Vater, der wenn überhaupt telepathisch kommunizieren kann, erklärte er sich zum Stellvertreter des Imperators und obersten Feldherrn. Änderte ein paar Spielregeln im Imperium, stockte die Space Marine-Orden um eine Weiterentwicklung der traditionellen Space Marines auf (sogenannte Primaris Marines: Größer, schneller, besser…), versammelte eine fast schon obszön große Flotte und Armee um sich und trieb das Chaos weit zurück. Doch langsam sind die Kräfte des großen Kreuzzuges aufgebraucht und die imperialen Truppen versuchen, überall kleine und große Angriffe des Erzfeindes zurückzuschlagen. Währenddessen reiben sich natürlich die zahlreichen weiteren Feinde des Imperiums die Hände.
…nur Krieg
Das sind natürlich die besten Voraussetzungen, sich in Abenteuer zu stürzen, die den Intellekt und Kraft gleichermaßen fordern, denn natürlich bietet die Menschheit einiges zu ihrer Verteidigung auf. Neben ganz regulären menschlichen Soldaten der Imperialen Armee am Boden und in wirklich großen Raumschiffen (Besatzungen unter 1.000 Mann, Frau und Mutant sind eher selten), gibt es noch viele Institutionen. Die vier vermutlich bedeutendsten und bekanntesten stellen wir hier kurz vor.
Die Space Marines dürften mit die bekanntesten Vertreter sein. Genetisch hochgezüchtete Kriegsmaschinen, mit einem IQ, der Hawking vor Neid erblassen ließe, einer Körperkraft, die Captain America beeindrucken würde und einer Rüstung, gegen die Iron Man wie Spielzeug wirkt. Diese speziellen Krieger sind wohl die härteste Faust, die das Imperium gegen seine Feinde aufbieten kann.
Die Inquisition steht, wie die Space Marines, außerhalb der klassischen imperialen Hierarchie und ist direkt dem Imperator unterstellt (Der ja nicht so wirklich in der Lage ist, klare Anweisungen zu geben). Drei große Orden widmen sich dabei der Verfolgung von Dämonen, aller nichtmenschlichen Wesen und Psionikern, die nicht unter der Kontrolle des Imperiums stehen.
Das Ministorum ist die mächtige Staatskirche des Imperiums und unterhält viele bewaffnete Arme. Interessant ist hier, dass der Imperator zu Lebzeiten Religion ablehnte und eher als Atheist galt. Eine traurige Ironie, dass er nun verehrt wird.
Das Adeptus Mechanicus des Mars hat die Kontrolle über sämtliche Technologie. Denn in den zahlreichen Kriegen ist soviel Wissen verloren gegangen, dass viele Technik gar nicht mehr richtig verstanden wird. Die Schaffung und Wartung technischer Geräte gleicht auch mehr einem kultischen Vorgang als nüchterner Ingenieurskunst.
Dazu gesellen sich viele weitere Organisationen, wie das Adeptus Arbites, eine Art FBI und S.W.A.T. des Imperiums, Hexenjäger, Freihändler und viele mehr.
Ein besonderes Schmankerl hält das System für Freunde cyberpunkesker Settings bereit: Mit Gangern aus Necromunda kann man auch als Krimineller die Unterstadt einer riesigen Makropole unsicher machen.
Was spiel ich nur…
In dieser Situation finden sich die Spieler nun wieder. War bei Dark Heresy und seinen Ablegern noch ganz klar vorgegeben, welche Institution man spielt, bleibt hier die Qual der Wahl.
Einer der großen Vorteile von Wrath & Glory ist die Offenheit, mit der man diese große Welt erkundet. Mit Regeln für Aeldari und Orks ist es sogar möglich, reine Xenos-Gruppen zu spielen oder, sofern sinnvoll, auch gemischt.
So können kampflastige Spielgruppen eher einer Ork-Warband, einem Space Marine-Trupp oder einer imperialen Elite-Einheit gewogen sein, während detektivisch begeisterte Runden wohl zur Inquisition tendieren werden. Wer eher auf piratische Abenteuer steht und auch gerne Xenos mit Menschen mischt, wird sich als Freihändler wohlfühlen. Mit festen Archetypen versehen sind jedenfalls die Imperiale Armee, Space Marines, Inquisition, Adeptus Mechanicus, Ministorum, Adepta Sororitas (Orden aus Kampf-Schwestern), Chaos-Anhänger, Freihändler, Orks und Aledari.
Wenn auch nicht explizit vorgesehen, bieten sich aber mit minimalen Anpassungen und etwas Hintergrundrecherche natürlich noch weitere Konstellationen an. Wie wäre zum Beispiel ein recht bodenständiger Trupp Arbitratoren, der Verbrechen aufklärt, oder eine Einheit des Logos, die für Guilliman verlorenes (und verbotenes) Wissen sammelt?
Die Regeln
Wie beim Ulisses-System HeXXen 1733 dürfen W6 die meiste Würfelarbeit leisten. Gewöhnlich reichen dabei 3 Erfolge auf eine 4+. In Zweierschritten gibt es dann -2 bis +8 eine Erleichterung bzw. Erschwernis.
Gewürfelt werden die Proben auf passende Fertigkeiten, deren Werte um einen Attributwert ergänzt werden und damit den Würfelpool bilden. Bei Proben wird, in der Regel, ein Würfel aus dem Pool als Zorn-Würfel deklariert. Würfelt man mit diesem eine 6, erhält man einen Ruhmespunkt, den man als Gruppenentscheidung zu seinem Vorteil nutzen kann. Bei einer 1 folgt eine Komplikation.
Das System begünstigt eindeutig harte und schnelle Kämpfe. Relevant für den Kampf sind dabei Nahkampf-Wert (Kampfgeschick und Initiative) und Fernkampf-Wert (Gewandtheit und ballistische Fähigkeit), der Verteidigungs-Wert, der Schadenswert der Waffe, sowie der Schock-Wert und die Anzahl von Wunden.
Dazu kommen noch reichlich Spezialfähigkeiten, die sich auch nach Charakterstereotyp bzw. Klasse unterscheiden, und Psi-Kräfte. Letztere können auch zu Komplikationen führen, da der Einsatz von Warp-Kräften nicht ungefährlich ist. Von einem unheimlichen Nebel bis zur Manifestation eines Dämons im Psioniker ist alles möglich.
Ebenfalls gibt es umfangreiche Regeln für Ausrüstung und Fahrzeuge, inklusive Regeln für Boden- und Raumkampf.
Relevant ist bei vielen Fähigkeiten und Ausrüstungen auch das sogenannte Fraktionswort. Spielerinnen und Spielern des Tabletop dürfte dieses vertraut sein. Jeder Charakter bekommt mehrere dieser Worte bei seiner Erschaffung zugewiesen, Fähigkeiten, die dann nicht eines oder die Kombination aus mehreren Worten enthalten, sind dann für diesen Charakter nicht erlernbar. So kann ein imperialer Psioniker zum Beispiel alle Psi-Fähigkeiten erlenen, die das Wort Psioniker oder Imperium beinhalten, aber nicht jene, bei denen Orks, Aeldari oder Chaos steht. So bekommt man schnell einen Überblick, was erlernbar ist oder nicht.
Die Charaktererschaffung beginnt hier tatsächlich sehr weit vorne. Zunächst sollte man sich auf ein Gruppenkonzept verständigen, was angesichts der Vielfalt nicht immer leichtfallen dürfte. Danach einigt man sich auf die sogenannte Machtstufe. Diese dient der Spielleiterin oder dem Spielleiter als Referenzpunkt für die kommenden Abenteuer. Diese regelt dabei, mit wieviel Erfahrung und Ressourcen ein Charakter startet und wie seine Fähigkeiten und Ressourcen limitiert sind. Theoretisch ist es möglich, die Machtstufe während der Kampagne zu verändern. Charaktere sollten hauptsächlich in dieser Machtstufe sein und maximal um eine Stufe differieren. Somit verhindert man, dass ein Charakter innerhalb einer Gruppe zu schnell über- oder unterfordert ist. Nun folgen Spezies in Form von Menschen, Space Marines, Aeldari und Orks. Dabei werden leider nur die loyalen Space Marine-Orden beschrieben, obwohl das Regelwerk durchaus Chaos Marines vorsieht. Hier darf man eine der sicher kommenden Erweiterungen vermuten.
Hat man Konzept, Machtstufe und Spezies bestimmt, darf man nun aus 31 Archetypen wählen, denen, neben diversen Fähigkeiten und Machstufen, auch Schlüsselworte zugeordnet sind, wie man sie aus dem Tabletop kennt. Diese Schlüsselworte nehmen unter anderem Einfluss auf die Charakterentwicklung, die Gruppenzusammensetzung oder auch gewisse Fähigkeiten.
Wurde gewählt, vergibt man nun, unter Berücksichtigung gewisser Vorgaben aus Spezies und Archetyp, seine Charakterpunkte für Attribute, Fertigkeiten und Talente, die einem mit Vorteilen ausstatten.
Psioniker dürfen nun noch, je nach Machtstufe, aus einem bunten Strauß Psikräften wählen. Ob Telepathie, Telekinese, Pyromantie oder Prophezeiungen, hier ist für jeden Spielstil etwas dabei.
Spielbarkeit aus Spielleitersicht
486 Seiten lassen fast keine Frage eines Spielleiters oder einer Spielleiterin unbeantwortet. Charakterregeln, Psiregeln, Waffen, Ausrüstung, Spezies, Bestiarium und wichtige Fahrzeuge sind ordentlich sortiert und dadurch gut zu finden. Bei so einem Regelwerk lässt sich gelegentliches Blättern nicht verhindern. Standardsituationen in Kampf und Ermittlung dürften aber schnell genug in Fleisch und Blut übergehen, dass man nur noch in speziellen Situationen nachschlagen muss.
26 Seiten des Grundregelwerks widmen sich Fragen der Abenteuergestaltung. Dabei bekommen auch SL-Einsteiger wertvolle Tipps zur Konzeption erster Abenteuer. Fragen zur Umwelt, Distanzen, Ermittlungen oder dem Warp werden ausführlich beantwortet. Dazu kommen 45 Seiten Einführung in die Welt, samt schöner Kurzgeschichte Aaron Dembski-Bowdens, die einen guten Eindruck der Spielwelt vermittelt.
Beispiele für Waffen in Wrath & Glory
Xeno-Waffen in Wrath & Glory
Damit dürften auch Einsteiger in die Welt des 42. Jahrtausends gut zurechtkommen und spannende Abenteuer erschaffen können. Wer noch offene Fragen hat, wird in diversen Warhammer-Wikis schnell fündig oder kann sich für ein Weltgefühl auch den ein oder anderen Roman zu Gemüte führen. Für die aktuelle Zeitlinie hilfreich und gut zu lesen sind unter anderem Das dunkle Imperium und Die Legion des Imperators: Wächter des Throns. Wer einen Einblick in die Inquisition haben möchte, dem kann man zu Die Schattenchronik von Terra: Der Leichenthron oder den Büchern um Inquisitor Gregor Eisenhorn raten.
Ein kleines Ärgernis bleibt jedoch beim Studium des Grundregelwerkes. So wird einmal davon geschrieben, dass Spielerinnen und Spielern mit einer sogenannten Kampagnenkarte, die erzählerische Aspekte ergänzen soll, starten. Im späteren Verlauf wird zudem der Eindruck erweckt, dass Zornkarten zum Abhandeln von bedrohlichen Aufgaben genutzt werden sollen. Liest man jedoch in der Einleitung, was zum Spielen benötigt wird, ist von diesen Karten keine Rede. Vermutlich soll beides als optional gelten, da diese Karten, wie viele andere Karten, zum Beispiel zu Ausrüstung und Talenten, extra zu erwerben sind. Ganz klar wird das jedoch nicht, und gerade unerfahrene Gruppen könnten den Eindruck bekommen, diese Karten seien zwingend erforderlich. Hier könnte in Errata nochmal nachgebessert werden, wie das nun tatsächlich zu verstehen ist.
Spielbarkeit aus Spielersicht
Das System erlaubt Spielerinnen und Spielern eine immense Vielfalt, verglichen mit Dark Heresy, aber auch anderen Regelwerken. Dabei ist man eher erschlagen als eingeschränkt. Die 31 Archetypen des Systems lassen viel Freiraum, um eine Gruppe aus echten Individuen zu schaffen. Jedem Charakter wird dabei zusätzlich, wenn gewünscht, eine Charaktermotivation mitgegeben. Dies hilft natürlich enorm beim Einstieg. Spielerinnen und Spielern, die nicht mit der Spielwelt vertraut sind, ist jedoch die Lektüre der Einführung empfohlen, diese erleichtert deutlich, sich in dieser komplexen Welt zurechtzufinden.
Ein großer Vorteil sind dabei sicher die Machtstufen als Hilfsmittel, vor allem für Leitende. Der einfache Soldat oder frische Inquisitionsagent hat nicht die Tiefe an Wissen über diese Welt wie der abgebrühte Inquisitor. Dies kann eine Spielleiterin oder -leiter schön in das Spiel einbinden, um ihrer Gruppe nicht nur den Einstieg zu erleichtern, sondern auch für viele Überraschungen zu sorgen. So vermeidet man auch die Überforderung, die so eine vielschichtige Spielwelt mit sich bringen kann.
Spielbericht
Die Charaktererschaffung geht recht flott von der Hand. Es hilft natürlich, wenn jedes Gruppenmitglied zumindest die Erschaffungsregeln zur Hand hat. Aber einen Abend wird man einplanen müssen.
Einen Spieltest haben wir bereits im Rahmen des Quickstarters durchgeführt. Hier fehlten zwar die Psiregeln und Fahrzeuge, aber er gibt dennoch einen guten ersten Eindruck. Je nach Gruppenschwerpunkt wird man mehr mit Ermittlungen bzw. sozialem Spiel oder Kampf zubringen. Proben gehen dabei recht fix von der Hand, wobei die alte W100-Systematik einen Tick eingänglicher ist. Kämpfe kann man sowohl recht fließend und dynamisch darstellen oder auch enorm taktisch, was dann eher an klassische rundenbasierte Strategiespiele erinnert.
Erscheinungsbild
Das Layout ist übersichtlich und in der von Ulisses gewohnten hohen Qualität. Manchmal sind nur die Textumbrüche etwas störend für den Lesefluss. Die Illustrationen sind im Vergleich zu ersten Artworks sehr gelungen. Sie geben detailreich sowohl Archetypen als auch typische Szenen aus den Büchern und dem Tabletop wieder und sind in der Qualität mit denen der Tabletop-Regelwerke zu vergleichen. Der Index am Ende dürfte etwas umfangreicher sein, das Wichtigste findet man damit aber recht fix. Mit seinen fast 500 Seiten hält man einen ordentlichen Wälzer in der Hand, der haptisch zu überzeugen weiß.
Bonus/Downloadcontent
Ulisses North America bietet auf seiner Homepage sowohl einen editierbaren Charakterbogen als auch Regel-Errata kostenfrei an. Auf Deutsch ist beides zum Zeitpunkt der Rezension noch nicht verfügbar.
Fazit
Mit Wrath & Glory legt Ulisses ein 40k-Rollenspiel vor, das in seiner Vielfalt kaum zu überbieten ist. Wer schon in Dark Heresy die Möglichkeit schätzte, aus einer Vielfalt an Archetypen zu wählen, wird hier sehr glücklich werden, insbesondere mit der Möglichkeit, auch Xenos zu spielen. Was andere erst mit Erweiterungen herausbringen, liegt hier schon vor, und man dürfte allein mit den Grundregeln schon eine ganze Weile spielen können, zumal die ganze Gruppe ja in Machtstufen aufsteigen kann. Dark Heresy hatte dafür ein Ergänzungsregelwerk, hier geht das von Haus aus.
Das System selbst ist an manchen Stellen etwas würfellastig, das liegt aber auch im Ermessen der Gruppe, wie sehr sie das ausreizt. Prinzipiell gibt das System aber auch einen stark narrativen Ansatz, grade über die Machtstufen, her.
Wer auf finsteren Space-Gothic steht oder sowieso dem Universum immerwährenden Kriegs verfallen ist, sollte hier beherzt zugreifen, dann man bekommt für sein Geld ein opulentes Werk.
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