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Bree liegt zwischen dem Auenland und den gefährlichen Einöden Eriadors. Die Einwohner fühlen sich hier sicher und ignorieren das, was sie nur ein paar Meilen weiter bedroht. Doch wer aufmerksam ist und genau hinsieht, der merkt bald, dass es auch im friedlichen Breeland einige Probleme anzugehen gilt.
Mit Bree erschließt Cubicle 7 Mittelerde für The One Ring (TOR), ein weiteres Stück Richtung Westen. Der Band schließt geographisch da an, wo Rivendell endete und umfasst Bree, die benachbarten Ortschaften sowie das direkte Umland. Da sich mit diesem überschaubaren Landstrich aber kein ganzer Band füllen lässt, geht der Verlag einen neuen Weg: Neben der Beschreibung von Breeland, sind gleich drei dort angesiedelte Abenteuer enthalten. Eine potentiell gute Idee, denn die typisch abenteuerliche Gegend ist Breeland nicht.
Für diese Rezension lag die PDF-Version vor.
Inhalt
Der Band gliedert sich in zwei Teile: Einen Quellenteil mit Beschreibung der Region und neuen Spieloptionen, sowie einen Abenteuerteil. Auf letzteren entfällt mit 64 Seiten der deutlich größere Teil des Bandes gegenüber den 40 Seiten Quellenmaterial. Beiden vorangestellt ist eine kurze Einleitung, die die Abschnitte anreißt und Vorschläge macht, in welchen Jahren die Abenteuer spielen bzw. auf welchen Zeitraum sich die Beschreibungen ungefähr beziehen.
Als mögliche zeitliche Einordnung wird unter anderem das Jahr 2950 im dritten Zeitalter vorgeschlagen. Insgesamt ist diese Einordnung aber weniger relevant als beispielsweise in den Wilderland-Bänden, in denen mit The Darkening of Mirkwood eine dichte Kampagne über viele innerweltliche Jahre hinweg geführt wurde.
Breeland – Der Quellenteil
Zum Einstieg gibt es kurze Spekulationen über die Geschichte von Bree. Spekulationen sind es deshalb, weil die Breeländer selbst nicht besonders gelehrig sind und deshalb kaum geschriebene Geschichte existiert. Anders die Hobbits aus dem Auenland, und so werden die Spekulationen, die von einem innerweltlichen Standpunkt ausgehen, oft durch das Werk des Hobbitgelehrten Lemuel Heathertoes transportiert. Alles in allem ist der Abschnitt mit zwei Seiten sehr knapp, aber für einen Überblick von Bree genügend. Will man allerdings mehr Kontext haben, sollte man gleichzeitig das Quellenbuch Rivendell, ein Mittelerde-Wiki oder ähnliches Material zur Hand haben, denn nur größeren Tolkien-Kennern dürften Namen wie Cardolan oder Arthedain spontan ein Begriff sein.
In dem Kapitel „Bree-Land & Around“ werden anschließend lokale Begebenheiten und nahe Ortschaften beschrieben. Zentraler Ausgangspunkt dafür und damit auch erster Abschnitt ist Bree-Hill, ein Hügel, der per se nicht besonders ist, an dem aber die Dörfer Bree, Archet, Staddle und Combe liegen und von dem man die nähere Gegend überblicken kann. Darunter sind auch die beiden Straßen, die sich nahe Bree kreuzen.
Die East Road bekommt als die wichtigere dieser beiden ihren eigenen Abschnitt. Man erfährt, an welcher Stelle sie in welchem Zustand ist, vor allem aber auch, wer sie nutzt. Wichtig sind reisende Zwerge, die als Reisende und Händler für einen bequemen Wohlstand der Breeländer sorgen. Die North Road, die am Kreuzweg in die South Road übergeht, ist in der beschriebenen Zeit ohne Bedeutung, da die Orte, die sie irgendwann einmal miteinander verbunden hat, nicht mehr existieren. Weil sie so überwuchert ist, wird sie auch Greenway genannt.
Western Bree-Land, nördlich der East Road und westlich der North Road, ist an sich ein ziemlich leerer Landstrich, in dem sich kaum jemand aufhält. Allerdings halten sich hier zunehmend Rangers of the North auf. An dieser Stelle gibt es einen Vorschlag, was Spielercharaktere hier machen könnten, denn die Waldläufer wollen einen festen Unterschlupf dort errichten, was über „Fellowship Phase Undertakings“, also Unternehmungen während der Gefährtenphase, abgehandelt wird, sich aber bestimmt auch gut ausbauen lässt. Außerdem lebt ein verrückter, alter Hobbit in der Gegend, der auf der ewigen Jagd nach einem angeblich unterirdisch lebenden Ungetüm ist.
Der Chetwood nördlich des Bree-Hill war in der Vergangenheit oft Rückzugsort für die Breeländer, wenn Feinde anrückten. Wirklich gefährlich wird der Wald nur im Nordosten, leider hält sich die Beschreibung hier sehr vage und vergeudet damit Potential. Die Andeutungen gehen in Richtung wütender alter Bäume und ihrer Wächter, zumindest der Hinweis auf Huorns und Ents ist deutlich.
Nach dem Chetwood folgt der Hauptdarsteller des Bandes: Bree.
Da der Ort etwas größer ist, ist dieser Abschnitt noch einmal in eigene Unterabschnitte geteilt. Eingeleitet wird mit ein paar allgemeinen und für das Spiel recht nützlichen Informationen, beispielsweise wie viele Einwohner Bree hat und wie der Reeve, der Verwalter von Bree, gewählt und beraten wird. Nähere Informationen bekommt man zuerst zu den Schutzanlagen des Ortes, die aus einer mächtigen alten Dornenhecke mitsamt Toren und vorgelagertem Graben bestehen.
Der Steinbruch von Bree wird nur noch selten genutzt, ist aber von Geschichten umrankt. Hier kann man erfahren, wo die meisten Steine der Häuser von Bree tatsächlich herkommen.
The Green ist der zentrale Versammlungs- und Marktplatz des Ortes. Außerdem liegen daran das Gasthaus The Prancing, das Counting House und die Reeve's Hall. Die beiden letztgenannten Gebäude enthalten alles an öffentlichen Einrichtungen, was Bree so benötigt. Old-town ist nicht nur der ältere, sondern auch der wohlhabendere Teil Brees, in dem vor allem Handwerker leben. Das gilt für Menschen wie auch Hobbits, die eine spezielle Variante des Zusammenlebens etabliert haben. New-town liegt etwas weiter den Hügel hinauf. Hier leben die meisten Hobbits, allerdings, im Gegensatz zu ihren Verwandten aus dem Auenland, meist in Häusern. Hier liegt auch der ganze Stolz des Ortes: Die Schule. Das dritte und letzte Viertel ist die East Row, in der die Nachkommen der Flüchtlinge der untergegangen Stadt Tharbad leben.
Ein paar wichtige Punkte außerhalb Brees folgen: Zum einen das Forsaken Inn, das einen fragwürdigen Ruf hat, aber die letzte feste Unterkunft zwischen Bree und Rivendell ist, und natürlich die drei kleineren Dörfer. Staddle hat eine große Hobbitgemeinde, die, angeführt von der Familie Tunnelly, energisch die Unabhängigkeit des Dorfes gegenüber Bree behaupten. Combe liegt in einem dunklen Tal, das nie richtig erleuchtet ist. Das bringt einen griesgrämigen, aber tapferen Menschenschlag hervor. Archet liegt im Wald und ist selbst den anderen Breeländer etwas fremd.
Alles in allem ist die regionale Beschreibung Breelands überaus gelungen. Sie liefert einem das, was man von ihr erwartet: Ein friedlicher Landstrich inmitten einer gefährlicher werdenden Welt. Die Breeländer kommen gut als engstirnige Leute herüber, die nichts von der Welt außerhalb ihrer eigene verstehen und es auch nicht wollen – genau so, wie man sie aus der tolkienschen Buchvorlage kennt. Den einzelnen Abschnitten ist, wie in den Quellenbänden für TOR üblich, meist eine Person zugeordnet. Auch die sind toll gemacht und alles echte Originale. Generell wird vieles mit einem leichten Augenzwinkern beschrieben, ohne dabei aber albern zu werden. Aufgelockert wird der Text von Kästen, die entweder näher auf Details eingehen oder spielerische Optionen anbieten. Eine Karte von Bree gibt es am Ende des Kapitels auch.
Auf die Rundumbeschreibung folgt eine, die sich speziell um das Wirtshaus The Prancing Pony dreht. Nicht nur der Wirt wird beschrieben, den die Gemeinschaft auch als Patron gewinnen kann, sondern auch die einzelnen Räume. Es gibt dazu einen detaillierten Gebäudeplan. Auch regeltechnisch bekommt man Hinweise, wie die Spielercharaktere auftreten sollten, um nicht zu sehr anzuecken. Schön ist auch eine Zufallstabelle, mit der der Spielleiter vorab bestimmen kann, was für Leute gerade im Schankraum sind, inklusive der Option auf ein paar spannende Begegnungen (u.a. Diener des Feindes, oder ein alter Mann mit blauem Hut und grauem Mantel ...). Insgesamt ist es nützlich, dass das Gebäude, das im Spiel der Hauptanlaufpunkt in Bree sein dürfte, gut mit Details ausstaffiert wurde.
Das kurze Kapitel An Empty Land hat noch einmal allgemeine Beschreibungen zum Landstrich parat, wie die Stimmung dort ist und wie man diese nutzen kann. Es ist zwar nützlich, will in seinem melancholischen Ton aber nicht so recht zum Vorangegangenem passen. Außerdem hätte es besser an den Anfang des Quellenteils gepasst, wie es in anderen TOR-Quellenbüchern eigentlich üblich ist.
Letztlich kommt mit Adventuring in Bree noch ein Kapitel, welches dem Spielleiter nützliche Tipps geben will, was die Spieler eigentlich in diesem zunächst nicht besonders abenteuerlichen Landstrich machen können. Grundsätzlich gilt, dass Bree eher der Startpunkt eines Abenteuers ist als sein Handlungsort. Ein paar konkrete Abenteueraufhänger werden auch präsentiert, die alle brauchbar wirken, aber entweder kurzweilig für die Gruppe sind oder die Charaktere direkt wieder weit weg führen. Ebenfalls wird auf die Problematik eingegangen, wie Bree als Sanctuary (dt. Zuflucht) dienen kann, wo es doch weder besonders wehrhaft ist noch Fremde gerne lange beherbergt. Ein paar neue Unternehmungen für die Gefährtenphase folgen, die meisten davon speziell auf die Region abgestimmt und nicht besonders aufregend. Einzig die spieltechnische Ausgestaltung, wie es sich auswirkt, einen Brief zu verschicken, macht etwas her. Insgesamt hat das Kapitel nützliche Anmerkungen zu bieten, man hätte sich jedoch mehr gewünscht.
Den Abschluss des Quellenteils bilden die Breeländer (Men of Bree) als spielbare Kultur. Sowohl Menschen als auch Breeland-Hobbits können auf diese Weise erstellt werden. Tatsächlich ist hier ziemlich gut der Eindruck abgebildet, den man zuvor im Buch von den Breeländern bekommen hat. So beruhen viele Cultural Blessings (dt. kulturelle Vorteile) darauf, dass ein SC aus Bree zwar persönlich tapfer ist, aber an sich keiner Kultur angehört, die das fördern würde. Ein Vorteil lässt einen zum Beispiel einfacher zurück in eine Zuflucht, „nach Hause“, reisen und dort leichter Corruption (dt. Verderben) heilen. Dadurch werden sich entsprechende Figuren wohl nie wie der typische Held anfühlen, es macht sie jedoch zu einer interessanten und einzigartigen neuen Option.
Der Abenteuerteil
Achtung, Spoiler enthalten! Wer die Abenteuer als Spieler erleben möchte, der sollte auf das Lesen dieses Teils verzichten.
Old Bones and Skin ist ein typisches Einführungsabenteuer und wird auch so angepriesen. Es beginnt, wie es klassischer für ein Fantasy-Rollenspiel nicht sein könnte: im Gasthaus, das in diesem Fall natürlich The Prancing Pony ist. Es geht um die fragwürdigen Umtriebe des Timeas Heatherton in der Vergangenheit, die aktuellen seines Neffen Tomas und einen Schatz, den viele begehren. Antagonisten in diesem Abenteuer sind einer alter, Friedhöfe plündernder Troll und ein früherer, recht ruchloser Weggefährte Timeas‘. Das Ganze ist durchaus abwechslungsreich gestaltet und führt die SC von Bree über den Friedhof zu einer Verfolgungsjagd ins Umland mit anschließender Schatzsuche.
Das Abenteuer ist gut konstruiert und geht auf viele Alternativen ein, die sich die Spieler ausdenken könnten. Angelegt ist es als Einstieg in eine Minikampagne, die aus den im Buch enthaltenen Abenteuern besteht und sich um die Untaten des Hexers Gorlanc drehen, der hier über seine Handlanger eingeführt wird. Am besten geeignet ist hierfür wohl eine Gruppe aus Breeländern und Hobbits, wie auch Anfangs vorgeschlagen, während die Aufgaben für eine Gruppe erfahrener und/oder mächtigerer Gefährten nicht allzu gefährlich sind.
Strange Man, Strange Roads beginnt ebenfalls in einem Gasthaus. Allerdings nicht im freundlichen The Prancing Pony, sondern dem schäbigen Forsaken Inn. Die SC sollen einen Waldläufer treffen, der allerdings nicht dort ist. Nach entsprechenden Nachforschungen finden sie ihn nicht weit weg ermordet auf. Ab da gilt es, einer Karawane nach Bree zu folgen, da eines der Mitglieder der Täter sein muss. Letztlich werden sie herausfinden, dass hinter den Tätern der Hexer Gorlanc steckt, dem seine Anhänger einen mächtigen magischen Ring bringen sollen. Es gilt, den Ring aus dem Verkehr zu ziehen, ohne Kollateralschäden anzurichten.
Hier haben wir ein Ermittlungsabenteuer, das sehr auf Suchen und Beobachten ausgelegt ist und damit eine erfrischende Abwechslung bietet. Es gibt komplexe Figurenkonstellationen, die den Verlauf stark beeinflussen können. Auch hier werden viele Handlungsoptionen bedacht. Insgesamt macht es einen wirklich guten Eindruck. Der Einstieg ist leider nicht wirklich gelungen, wenn man es als direkte Fortsetzung von Old Bones and Skin sieht, denn eine starke Verbindung zu den Waldläufern wird fast vorausgesetzt. Das kann das erste Abenteuer aber nur sehr begrenzt leisten. Auch gibt es eine völlig deplatzierte Szene, in der die Gefährten wandernde Elben treffen können, was sich aber nicht anständig in den Handlungsbogen einfügt.
Am Ende von Strange Man, Strange Roads wird ein Epilog vorgeschlagen, der sich um den Sturm auf Gorlancs Festung dreht. Daran können sich die Spielercharaktere beteiligen. Leider gibt es kaum weitere Details.
In Holed Up in Staddle gilt es letztlich Gorlanc, nach seiner zwischenzeitlichen Entmachtung, und seine verbliebenen Getreuen aus dem Verkehr zu ziehen. Dazu ziehen die SC im Auftrag einer Waldläuferin erst in den Chetwood, wo teils interessante, teils kuriose Begegnungen auf sie warten. Weitere Nachforschungen führen die Gefährten nach Staddle, wo sich der Finsterling mit seinen Männern im Heim einer Hobbitfamilie verschanzt hat.
Dieses Abenteuer ist solide, bietet aber wenig Innovatives. Die Begegnungen im Chetwood wirken leider so, als wären sie nur um ihrer selbst willen eingebaut worden. Den Plot tragen sie nicht wirklich weiter. Leider ist auch Gorlanc selbst unbeeindruckend, was einen schwachen Höhepunkt abgibt. So wurde der Hauptgegner sehr aufgebauscht, ohne liefern zu können.
Abschließend kann man zu den Abenteuern sagen, dass alle gut oder zumindest brauchbar sind. Will man sie aber tatsächlich als Minikampagne spielen, muss der Spielleiter doch noch etwas Arbeit hineinstecken, damit ein wirklich befriedigendes Ergebnis dabei herauskommt. Gerade die Beteiligung an der Belagerung von Gorlancs Festung sollte er den Spielern nicht verweigern.
Erscheinungsbild
Die Gestaltung insgesamt ist wie bei anderen TOR-Publikationen ausgezeichnet. Die zweispaltigen Texte sind gut lesbar und werden immer wieder durch Infokästen oder Illustrationen aufgelockert. Letztere sind wieder einmal sehr schön, auch wenn sie weniger Bandbreite an Motiven bieten. Allerdings ist das kleine Breeland weniger vielfältig als das weitläufige Wilderland.
Bonus/Downloadcontent
In der PDF-Version sind die Karten, die sich normalerweise im Einband befinden, gesondert beigefügt.
Fazit
An Bree gibt es nur wenig zu kritteln. Man hätte mehr darauf eingehen können, wie man den Landstrich in eine Kampagne einbettet, besonders in Verbindung zum Rest von Ost-Eriador, das in Rivendell beschrieben wird. Dafür bietet der Band aber genau das, was er verspricht: Eine Beschreibung eines der ruhigsten Orte Mittelerdes, seines Umlandes und seines Herzens, des The Prancing Pony. Und das macht er ganz ausgezeichnet. Ich habe mir Bree so vorgestellt und auch anderen Mittelerde-Freunden wird es so gehen.
Die Abenteuer taugen ebenfalls einiges, auch wenn ihre Verknüpfung nicht ideal ist. Es ist aber auch nicht so, dass das für einen halbwegs erfahrenen Spielleiter ein großes Problem wäre.
Der Preis für diesen sehr spezialisierten Band ist nicht besonders günstig, aber wer Bree kauft, wird wissen, was er daran hat
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