http://www.teilzeithelden.de/2017/03/15/rezension-vampire-the-masquerade-v20-ghouls-revenants-white-wolf/
So wie der Adel seine Lakaien hatte, so verlässt sich ein Vampir auf seine Bediensteten, seine Ghule. Leichenfressende Monster sind Ghule in der WoD nicht mehr. Es sind Menschen mit Sozialverhalten, die eine eigene Kultur entwickelten. Dieses Buch beschreibt das Verhältnis zwischen den vampirischen Meistern und ihren Sklaven im Blute.
Dracula hatte seinen Renfield, Graf Duckula seinen Igor. Dank Autoren wie z.B. Sir Terry Pratchett und der Literatur der World of Darkness von White Wolf haben die aasfressenden Monster der Folklore und der Fantasy-Literatur über die Jahre hinweg eine neue Bedeutung erlangt. In der Welt der Dunkelheit sind sie keine Monster, sondern selber Opfer; es sind Menschen. Doch bei aller Individualität und Vermenschlichung bleibt doch ein Aspekt erhalten. Noch immer dienen sie treu ihren untoten Meistern und sind an ihr Blut gebunden. Dieses Buch ist ihnen gewidmet.
Inhalt
V20 Ghouls & Revenants fügt sich nahtlos in die bestehende Welt der Dunkelheit von White Wolf ein. Die Handschrift von bekannten White Wolf-Autoren wie Jason Andrew oder Dhaunae de Vir spiegelt sich deutlich wider. Das bedeutet, dass es nicht nur eine Erweiterung für Vampire: The Masquerade darstellt, sondern auch für Spielleiter der anderen Systeme, wie Mage: The Ascension oder Werewolf: The Apocalypse sehr nützlich sein kann. Wer aus Ghulen mehr als nur ein paar Nummern machen möchte, die befehligt werden oder als Kanonenfutter auf dem Schlachtfeld dienen, findet in diesem Buch viele spannende Ideen und Ansätze, um noch mehr Spieltiefe mit und durch Ghule für das Spiel zu generieren. Auch bekommen Spieler und Spielleiter Ideen an die Hand, um eine komplette Kampagne als Ghule oder Revenants zu spielen.
Das Buch setzt sich aus folgenden Kapiteln zusammen:
Blood is Life
In diesem Kapitel wird das Verhältnis zwischen dem Ghul und seinem Meister beschrieben, welchen Nutzen ein Ghul für einen Vampir hat, und wie sich das gemeinsame Miteinander über die Jahrhunderte verändert. Ein Ghul kann für seinen Herrn verschiedene Rollen übernehmen. Vom klassischen Diener, über das Kanonenfutter – wir meinen natürlich Bodyguard – bis hin zum PR-Manager gibt es noch viel mehr Möglichkeiten, seinem vampirischen Meister nützlich zu sein. Vor allem dem Abschnitt über die Motivation, warum also einzelne Menschen zu Ghulen gemacht werden, sollte man in diesem Kapitel viel Aufmerksamkeit schenken. Hier bietet sich viel Potential für Spieltiefe.
Ghouldom, Blood Bonds, and Systems
Welche besondere Macht das Blut über einen Menschen hat, wird hier noch einmal im Detail beschrieben. Regeln, wie ein Blutsband zu brechen ist, lassen sich hier finden. So finden sich hier auch Hinweise darauf, wie unabhängige Ghule an ihr täglich Blut kommen. Was passiert, wenn ein Ghul zu viel Blut, oder Blut von verschiedenen Spendern bekommt? Wie heilen Ghule, und wie setzen sie ihre übernatürlichen Kräfte ein? Diese und ähnliche Fragen werden hier ausführlich beantwortet.
Clan Ghouls and Organizations
In diesem Kapitel geht es, ähnlich wie im ersten, wieder einmal um die Motivation, einen Ghul zu erschaffen. Egal ob Camarilla, der Sabbat oder die Anarchenbewegung, alle haben ihre Gründe, menschliche Lakaien für ihre Zwecke einzuspannen. Auch unabhängige Gruppen wie die Tal´Mahe´Ra wissen die Dienste von Ghulen für sich zu nutzen.
In diesem Kapitel spielt jedoch nicht die individuelle Ebene, sondern die Sicht des Vampirclans bzw. der -organisation die Hauptrolle. Jedem Clan, von den Assamiten bis zu den Ventrue, wird hier eine Doppelseite gewidmet, die das Verhältnis zu seinen Ghulen beschreibt. An dieser Stelle möchte ich auch auf das schöne Artwork hinweisen, das jeden Clan stilistisch unterstützt, ohne zu sehr in Klischees zu verfallen. Auch werden in diesem Kapitel verschiedene Ghul-Organisationen beschrieben, und aus welchen Motiven diese von wem gegründet wurden.
Revenants and their Families
Was passiert, wenn Ghule über Generationen hinweg Kinder bekommen und großziehen? Was geschieht, wenn das vampirische Blut bereits über die Nabelschnur der Mutter das Ungeborene verändert? Es entstehen Kreaturen, nicht Mensch, nicht Ghul, sondern Revenants. Das Wort Revenant kommt aus dem Französischen und bedeutet Wiedergänger, und das sind sie auch in der Gesellschaft der World of Darkness. Weder ganz Mensch noch ganz Vampir, jedoch mit übernatürlichen Kräften gesegnet, versuchen diese Familien, einen Platz im Leben zu finden. Dieses Kapitel beschreibt die größten und einflussreichsten Familien.
Da wären z.B. die Bratovich vom Clan Tzimisce, oder die Familie D´Habi, die ihre Blutlinie bis in die Zeit vor der ersten Stadt, zu Nergal, einem Baali-Methusalem, zurückverfolgen können. Zwölf Revenantfamilien mit eigenen Familienschwächen und zugeordneten Disziplinen können bespielt werden. Es ist wirklich verblüffend, wo überall die Voivoden des Clans Tzimisce ihre Finger drin haben.
Character Creation
Was in keinem Erweiterungsset von White Wolf fehlen darf, finden wir hier: alle Regeln, um einen stimmigen Ghul oder Revenant zu erschaffen. Neue Hintergründe, wie auch die allseits beliebten Vor- und Nachteile dürfen hier nicht fehlen. Hier ist besonders hervorzuheben, dass nicht nur alte Vor- und Nachteile auf Ghule umgeschrieben wurden, sondern dass sich hier sehr viele neue Möglichkeiten finden lassen, die das Bild eines Charakters perfekt abrunden.
Einzelne Vor- aber auch Nachteile bieten an sich schon schöne Ideen für spannende Abenteuer. Vor allem Spielleiter aus Mage: The Ascension oder Werewolf: The Apocalypse finden hier interessante Ansätze für systemübergreifendes Spiel.
Storytelling
Die Hinweise in diesem Kapitel sind für intensive Rollenspielrunden Gold wert, und auch für einen Spielleiter einer Vampire: The Masquerade-Spielrunde, der ein wenig Pep in die Darstellung seiner NSCs legen möchte, wertvoll. Der Abschnitt über die Beschreibung und Darstellung von Missbrauch ist meiner Meinung nach essentiell wichtig, um für alle am Spieltisch ein unterhaltsames Spielerleben zu ermöglichen.
Ein Ghul zu sein ist in den seltensten Fällen erstrebenswert oder schön. Vampire sind und bleiben Monster, die mit ihrem Besitz selten achtsam umgehen. Gerade weil man als Spieler hier eine Figur darstellt, die noch sehr menschlich ist, kann dies eine sehr persönliche Ebene des Horrors haben, über die die Gruppe im Vorfeld sprechen sollte.
Verschiedene Settings für die eigene Chronik werden im Anschluss vorgestellt. Sind die Spieler Agenten der Camarilla, die mit dem Schutz der Stadt betraut wurden, oder ist die Infiltration einer Camarillastadt für den Sabbat der Auftrag? Wird eine Revenantfamilie bespielt, die ihr Territorium erweitern möchte und Verhandlungen mit verschiedenen Fraktionen in der neuen Stadt aushandeln muss? Dem Spielleiter werden hier viele Tipps und Tricks, ohne überlastend zu wirken, mit an die Hand gegeben.
Appendix I + II
Sieben voll ausgearbeitete NSC, vom Broker bis zum Serienmörder, warten auf ihren Einsatz. Ein kleiner Hintergrundtext und alle relevanten Charakterwerte runden dieses Kapitel ab. Hier finden sich auch gute Anregungen für den eigenen Charakter.
Im zweiten Appendix befinden sich die Monster. Wer schon immer einmal seine Helden gegen mörderische Kriegsghule, die vom Sabbat so gerne eingesetzt werden, kämpfen lassen möchte, findet hier alle tödlichen Werte. Aber auch Regeln dazu, was mit Tieren geschieht, wenn sie Vampirblut zu sich nehmen, und was bei Tierghulen zu beachten ist, können hier nachgelesen werden.
Erscheinungsbild
Das Layout ist im bekannten White Wolf-Format gehalten: zwei Spalten pro Seite, mit übersichtlichen Kapiteln und Kapitelüberschriften. Bei etwas über 180 Seiten wäre auch ein Softcover mehr als ausreichend gewesen, jedoch erhält man auf Drivethrurpg.com das Buch nur als Datei und/oder als Hardcoverausgabe. Was auffällt ist, dass im Vergleich zur Vorgängerpublikation Ghouls: Fatal Addiction die Qualität der Zeichnungen signifikant ansprechender geworden ist. Alle Illustrationen in V20 Ghouls & Revenants sind farbig, was das Buch gerade bei den ganzseitigen Bildern sehr ansprechend macht. Mit ihrer V20 Edition hat White Wolf generell, was Design und Layout angeht, einen riesigen Schritt nach vorne getan, und diese Publikation steht dem in nichts nach.
Bonus/Downloadcontent
Ist in dieser Publikation nicht vorhanden.
Fazit
Ich war skeptisch, ob diese Publikation signifikant mehr Informationen als der Vorgänger Ghouls: Fatal Addiction hergibt, und ob ich auch eine Kaufempfehlung für Besitzer dieses Buches aussprechen kann. Ich wurde nicht enttäuscht. Nicht nur ist das optische Make-Over mehr als gelungen, sondern es fügen sich auch die neuen Vor- und Nachteile, und generell die angepassten Regeln, hervorragend in die World of Darkness ein.
Wenn ein Spielleiter aus seinen Ghulen mehr als nur Zahlen machen möchte, dann ist V20 Ghouls & Revenants ein Buch, das man nicht in seinem Regal missen sollte. Alleine schon die unzähligen expliziten und impliziten Abenteuerideen garantieren sehr langen Spielspaß. Einziger Wermutstropfen ist, dass ich das Produkt nicht optional in Schwarz/Weiß oder in Farbe, oder als weitere Option als Soft- oder Hardcover erwerben kann.
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