Die folgende Rezension ist ursprünglich in Mephisto 64 (Mai/Juni 2017) für die Hardtcover-Printausgabe erschienen.
Blutige Geschäfte
Im Mittelpunkt von Shadowrun stehen die Konzerne – und auch wenn die 6. Welt immer wieder von anderen Verschwörungen, magischen Phänomenen und technologischen Revolutionen erschüttert wird, sind es am Ende doch die Megakonzerne, die die Arbeit und das Leben der Shadowrunner prägen. Und tatsächlich steht eine große Änderung bei den Konzernen bevor, denn der Konzerngerichtshof hat beschlossen, den Status der Megakonzerne in einem Audit zu prüfen.
Für die AAA-Megakons, also die absolute Spitze der Nahrungskette, bedeutet das, dass sie um ihren Status bangen müssen. Kaum einer der Großen Zehn ist nicht durch interne Probleme, schmutzige Geheimnisse oder andere Auseinandersetzung angeschlagen. Und natürlich gieren die AA-Konzerne darauf, sich einen der Plätze in der Spitzenklasse zu sichern. Diese Ausgangslage bedeutet nur eines: Es gibt Krieg – den verdeckten geheimen Krieg zwischen den Konzernen, in dem Shadowrunner ihren Lebensunterhalt verdienen.
Blutige Geschäfte liefert zunächst einen kurzen Einstieg in die Hintergründe, warum in den nächsten Jahren die Neuordnung der Konzerne stattfinden soll und was das für die Megakonzernstrukturen bedeutet. Es wird natürlich auch ein Blick darauf geworfen, welche Konzerne welche Schwierigkeiten haben, was Bezüge zu den letzten Metaplots liefert – vom Krieg in Amazonien über das KFS-Syndrom und andere Ereignisse, die die 6. Welt erschüttert haben. Den Hauptteil des Buchs machen aber Abenteuer bzw. Abenteuerskizzen aus. Ganze 20 Szenarien werden in kurzer Form beschrieben und drehen sich genau um die geheimen Kriege zwischen den Konzernen.
Die Abenteuer sind immer in mehreren Szenen ausgearbeitet, geben aber vor allen Dingen eine grobe Handlung vor. Details wie Karten oder Charakterprofile für alle Figuren wird man hier nicht finden (die wichtigsten Charakterprofile sind allerdings schon vorhanden). Die Bandbreite der Aufträge ist groß und umfasst so ziemlich alles, was Shadowrunner an Arbeit kennen: Industriespionage, Leibwächter-Jobs, Ermittlungsarbeit oder auch Kampfeinsätze stehen an der Tagesordnung. Tatsächlich sind viele dieser Jobs einigermaßen gradlinig, was aber nicht bedeutet, dass sie dadurch weniger spannend oder gefährlich werden. Das alte Klischee, dass das Team von Anfang bis Ende hintergangen wird, trifft nur selten zu. Den Abschluss des Buchs macht eine kurze Archetypensammlung, die für die Abenteuer ganz hilfreich sein kann.
Blutige Geschäfte ist ein interessanter Band, denn zum einen kündigt er eine große Änderung in der Konzernwelt an, zeigt deren Ausgangslage und wer die verschiedenen Kriegsparteien sein werden. Gelungen ist, dass hier neben den großen Zehn auch viele der AA-Konzerne eine wichtige Rolle spielen. Die Abenteuer erfordern in der kurzen Form immer noch einen guten Teil Arbeit vom Spielleiter, andererseits dürften die 20 Abenteuerskizzen eine Spielrunde tatsächlich über lange Zeit beschäftigen – ob es die fünf Jahre des Megakonzern-Audit sein werden, hängt wohl von der Spielgeschwindigkeit ab. Wie für die deutsche Ausgabe zu erwarten, gibt es hier natürlich ein deutsches Bonusabenteuer, das die Handlung nach Deutschland verlegt.
Spielleiter, die klassische Shadowrun-Action suchen und ihre Runde mit typischen Konzernaufträgen beschäftigen wollen, sollten bei Blutige Geschäfte zuschlagen, denn hier finden sie jede Menge Material, mit dem sie lange spielen können. (Björn Lippold)
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