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http://www.teilzeithelden.de/2017/11/09/ersteindruck-i-am-zombie-wir-sind-die-seuche-mark-rein-hagen/
Die Zombieapokalypse ist ein bekanntes Weltuntergangsszenario. Aber was wäre, wenn es Zombies in der Menschheitsgeschichte als Parallelgesellschaft schon lange gäbe? Was wäre, wenn sie nicht so hirn- und verstandslos wären, wie sie sonst oft inszeniert werden? Egal ob kurzweilige Untoten-Satire oder knallharter Survival-Horror – alles ist möglich bei I Am Zombie.
Mark Rein-Hagen hat in den 90ern mit Vampire: Die Maskerade die Rollenspielwelt um ein fantastisches Spiel erweitert. Mit seinem neuen RPG ist er dem Prinzip der Parallelgesellschaft treu geblieben, allerdings geht es diesmal nicht um Blutsauger, sondern um die so genannten Toxischen: Denkende und intelligente Halbtote bilden eigene Gesellschaften in der Welt der Atmer, wie die Menschen ohne die Infektion genannt werden. Die Spieler schlüpfen in die Rolle eines Atmers oder Toxischen und erleben, wie der Alltag ihrer Spielfigur auf den Kopf gestellt und zu etwas Besonderem wird: einem Abenteuer.
Die Spielwelt
Um in die Spielwelt, oder besser gesagt alternative Realität, einzutauchen, greift man am besten zum I Am Zombie-Feldhandbuch. Zur Betonung des Realitätsbezugs ist der 290 Seiten umfassende Band komplett ingame gehalten – und das mit einer bemerkenswerten Konsequenz von der ersten bis zur letzten Seite. Mit den Worten „Manifest der Wiederauferstandenen. All die toxische Wahrheit, die du brauchst, und mehr …“ wird man auf Seite 3 auf den Inhalt eingestimmt. Kann man sich noch auf Seite 5 an eine Inhaltsangabe mit Seitenzahlen als kleine Normalität im Aufbau klammern, ist es spätestens danach vorbei. Schon nach diesen ersten 5 Seiten wird dem Leser auch rein optisch klar, dass er hier keine gewöhnliche Weltenbeschreibung in den Händen hält.
Schriftarten wechseln laufend, Textstücke wirken wie eingeklebt, stehen auf dem Kopf oder sind seitlich zu lesen, blumige Erlebnisberichte wechseln sich mit klaren Lebens- und Handlungsanweisungen an einen Toxischen ab. Unterbrochen beziehungsweise ergänzt wird dies durch unzählige Bilder, die einen schaurig-schönen Stimmungseindruck vermitteln. Um der originellen Machart des Werkes gerecht zu werden, und ein Gefühl für die Welt zu vermitteln, gibt es im Folgenden anhand des Inhaltsverzeichnisses eine ingame-gehaltene Beschreibung der Kapitel:
Prolog: Willkommen in der Welt der Halbtoten
Hier wird dir erst mal erklärt, was eigentlich los ist. Geißel, Odium, Purgis, das wird für dich jetzt sehr wichtig werden. Nein, du bist nicht tot, du lebst noch. Ok, dein Leben, so wie du es kennst, ist futsch, aber es geht weiter. Wirklich! Hey, willkommen auf der Party!
HIIIRN: Tox-Sprache & Tipps vom berüchtigten Tox-Zine
Ersten Schock überwunden? Gut. Also, es gibt schon ein paar Dinge zu beachten. Das Toxi-Überlebenskit wird deine erste Einkaufsliste, ok? Dann musst du lernen, wie wir sprechen. Die Begriffe müssen sitzen, sonst kommst du nicht mit. Aber das lernst du schnell. Skag? Zombie ohne Bewusstsein. Odium? Das Gift der Infektion in uns. Purgis? Monatliches Ritual, um das verdammte Odium wieder loszuwerden. Siehst du, ist alles gar nicht schwer.
Purgatory Press: Wer wir sind (& warum dich das interessiert)
Da gibt es Leute, die sich die Mühe machen, das alles zu publizieren, also lies es durch!
Toxische Welt: Orte, die du kennen (und meiden) musst
Hier findest du erst mal eine Weltkarte mit Hinweisen zu vielen Orten und Ländern. Ich empfehle dringend, dir wirklich alles gut anzuschauen. Wenn es dich irgendwo hin verschlägt, und du hast nur das von deinem Heimatstädtchen durchgelesen, dann komm mir hinterher nicht angeheult, weil es Ärger gegeben hat.
Politik: Warum nichts jemals so einfach ist
Gut, das ist jetzt kompliziert. Aber hey, wir sind nur die Toxischen, wir haben die Welt nicht gemacht! Ein paar der bekannten Fehden werden aufgezählt, halte dich da einfach raus, ja?
Erreger: Die Gesuchten der Seuchengeborenen
Jeder Toxische trägt eine Version der Geißel in sich. Ja, du auch. Eine Mischung der acht Hauptstämme. Außerdem stehen hier die Gesuchten der Seuchengeborenen. Die sind krass, ernsthaft.
Toxische Unterschlüpfe: Kenne das Territorium
Jetzt wird’s sehr wichtig. Du musst wissen, wohin du gehen kannst, ok? Nein, dein kleines Einfamilienhaus ist nicht mehr geeignet. Hier erfährst du, wo du unterkommst, wenn du zu sehr faulst (Odium), oder wenn du was brauchst. Ein Z-Markt (toxisches Geschäft), Hautstube (Tattooladen, nicht nur Bilder, sondern auch „Mods für den Bod“) oder ein Absacker (eine toxische Spelunke; es ist total genial, wenn sich da mal ein Atmer reinverirrt. Musst du erlebt haben.).
Hospiz: Heim ist, wo der Teufel ist
Merk dir gleich: Es ist eine Ehre, in ein Hospiz eingeladen zu werden. Wenn du gern dauerhaft wie ein Wilder in schäbigen Unterkünften leben willst, meinetwegen, aber wenn sie dich dauerhaft aufnehmen, sag Ja! Das Hospiz ist dein neues home sweet home. Hier kannst du arbeiten, leben, Spaß haben, und zur Purgis gibt’s eine fette Party. Jeden. Verdammten. Monat. BÄM!
Höllenlöcher: Verdammte Orte, die wir einst Heim nannten
Der Titel sagt es schon: Alte Hospize, wir waren da mal, und sind es jetzt nicht mehr. Von wegen „unterirdische Atomtests“ … Ziemlicher Scheiß. Weil da aber noch haufenweise Zeug zu finden ist, gehen immer wieder welche von uns da hin. Ist halt saugefährlich. Der Utukku dieser Hospize ist da nicht mehr ganz so gut drauf, um es mal vorsichtig auszudrücken.
Der Umfang der Spielsets
Utukku: Die Uralten, die wir lieben
Eigentlich ist es ganz einfach: Keine Utukku, kein Hospiz. In jedem Hospiz lebt gaaaanz unten eine dieser grotesken, riesigen Kreaturen. Sie sind real. Sie sind Götter! Knie nieder vor dem Loch, in das sie das destillierte Sekret bei der Purgis hineinkippen. Tu es einfach.
Kartelle: Die Gesuchten der herrschenden Klasse
Innerhalb unserer Gesellschaft sind Kartelle Geheimbünde und Cliquen, und da gibt es einige davon. Die sind gut organisiert, wetteifernd und sehr besitzergreifend. Überleg dir zweimal, ob du da reingeraten willst.
Toxisch sein: Das Virus & seine Übertragung
Du bist einer von Zehntausend! Die meisten, die sich infizieren, werden zum Skag. Mach dir das nochmal klar.
Die Geißel: Was sie will & wie sie dich betrifft
Die Geißel wird deine innere Stimme, sie ist eine in dir sitzende Persönlichkeit. Sie erschafft uns Toxische. Höre auf sie. Achte sie. Werde dein Odium los, aber verursache bloß keine Ausbrüche! Das gibt Ärger mit Bleach.
Die schlurfenden Toten: Skags, Sklavenmärkte & Hüte
Einer von Zehntausend? Dann gibt es doch verdammt viele Skags, wirst du dich fragen. Richtig, und was man mit ihnen machen kann, erfährst du hier.
Epos des Amirani: Unsere Geschichte & der Kanon, nach welchem wir leben
Ab in die Vergangenheit. Hier lernst du alles über unseren sagenumwobenen Vorfahren Amirani, den Epos und die uralten Gesetze der Paxilla.
Purgis: Wir alle erleben diese Zeit im Monat
Na schön, Purgis ist nicht nur Party. Wir müssen das machen, um Odium loszuwerden. Und da geht man nicht einfach hin und pisst irgendwo in eine Ecke, da gibt’s einen genauen Ablauf. Das Torkeln, die große Klage, die Aphosis und natürlich die große Reinigung, um nur einige Punkte zu nennen. Aber dann ist Party angesagt.
Banden: Die Gesuchten der arbeitenden Klasse
Wir Toxische nennen unsere Berufe Banden, die unserer Gesellschaft von Nutzen sind. Schau dir alles in Ruhe an, und dann mach dich nützlich. Du willst doch weiterhin Geld verdienen, oder? Manche Leute haben Mist gebaut, also gibt’s eine Gesuchten-Liste. Ob du Jagd auf die machen willst, überlasse ich dir.
Gefahren & Bedrohungen: Bleach, die Inquisition & Leben unter Überwachung
So, und jetzt kommen die echten Arschlöcher: Bleach. Denen ist die Nuuk-Übereinkunft wurscht, die jagen uns trotzdem (ja, das ist Diskriminierung). Halt einfach deinen Kopf unten. Bleib anständig. Sie sind überall. Ein Freund hat das gut zusammengefasst: „Lächeln, in Bewegung bleiben und so tun, als würde man noch atmen.“
Vektoren: Die besonderen Fähigkeiten, die du hast oder begehrst
Yeah, das ist das Geile am Toxischen: Vektoren. Das sind die einzigartigen paranormalen Fähigkeiten, die uns der Amirani-Virus nutzen lässt. Das ist der Hammer, ehrlich, und wenn du das gelesen hast, wirst du diabolisch schmunzeln. Gib es ruhig zu! Du lächelst ja jetzt schon.
Die Regeln: Alles Kann, nichts Muss
Die bei I Am Zombie verwendete Rollenspiel-Engine wird Axiom-System genannt. Dabei handelt es sich um eine Aufzählung von Regelaspekten, die in beliebiger Weise kombiniert und verwendet werden können. Gleich das erste Axiom macht deutlich, wie dieses System zu verwenden ist: „# 1. Goldenes Axiom: Das Spiel gehört den Spielern.“ Jede Spielrunde wird explizit dazu aufgerufen, die Axiome kreativ in jeder erdenklichen Weise zu verwenden: „Unterbreche niemals das Spiel, um etwas nachzuschlagen – denk es dir einfach aus.“ Somit kann man sich die restlichen 25 Axiome ganz entspannt durchlesen und prüfen, was man ansprechend findet. Es ist streng genommen sogar möglich, sich nur anhand des Spielmaterials inspirieren zu lassen und keinem Axiom zu folgen.
Im Folgenden möchte ich anhand von einigen wenigen Axiomen eine Basisversion des Spieles vorstellen.
2. Axiom: Charaktererschaffung
„Nimm einfach 5 Karten“ lautet hier die Anweisung – und es ist tatsächlich so einfach. Entweder per Zufall oder nach Wahl, nimmt sich jeder Spieler fünf Spielkarten aus dem Deck für Atmer (oder aus dem Deck für Toxische, wenn man als Toxischer bereits starten will) und definiert anhand der Bilder und Texte seine Spielfigur. Jede Karte ist im Grunde genommen ein Archetyp, zum Beispiel Türsteher, Sanitäter oder gesetzloser Biker. Die dadurch entstehende Vielfalt an spielbaren Figuren ist enorm. Im mitgelieferten Charaktertagebuch können die Spielfiguren dann zum einen noch genauer definiert und zum anderen fest notiert werden, um das Kampagnenspiel zu ermöglichen.
5. Axiom: Geisteshaltung
Aus den anfangs fünf Karten werden drei Stapel gebildet. In jedem Stapel muss mindestens eine Karte liegen, mehrere Karten in den Stapeln werden überlappend platziert, sodass die oben aufgeführten Fertigkeiten noch lesbar sind. Die drei Stapel stellen die Geisteshaltung dar und werden mit Fokus, Instinkt und Leugnung benannt. Eine willentliche Handlung führt man mit Karten aus dem Fokus-Stapel aus, wird man überrascht, kommt der Instinkt-Stapel zum Einsatz. Wenn die Figur unter schwerem geistigem oder sozialem Druck steht, steht nur noch der Leugnen-Stapel zur Verfügung.
I Am Zombie ist ein zug- beziehungsweise szenenbasiertes Rollenspiel. Nach jeder Szene dürfen die Spieler ihre Karten neu ordnen, um sich beispielsweise auf einen Kampf vorzubereiten (wenn dieser planbar ist).
6. Axiom: Würfeln
Es werden sechsseitige Würfel verwendet, wenn eine der fünf Eigenschaften (geistig, sozial, körperlich, Gewalt, Geißel) geprüft werden soll. Den Eigenschaften sind Farben zugeordnet, beispielsweise Grün für sozial, und im Falle einer Probe zählt der Spieler seine ID-Karten mit der passenden Farbe (im passenden Stapel, siehe Axiom # 5), und nimmt sich diese Anzahl an Würfeln sowie drei Bonuswürfel. Der Spielleiter legt nun den Schwierigkeitswert der Probe fest (standardmäßig 9), den der Spieler bei seinem Wurf mindestens erreichen muss. Bei seinem Wurf darf der Spieler jedoch die Werte 5 und 6 nicht hinzuaddieren, sie stehen für Hunger (5) und Hirn (6). Wird das Würfelset aus der Spielbox verwendet, sind die Zahlen durch die passenden Symbole ersetzt. Für jedes Hunger-Symbol muss sich der Spieler einen Hungermarker nehmen, für jedes Hirn einen Hirnmarker.
Ein Hunger-Symbol hebt einen so genannten Schub, einen Probenerfolg, auf, und sollte mit soeben erwürfeltem Hirn oder mit Hirn aus dem Vorrat negiert werden. Für passende Fähigkeiten auf den Karten (# 25. Axiom: Fertigkeiten), zum Beispiel Handgemenge in einer Auseinandersetzung, kann der Spieler eine beliebige Anzahl Würfel neu werfen. Wird letztendlich der Schwierigkeitswert der Probe erreicht, ist sie bestanden. Wird der Wert sogar doppelt oder dreifach erreicht, verstärkt sich der Erfolg entsprechend.
15. Axiom: Schaden
Erleidet ein Charakter Schaden, muss er eine seiner ausliegenden Karten aus einem beliebigen Stapel auf die kalte Seite umdrehen. Ist er noch nicht toxisch, stellt dies eine reguläre Wunde dar. Ist er jedoch ein Toxischer, heilt die erlittene Wunde zwar schneller, aber dafür sammelt sich Odium im Körper: Er verfällt zusehends. Die Porträts auf den Karten zeigen sehr gelungen, wie diese Wandlung aussehen könnte.
Wie man sich heilen kann, wird in Axiom # 16 erklärt, auch der Stufenanstieg (# 18. Axiom: Erfahrung) ist denkbar einfach: Erhalte eine neue Karte. Mehr Karten bedeuten mehr Fähigkeiten und mehr Farben für die Eigenschaftsproben. Weiterhin werden Axiome für Initiative, Action-Szenen, Bewegung, Schergen & Bosse und noch einige mehr geliefert. I Am Zombie begünstigt jedoch überwiegend das erzählerische, darstellende Rollenspiel. Insbesondere das # 22. Axiom: Anstoß-Chips macht das deutlich. Hirn- und Hungermarker haben einen unterschiedlichen, kurz gehaltenen Text auf der Rückseite. Bei Hirn ist es tendenziell etwas Gutes („Wetteifernd: Du willst sie nicht gewinnen lassen! Was hat dich so angestachelt?“, „Aggressiv: Immer im Angriff. Wer ist das Ziel deines Zorns und warum?“, „Fasziniert: Etwas Magisches oder Interessantes fängt deinen Blick. Was ist es?“), und kann helfen, eine Situation zu meistern oder an einer Stelle in der Story weiterzukommen.
Hunger wird sich negativ auswirken („Feige: Du hast Angst, sogar Panik. Du willst wirklich weglaufen. Warum?“, „Neidisch: Du willst das, was ein anderer hat. Wo kommt der Neid her?“, „Verrat: Täuschung und Tücke. Warum musst du sie jetzt betrügen?“), aber auf diese Weise ist man dann nach der Abhandlung der beschriebenen Konsequenz den Hungermarker los.
Letztendlich dienen diese Impulse dazu, die Interaktion zu erhöhen, den Verlauf der Geschichte zu beeinflussen und interessante, dramatische oder coole Szenen zu erzeugen.
Erscheinungsbild
Das gesamte Material ist „vollfarbig“, wobei dieser Begriff hier fast zu schwach wirkt. Es wurde aus den Vollen geschöpft, und die daraus entstandene bunte und schrille Präsentation des Inhalts passt ausgezeichnet. Das Axiom-Regelheft ist mit 32 Seiten angenehm übersichtlich, wohingegen das Feldhandbuch mit stolzen 290 Seiten ein umfangreiches Werk ist. Das Charaktertagebuch bietet auf 77 Seiten genügend Raum, um Spielfiguren und Charaktergruppen zu verewigen.
Das Layout im Regelwerk ist funktionell und übersichtlich gehalten, die verwendeten Farben stützen den Inhalt und die Verständlichkeit. Beim Feldhandbuch wird das Ingame-Konzept nicht nur in Wort, sondern auch in der Gestaltung konsequent und gelungen umgesetzt. Die Lesbarkeit mancher Stellen mag ein wenig darunter leiden, aber da es zum Gesamterscheinungsbild passt, ist das nicht störend.
Wer sich das Spiel als PDF-Bundle besorgt, sollte unbedingt auf einen Farbausdruck Wert legen. Bei den Büchern sind farblose Ausdrucke akzeptabel, die Spielkarten können in schwarz/weiß jedoch eigentlich nicht verwendet werden, da über die Hintergrundfarbe die fünf Eigenschaften definiert werden. Hier ist übrigens Bastelarbeit gefragt, denn die Karten haben eine Vorder- und Rückseite mit Spielinhalten (Vorderseite = gesund, warm; Rückseite = verletzt/Odium, kalt), gleiches gilt für die Hirn- und Hungermarker.
Die Qualität der Illustrationen im Feldhandbuch wie auch auf den Karten ist ausgezeichnet, sie stützen den Bezug zu der alternativen Realität. Einen Index sucht man in beiden Büchern vergebens, wobei der beim Regelwerk wegen des geringen Umfangs nicht notwendig ist, und beim Ingame-Konzept des Feldhandbuchs fehl am Platze wäre.
Fazit
I Am Zombie überzeugt auf der ganzen Linie. Mit dem Axiom-System ist ein angenehm einfaches und flexibles Regelwerk gelungen, das man sich in kurzer Zeit aneignen kann. Alle Regel-Axiome sind optional, und somit kann jede Spielrunde für sich selber festlegen, wie komplex es letztendlich werden soll. Als Spielfigur kann quasi alles generiert werden, was auf der Welt denkbar ist. Die Gestaltung der alternativen Realität ist in sich stimmig und bietet ebenfalls genügend Raum für eigene Aspekte. Das Feldhandbuch liefert sowohl eine Beschreibung als auch ein Stimmungsbild des Settings in origineller Ingame-Gestaltung.
Die dadurch entstehende ungewohnte Handhabung des Werkes (stellenweise seitliches Lesen, schwer lesbares Schriftbild) stört hierbei nicht. Das vollfarbige, intensive Artwork des gesamten Materials passt perfekt zur Thematik und trägt stark zur Atmosphäre am Spieltisch bei. Für die PDF-Ausgabe ist daher ein Farbdruck sehr empfehlenswert, um keine Einbußen beim Flair und der Spielbarkeit zu haben.
Dieser Ersteindruck basiert auf dem Lesen des Spielmaterials sowie einem Oneshot. Ein ausführlicher Spieltest ist nicht vorgesehen.
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Die Zombieapokalypse ist ein bekanntes Weltuntergangsszenario. Aber was wäre, wenn es Zombies in der Menschheitsgeschichte als Parallelgesellschaft schon lange gäbe? Was wäre, wenn sie nicht so hirn- und verstandslos wären, wie sie sonst oft inszeniert werden? Egal ob kurzweilige Untoten-Satire oder knallharter Survival-Horror – alles ist möglich bei I Am Zombie.
Mark Rein-Hagen hat in den 90ern mit Vampire: Die Maskerade die Rollenspielwelt um ein fantastisches Spiel erweitert. Mit seinem neuen RPG ist er dem Prinzip der Parallelgesellschaft treu geblieben, allerdings geht es diesmal nicht um Blutsauger, sondern um die so genannten Toxischen: Denkende und intelligente Halbtote bilden eigene Gesellschaften in der Welt der Atmer, wie die Menschen ohne die Infektion genannt werden. Die Spieler schlüpfen in die Rolle eines Atmers oder Toxischen und erleben, wie der Alltag ihrer Spielfigur auf den Kopf gestellt und zu etwas Besonderem wird: einem Abenteuer.
Die Spielwelt
Um in die Spielwelt, oder besser gesagt alternative Realität, einzutauchen, greift man am besten zum I Am Zombie-Feldhandbuch. Zur Betonung des Realitätsbezugs ist der 290 Seiten umfassende Band komplett ingame gehalten – und das mit einer bemerkenswerten Konsequenz von der ersten bis zur letzten Seite. Mit den Worten „Manifest der Wiederauferstandenen. All die toxische Wahrheit, die du brauchst, und mehr …“ wird man auf Seite 3 auf den Inhalt eingestimmt. Kann man sich noch auf Seite 5 an eine Inhaltsangabe mit Seitenzahlen als kleine Normalität im Aufbau klammern, ist es spätestens danach vorbei. Schon nach diesen ersten 5 Seiten wird dem Leser auch rein optisch klar, dass er hier keine gewöhnliche Weltenbeschreibung in den Händen hält.
Schriftarten wechseln laufend, Textstücke wirken wie eingeklebt, stehen auf dem Kopf oder sind seitlich zu lesen, blumige Erlebnisberichte wechseln sich mit klaren Lebens- und Handlungsanweisungen an einen Toxischen ab. Unterbrochen beziehungsweise ergänzt wird dies durch unzählige Bilder, die einen schaurig-schönen Stimmungseindruck vermitteln. Um der originellen Machart des Werkes gerecht zu werden, und ein Gefühl für die Welt zu vermitteln, gibt es im Folgenden anhand des Inhaltsverzeichnisses eine ingame-gehaltene Beschreibung der Kapitel:
Prolog: Willkommen in der Welt der Halbtoten
Hier wird dir erst mal erklärt, was eigentlich los ist. Geißel, Odium, Purgis, das wird für dich jetzt sehr wichtig werden. Nein, du bist nicht tot, du lebst noch. Ok, dein Leben, so wie du es kennst, ist futsch, aber es geht weiter. Wirklich! Hey, willkommen auf der Party!
HIIIRN: Tox-Sprache & Tipps vom berüchtigten Tox-Zine
Ersten Schock überwunden? Gut. Also, es gibt schon ein paar Dinge zu beachten. Das Toxi-Überlebenskit wird deine erste Einkaufsliste, ok? Dann musst du lernen, wie wir sprechen. Die Begriffe müssen sitzen, sonst kommst du nicht mit. Aber das lernst du schnell. Skag? Zombie ohne Bewusstsein. Odium? Das Gift der Infektion in uns. Purgis? Monatliches Ritual, um das verdammte Odium wieder loszuwerden. Siehst du, ist alles gar nicht schwer.
Purgatory Press: Wer wir sind (& warum dich das interessiert)
Da gibt es Leute, die sich die Mühe machen, das alles zu publizieren, also lies es durch!
Toxische Welt: Orte, die du kennen (und meiden) musst
Hier findest du erst mal eine Weltkarte mit Hinweisen zu vielen Orten und Ländern. Ich empfehle dringend, dir wirklich alles gut anzuschauen. Wenn es dich irgendwo hin verschlägt, und du hast nur das von deinem Heimatstädtchen durchgelesen, dann komm mir hinterher nicht angeheult, weil es Ärger gegeben hat.
Politik: Warum nichts jemals so einfach ist
Gut, das ist jetzt kompliziert. Aber hey, wir sind nur die Toxischen, wir haben die Welt nicht gemacht! Ein paar der bekannten Fehden werden aufgezählt, halte dich da einfach raus, ja?
Erreger: Die Gesuchten der Seuchengeborenen
Jeder Toxische trägt eine Version der Geißel in sich. Ja, du auch. Eine Mischung der acht Hauptstämme. Außerdem stehen hier die Gesuchten der Seuchengeborenen. Die sind krass, ernsthaft.
Toxische Unterschlüpfe: Kenne das Territorium
Jetzt wird’s sehr wichtig. Du musst wissen, wohin du gehen kannst, ok? Nein, dein kleines Einfamilienhaus ist nicht mehr geeignet. Hier erfährst du, wo du unterkommst, wenn du zu sehr faulst (Odium), oder wenn du was brauchst. Ein Z-Markt (toxisches Geschäft), Hautstube (Tattooladen, nicht nur Bilder, sondern auch „Mods für den Bod“) oder ein Absacker (eine toxische Spelunke; es ist total genial, wenn sich da mal ein Atmer reinverirrt. Musst du erlebt haben.).
Hospiz: Heim ist, wo der Teufel ist
Merk dir gleich: Es ist eine Ehre, in ein Hospiz eingeladen zu werden. Wenn du gern dauerhaft wie ein Wilder in schäbigen Unterkünften leben willst, meinetwegen, aber wenn sie dich dauerhaft aufnehmen, sag Ja! Das Hospiz ist dein neues home sweet home. Hier kannst du arbeiten, leben, Spaß haben, und zur Purgis gibt’s eine fette Party. Jeden. Verdammten. Monat. BÄM!
Höllenlöcher: Verdammte Orte, die wir einst Heim nannten
Der Titel sagt es schon: Alte Hospize, wir waren da mal, und sind es jetzt nicht mehr. Von wegen „unterirdische Atomtests“ … Ziemlicher Scheiß. Weil da aber noch haufenweise Zeug zu finden ist, gehen immer wieder welche von uns da hin. Ist halt saugefährlich. Der Utukku dieser Hospize ist da nicht mehr ganz so gut drauf, um es mal vorsichtig auszudrücken.
Der Umfang der Spielsets
Utukku: Die Uralten, die wir lieben
Eigentlich ist es ganz einfach: Keine Utukku, kein Hospiz. In jedem Hospiz lebt gaaaanz unten eine dieser grotesken, riesigen Kreaturen. Sie sind real. Sie sind Götter! Knie nieder vor dem Loch, in das sie das destillierte Sekret bei der Purgis hineinkippen. Tu es einfach.
Kartelle: Die Gesuchten der herrschenden Klasse
Innerhalb unserer Gesellschaft sind Kartelle Geheimbünde und Cliquen, und da gibt es einige davon. Die sind gut organisiert, wetteifernd und sehr besitzergreifend. Überleg dir zweimal, ob du da reingeraten willst.
Toxisch sein: Das Virus & seine Übertragung
Du bist einer von Zehntausend! Die meisten, die sich infizieren, werden zum Skag. Mach dir das nochmal klar.
Die Geißel: Was sie will & wie sie dich betrifft
Die Geißel wird deine innere Stimme, sie ist eine in dir sitzende Persönlichkeit. Sie erschafft uns Toxische. Höre auf sie. Achte sie. Werde dein Odium los, aber verursache bloß keine Ausbrüche! Das gibt Ärger mit Bleach.
Die schlurfenden Toten: Skags, Sklavenmärkte & Hüte
Einer von Zehntausend? Dann gibt es doch verdammt viele Skags, wirst du dich fragen. Richtig, und was man mit ihnen machen kann, erfährst du hier.
Epos des Amirani: Unsere Geschichte & der Kanon, nach welchem wir leben
Ab in die Vergangenheit. Hier lernst du alles über unseren sagenumwobenen Vorfahren Amirani, den Epos und die uralten Gesetze der Paxilla.
Purgis: Wir alle erleben diese Zeit im Monat
Na schön, Purgis ist nicht nur Party. Wir müssen das machen, um Odium loszuwerden. Und da geht man nicht einfach hin und pisst irgendwo in eine Ecke, da gibt’s einen genauen Ablauf. Das Torkeln, die große Klage, die Aphosis und natürlich die große Reinigung, um nur einige Punkte zu nennen. Aber dann ist Party angesagt.
Banden: Die Gesuchten der arbeitenden Klasse
Wir Toxische nennen unsere Berufe Banden, die unserer Gesellschaft von Nutzen sind. Schau dir alles in Ruhe an, und dann mach dich nützlich. Du willst doch weiterhin Geld verdienen, oder? Manche Leute haben Mist gebaut, also gibt’s eine Gesuchten-Liste. Ob du Jagd auf die machen willst, überlasse ich dir.
Gefahren & Bedrohungen: Bleach, die Inquisition & Leben unter Überwachung
So, und jetzt kommen die echten Arschlöcher: Bleach. Denen ist die Nuuk-Übereinkunft wurscht, die jagen uns trotzdem (ja, das ist Diskriminierung). Halt einfach deinen Kopf unten. Bleib anständig. Sie sind überall. Ein Freund hat das gut zusammengefasst: „Lächeln, in Bewegung bleiben und so tun, als würde man noch atmen.“
Vektoren: Die besonderen Fähigkeiten, die du hast oder begehrst
Yeah, das ist das Geile am Toxischen: Vektoren. Das sind die einzigartigen paranormalen Fähigkeiten, die uns der Amirani-Virus nutzen lässt. Das ist der Hammer, ehrlich, und wenn du das gelesen hast, wirst du diabolisch schmunzeln. Gib es ruhig zu! Du lächelst ja jetzt schon.
Die Regeln: Alles Kann, nichts Muss
Die bei I Am Zombie verwendete Rollenspiel-Engine wird Axiom-System genannt. Dabei handelt es sich um eine Aufzählung von Regelaspekten, die in beliebiger Weise kombiniert und verwendet werden können. Gleich das erste Axiom macht deutlich, wie dieses System zu verwenden ist: „# 1. Goldenes Axiom: Das Spiel gehört den Spielern.“ Jede Spielrunde wird explizit dazu aufgerufen, die Axiome kreativ in jeder erdenklichen Weise zu verwenden: „Unterbreche niemals das Spiel, um etwas nachzuschlagen – denk es dir einfach aus.“ Somit kann man sich die restlichen 25 Axiome ganz entspannt durchlesen und prüfen, was man ansprechend findet. Es ist streng genommen sogar möglich, sich nur anhand des Spielmaterials inspirieren zu lassen und keinem Axiom zu folgen.
Im Folgenden möchte ich anhand von einigen wenigen Axiomen eine Basisversion des Spieles vorstellen.
2. Axiom: Charaktererschaffung
„Nimm einfach 5 Karten“ lautet hier die Anweisung – und es ist tatsächlich so einfach. Entweder per Zufall oder nach Wahl, nimmt sich jeder Spieler fünf Spielkarten aus dem Deck für Atmer (oder aus dem Deck für Toxische, wenn man als Toxischer bereits starten will) und definiert anhand der Bilder und Texte seine Spielfigur. Jede Karte ist im Grunde genommen ein Archetyp, zum Beispiel Türsteher, Sanitäter oder gesetzloser Biker. Die dadurch entstehende Vielfalt an spielbaren Figuren ist enorm. Im mitgelieferten Charaktertagebuch können die Spielfiguren dann zum einen noch genauer definiert und zum anderen fest notiert werden, um das Kampagnenspiel zu ermöglichen.
5. Axiom: Geisteshaltung
Aus den anfangs fünf Karten werden drei Stapel gebildet. In jedem Stapel muss mindestens eine Karte liegen, mehrere Karten in den Stapeln werden überlappend platziert, sodass die oben aufgeführten Fertigkeiten noch lesbar sind. Die drei Stapel stellen die Geisteshaltung dar und werden mit Fokus, Instinkt und Leugnung benannt. Eine willentliche Handlung führt man mit Karten aus dem Fokus-Stapel aus, wird man überrascht, kommt der Instinkt-Stapel zum Einsatz. Wenn die Figur unter schwerem geistigem oder sozialem Druck steht, steht nur noch der Leugnen-Stapel zur Verfügung.
I Am Zombie ist ein zug- beziehungsweise szenenbasiertes Rollenspiel. Nach jeder Szene dürfen die Spieler ihre Karten neu ordnen, um sich beispielsweise auf einen Kampf vorzubereiten (wenn dieser planbar ist).
6. Axiom: Würfeln
Es werden sechsseitige Würfel verwendet, wenn eine der fünf Eigenschaften (geistig, sozial, körperlich, Gewalt, Geißel) geprüft werden soll. Den Eigenschaften sind Farben zugeordnet, beispielsweise Grün für sozial, und im Falle einer Probe zählt der Spieler seine ID-Karten mit der passenden Farbe (im passenden Stapel, siehe Axiom # 5), und nimmt sich diese Anzahl an Würfeln sowie drei Bonuswürfel. Der Spielleiter legt nun den Schwierigkeitswert der Probe fest (standardmäßig 9), den der Spieler bei seinem Wurf mindestens erreichen muss. Bei seinem Wurf darf der Spieler jedoch die Werte 5 und 6 nicht hinzuaddieren, sie stehen für Hunger (5) und Hirn (6). Wird das Würfelset aus der Spielbox verwendet, sind die Zahlen durch die passenden Symbole ersetzt. Für jedes Hunger-Symbol muss sich der Spieler einen Hungermarker nehmen, für jedes Hirn einen Hirnmarker.
Ein Hunger-Symbol hebt einen so genannten Schub, einen Probenerfolg, auf, und sollte mit soeben erwürfeltem Hirn oder mit Hirn aus dem Vorrat negiert werden. Für passende Fähigkeiten auf den Karten (# 25. Axiom: Fertigkeiten), zum Beispiel Handgemenge in einer Auseinandersetzung, kann der Spieler eine beliebige Anzahl Würfel neu werfen. Wird letztendlich der Schwierigkeitswert der Probe erreicht, ist sie bestanden. Wird der Wert sogar doppelt oder dreifach erreicht, verstärkt sich der Erfolg entsprechend.
15. Axiom: Schaden
Erleidet ein Charakter Schaden, muss er eine seiner ausliegenden Karten aus einem beliebigen Stapel auf die kalte Seite umdrehen. Ist er noch nicht toxisch, stellt dies eine reguläre Wunde dar. Ist er jedoch ein Toxischer, heilt die erlittene Wunde zwar schneller, aber dafür sammelt sich Odium im Körper: Er verfällt zusehends. Die Porträts auf den Karten zeigen sehr gelungen, wie diese Wandlung aussehen könnte.
Wie man sich heilen kann, wird in Axiom # 16 erklärt, auch der Stufenanstieg (# 18. Axiom: Erfahrung) ist denkbar einfach: Erhalte eine neue Karte. Mehr Karten bedeuten mehr Fähigkeiten und mehr Farben für die Eigenschaftsproben. Weiterhin werden Axiome für Initiative, Action-Szenen, Bewegung, Schergen & Bosse und noch einige mehr geliefert. I Am Zombie begünstigt jedoch überwiegend das erzählerische, darstellende Rollenspiel. Insbesondere das # 22. Axiom: Anstoß-Chips macht das deutlich. Hirn- und Hungermarker haben einen unterschiedlichen, kurz gehaltenen Text auf der Rückseite. Bei Hirn ist es tendenziell etwas Gutes („Wetteifernd: Du willst sie nicht gewinnen lassen! Was hat dich so angestachelt?“, „Aggressiv: Immer im Angriff. Wer ist das Ziel deines Zorns und warum?“, „Fasziniert: Etwas Magisches oder Interessantes fängt deinen Blick. Was ist es?“), und kann helfen, eine Situation zu meistern oder an einer Stelle in der Story weiterzukommen.
Hunger wird sich negativ auswirken („Feige: Du hast Angst, sogar Panik. Du willst wirklich weglaufen. Warum?“, „Neidisch: Du willst das, was ein anderer hat. Wo kommt der Neid her?“, „Verrat: Täuschung und Tücke. Warum musst du sie jetzt betrügen?“), aber auf diese Weise ist man dann nach der Abhandlung der beschriebenen Konsequenz den Hungermarker los.
Letztendlich dienen diese Impulse dazu, die Interaktion zu erhöhen, den Verlauf der Geschichte zu beeinflussen und interessante, dramatische oder coole Szenen zu erzeugen.
Erscheinungsbild
Das gesamte Material ist „vollfarbig“, wobei dieser Begriff hier fast zu schwach wirkt. Es wurde aus den Vollen geschöpft, und die daraus entstandene bunte und schrille Präsentation des Inhalts passt ausgezeichnet. Das Axiom-Regelheft ist mit 32 Seiten angenehm übersichtlich, wohingegen das Feldhandbuch mit stolzen 290 Seiten ein umfangreiches Werk ist. Das Charaktertagebuch bietet auf 77 Seiten genügend Raum, um Spielfiguren und Charaktergruppen zu verewigen.
Das Layout im Regelwerk ist funktionell und übersichtlich gehalten, die verwendeten Farben stützen den Inhalt und die Verständlichkeit. Beim Feldhandbuch wird das Ingame-Konzept nicht nur in Wort, sondern auch in der Gestaltung konsequent und gelungen umgesetzt. Die Lesbarkeit mancher Stellen mag ein wenig darunter leiden, aber da es zum Gesamterscheinungsbild passt, ist das nicht störend.
Wer sich das Spiel als PDF-Bundle besorgt, sollte unbedingt auf einen Farbausdruck Wert legen. Bei den Büchern sind farblose Ausdrucke akzeptabel, die Spielkarten können in schwarz/weiß jedoch eigentlich nicht verwendet werden, da über die Hintergrundfarbe die fünf Eigenschaften definiert werden. Hier ist übrigens Bastelarbeit gefragt, denn die Karten haben eine Vorder- und Rückseite mit Spielinhalten (Vorderseite = gesund, warm; Rückseite = verletzt/Odium, kalt), gleiches gilt für die Hirn- und Hungermarker.
Die Qualität der Illustrationen im Feldhandbuch wie auch auf den Karten ist ausgezeichnet, sie stützen den Bezug zu der alternativen Realität. Einen Index sucht man in beiden Büchern vergebens, wobei der beim Regelwerk wegen des geringen Umfangs nicht notwendig ist, und beim Ingame-Konzept des Feldhandbuchs fehl am Platze wäre.
Fazit
I Am Zombie überzeugt auf der ganzen Linie. Mit dem Axiom-System ist ein angenehm einfaches und flexibles Regelwerk gelungen, das man sich in kurzer Zeit aneignen kann. Alle Regel-Axiome sind optional, und somit kann jede Spielrunde für sich selber festlegen, wie komplex es letztendlich werden soll. Als Spielfigur kann quasi alles generiert werden, was auf der Welt denkbar ist. Die Gestaltung der alternativen Realität ist in sich stimmig und bietet ebenfalls genügend Raum für eigene Aspekte. Das Feldhandbuch liefert sowohl eine Beschreibung als auch ein Stimmungsbild des Settings in origineller Ingame-Gestaltung.
Die dadurch entstehende ungewohnte Handhabung des Werkes (stellenweise seitliches Lesen, schwer lesbares Schriftbild) stört hierbei nicht. Das vollfarbige, intensive Artwork des gesamten Materials passt perfekt zur Thematik und trägt stark zur Atmosphäre am Spieltisch bei. Für die PDF-Ausgabe ist daher ein Farbdruck sehr empfehlenswert, um keine Einbußen beim Flair und der Spielbarkeit zu haben.
Dieser Ersteindruck basiert auf dem Lesen des Spielmaterials sowie einem Oneshot. Ein ausführlicher Spieltest ist nicht vorgesehen.
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I love this french-german accent, quite funny listening to it as a german.
Unfortunately, the content is nothing more than a fight scene with disgusting noises in the background. A small hint of what it is all about would be interesting for listeners who do not know the game.
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www.teilzeithelden.de
Geflügelte Ungeheuer entführen brave Bauern und die Orks lauern auch noch an der nächsten Ecke? Das klingt nach einem simplen Auftrag für gestandene Helden, aber auch nach gewohnter Abenteuerkost – doch dann stoßen die Helden auf die uralten Zeichen der Macht!
Nachdem die Theaterritter-Kampagne in ganzen sechs Teilen das Bornland umkrempeln durfte, genügen dem nächsten Mehrteiler zwei Bände. Die kurze Donnerwacht-Kampagne beginnt mit Zeichen der Macht, einem Abenteuer für erfahrene Helden, die einem Ausflug in die Wildnis und der Erforschung uralter Geheimnisse nicht abgeneigt sind. Ob dieser Ausflug Spaß macht, und genauso viel Staub wie die Erben der Theaterritter aufwirbelt, erfahrt ihr in den folgenden Zeilen.
Inhalt
Das Abenteuer beginnt in der Donnermark. Das klingt direkt nach den drei R: Räuber, Ritter, Rondra, und trifft den Nagel auch auf den Kopf. Das Land rund um die Feste Greyfenstein zwischen Thasch und Finsterkamm wurde erst vor einigen Jahren von tapferen Rondrianern und Rittern aus Weiden erobert. Zuvor herrschten die schwarzpelzigen Orks über den Landstrich und sind immer noch nicht ganz vertrieben. Dennoch wagen sich mutige Ritter und Siedler auf der Suche nach ihrem Glück in die Donnermark, haben in der Folge aber natürlich mit den üblichen Widrigkeiten in Form von Orküberfällen, der ungezähmten Wildnis und Schrecken aus der Vergangenheit zu kämpfen.
Erfahrene Rollenspieler mögen da mit der Schulter zucken, und in Erwartung eines simpel gestrickten Abenteuers schon einmal zur Anti-Ork-Keule greifen, doch der erste Eindruck täuscht. Die Handlung wartet mit einigen Überraschungen und hochelfischen Hinterlassenschaften auf, weswegen ich die restliche Inhaltsangabe in einen Spoilerkasten packe.
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Das Abenteuer beginnt natürlich lange bevor die Helden die Bühne betreten. Und zwar vor einigen Jahrtausenden, als die Hochelfen noch in der Donnermark das Sagen hatten. Die Hochelfe Caseya merkte damals schon, dass das mit den Orks als Nachbarn nicht lange gut gehen wird und schmiedete deshalb ein magisches Bündnis mit dem Riesen Gorwindor, der heute als Neunfinger bekannt ist. Der Riese stand seitdem auf Abruf bereit und half den Mitgliedern des Bundes, wann immer sie in Schwierigkeiten gerieten. Das war natürlich ein kluger Schachzug der Hochelfe, wirft aber auch die Frage auf, ob „Verbündeter“ und „magisch gesteuerter Sklave“ in der alten elfischen Sprache die gleiche Bedeutung hatten.
Dummerweise geriet Caseya einige Jahrzehnte später mit Pardona aneinander. Diese von einem Drachen erschaffene und vom Namenlosen verdorbene Elfe hat schon sehr viele Leben verkompliziert. Caseya aber muss Pardona besonders geärgert haben, denn die Hochelfe wurde von der Intrigantin nach jahrelanger Folter in eine besonders langlebige Harpyie verwandelt, die inzwischen auf den Namen Cassiera hört.
Richtig, die alte Hochelfen-Harpyie lebt immer noch, ist selbsternannte Königin eines Schwarms Harpyien geworden und hat sich in der Nähe des donnermärkischen Dorf Finstertrutz niedergelassen. Leider wird sie von einigen Erinnerungslücken geplagt und weiß nicht mehr so richtig, was sie mit den Hinweisen auf das alte Bündnis, die immer noch in ihrem Keller rumliegen, anfangen soll. Auch die Bauern, die sie hat entführen lassen, und wegen denen die Helden überhaupt erst mit ihr zusammenstoßen, können ihr bei der Lösung des Rätsels nicht helfen. Also müssen die Helden ran, und Cassiera bei ihrem Problem helfen, wofür sie im Gegenzug die Siedler gehen lässt.
Es könnte also eine ruhige Suche nach hochelfischen Hinterlassenschaften werden. Dummerweise hat ein Ork-Schamane auch von dem Knebelvertrag, Verzeihung – Bündnis, mit dem Riesen gehört, und würde ihn auch gerne kontrollieren, weswegen die Helden sich auch noch gegen die Schwarzpelze wehren müssen. Als wäre das nicht genug, bekommt eine gutaussehende Schwarzmagierin Wind von der Sache und hätte gegen einen Riesen als Diener, Verzeihung – Verbündeten, nichts einzuwenden.
So kommt es zunächst zu einem Wettrennen zum Ritualplatz und schließlich zu einem zugegebenermaßen ziemlich coolen Showdown zwischen den Helden, Orks und der Magierin, bei dem auch Cassiera mitmischt. Einige Meisterpersonen, und im Idealfall auch mindestens einer der Helden, werden zu den neuen Bündnisträgern, und können in Zukunft vom Ritualplatz aus den Riesen Neunfinger rufen. Das soll in zukünftigen Publikationen – also im zweiten Teil der Kampagne, vermute ich mal – wieder aufgegriffen werden.
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Spoilerfrei sei noch gesagt, dass es einen angenehmen Wechsel von der Wildnis in die Stadt gibt, wodurch sich sowohl naturverbundene, als auch gesellschaftstaugliche Helden in das Abenteuer einbringen können. Außerdem gibt es einige knackige Kämpfe, weswegen auch zwei bis drei kampferfahrene Recken in der Gruppe sein sollten.
Erscheinungsbild
Dass hier ein paar Charakterporträts nicht ganz so gut geraten sind, und teilweise etwas hölzern wirken, werde ich hier nicht ankreiden. Die Illustrationen sind sehr gut, gerade so manches Detail, wie der kleine Geländeplan für das Finale des Abenteuers, ist hier besonders hervorzuheben. Außerdem ist es gut strukturiert, wodurch die komplexe Handlung durch den Spielleiter besser erfasst werden kann. Gut platzierte Infokästen helfen bei der Orientierung in Vergangenheit und Gegenwart weiter, ohne die Lesbarkeit einzuschränken.
Fazit
Zusammenfassend kann man sagen, dass Zeichen der Macht ein Abenteuer ist, dessen Handlung zwar nach einem ziemlich konservativen Schema abläuft, dafür aber einige außergewöhnliche Inhalte vorweisen kann. Diese dürften bei manchen Spielern zwar leichtes Kopfschütteln auslösen, passen aber meiner Meinung nach noch zu Aventurien. In diesem Punkt reiht es sich bei anderen Abenteuern wie Erben des Zorns oder Das Blaue Buch ein, deren Handlung durch zunächst verquer wirkende Verbindungen in die aventurische Vergangenheit und uralte, fast zu mächtig scheinende Artefakte, Flüche oder Zauber ausgelöst wird. Wer seine Version der Spielwelt etwas geerdeter mag, der muss entweder viel anpassen oder lässt gleich die Finger von diesem Abenteuer. Wer sich aber darauf einlassen kann, dass eine hochelfische Hinterlassenschaft wahrscheinlich ganz naturgemäß den ausbalancierten Heldenalttag durcheinander wirbeln wird, der kann ohne Bedenken zugreifen.
Was sagt das jetzt über die Qualität von Zeichen der Macht? Nun, es wirkt trotz der turbulenten Handlung gut strukturiert und durch seinen detaillierten Aufbau fast wie ein Einsteigerabenteuer. Wer also neu bei DSA 5 ist, aber lieber direkt mit ein paar erfahrenen Helden loslegen möchte, der bekommt hier viele Hilfen in die Hand gelegt. Diese Zielgruppe kann gerne noch einen Punkt drauflegen, wer sich an der Handlung und der geringen Entscheidungsfreiheit stört, sollte einen abziehen.
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http://www.teilzeithelden.de
Was passiert, wenn man Konzepte von White Wolfs World of Darkness mit einem humorigen Superschurkenspiel mischt? Wenn Superschurken von Dämonen gepeinigte Seelen sind, die nach Macht und Menschlichkeit streben? Und was, wenn diese Dämonen auch noch von dem Spieler neben einem dargestellt werden?
Greg Stolze ist für Spieler der World of Darkness absolut kein unbeschriebenes Blatt. Er schrieb einige wichtige Quellenbücher für Vampire: The Requiem und Demon: The Fallen und verfasste auch einige Romane, die in White Wolfs düsteren urbanen Schattenwelten angesiedelt sind. Aber Stolze ist ein umtriebiger Geist, und so machte er sich daran, einige seiner Erfahrungen mit einem abenteuerlichen neuen Setting zu verknüpfen. Dabei lässt er die Dunkelheit hinter sich und präsentiert ein Szenario, das mehr an Kick-Ass erinnert als an Vampire.
Die Spielwelt
Wir befinden uns in einer knallig-bunten Variante unserer Welt, mit Superhelden und Superschurken, die sich zwischen Hochhäuserschluchten erbitterte Gefechte liefern. Dabei sind die Schurken sogenannte „Hellbound“, also von Dämonen mit unglaublichen Kräften ausgestattet und zum Bösen verführt. Sie kämpfen also nicht nur gegen die Helden, sondern auch gegen die Monster, die drohen, ihre Seele in die Hölle zu reissen. Zudem haben die Engel auch noch ihre eigene Agenda in der Welt und stellen sich den Spielercharakteren in den Weg. Es geht also um nicht mehr und nicht weniger als den schonungslosen Kampf des Guten gegen das absolute Böse. Und Böse heißt hier Superböse. Die Schurken lobpreisen ihre genialen, teuflischen Pläne und lachen ihr diabolisches Lachen, wie es sich sonst nur in völlig überzeichneten Comicwelten wie denen von Mark Millar vorkommt.
Und auch die Helden sind nicht ohne. Da ist der Pflasterer, der mit seiner Planiermaschine alles platt walzt, der mysteriöse Page, der zwischen den Türen jedes Verbechensschauplatzes auftaucht und viele andere skurrile Gestalten und schräge Vögel. Stolzes Spielwelt nimmt sich absolut nicht ernst. Sie ist die Nische in der Nische in der Nische. Kein Superheldenspiel, sondern eine Superschurkenspiel, noch dazu mit Dämonen und Engeln, das zudem auch noch auf Humor und Karikatur setzt – das ist harter Tobak und absolut trashig. Es braucht eine sehr spezielle Spielerschaft, um sich auf dieses absolut verrückte Spielabenteuer einzulassen.
Die Regeln
Der Trashfaktor wird durch das spielerische und regeltechnische Konzept des Spiels unterstützt. Zunächst weist der Charakterbogen eine gewisse Ähnlichkeit zu Demon: The Fallen auf. Da sind der brennende Schriftzug und die sehr charakteristischen Kreise, die jeder WoD-Spieler vom Ausfüllen seiner Attributpunkte kennt. Und tatsächlich funktioniert das Regelsystem sehr ähnlich wie das der WoD. Die Punkte in jedem Attribut stehen für eine Anzahl von Würfeln, die dem Spieler zur Verfügung stehen. Mit diesen zehnseitigen Würfeln wird gegen Zielzahlen gewürfelt, die es zu erreichen gilt. Das System ist also bekannt, es ist simpel und hat sich in der Vergangenheit bewährt.
Doch wer genau hinschaut, der erkennt eine Besonderheit: Die Attribute, hier „Strategies“ genannt, sind unterteilt in drei Kategorien und jeder der Kategorien gehören jeweils zwei untergeordnete Attributpaare, hier „Tactics“ genannt, an. Dabei kommen diese Attribute jeweils in Paaren. Einem negativen, diabolischen Wert, steht ein tugendhafter Wert entgegen. So wiegen sich Geiz und Großzügigkeit, Spionage und Wissen, Grausamkeit und Mut, Feigheit und Ausdauer, Korruption und Sorge, Täuschung und Ehrlichkeit jeweils gegenseitig auf. Natürlich ist es gut, diese Werte weitestgehend im Gleichgewicht zu halten, aber das ist nahezu unmöglich. Werte können im Lauf des Spieles steigen, sinken oder rutschen.
Das Rutschen ist ein großartiges Konzept, um den ständigen Kampf um Balance in den Charakteren auszudrücken. Wird ein Charakter zum Beispiel verletzt, sinkt sein Mutwert. Gleichzeitig aber steigt sein Wert in Grausamkeit entsprechend an. Das Böse hält den Charakter fester in seinem unnachgiebigen Griff. Sehr schön!
Jedem Charakter steht eine große Liste an dämonischen Kräften, teuflischen Waffen und teuflischen Aspekten zur Verfügung. Kräfte werden durch einen Wurf auf die entsprechende Strategie zuzüglich der passenden Taktik aktiviert. Einfach, simpel und schnell. Genau so muss ein Spiel mit diesem Konzept funktionieren.
Das mutigste Element, dass Stolze aus der WoD importiert hat, ist das Element des Dämons. Denn jeder Spielercharakter hat so einen bösen kleinen Gefährten in sich, der ihn lockt, verführt und manipuliert, ihm Versprechungen macht, mit Kräften versorgt…und fallen lässt, wenn es ihm passt. Dieser Dämon wird, ähnlich wie erfahrene Spieler es von Wraith: The Oblivion kennen, von einem Mitspieler gespielt.
Das kann zu großartigen Spielsituationen führen. Meine Erfahrungen mit Wraith zeigen allerdings, dass das nur mit sehr wenigen Spielern funktioniert. Einige lieben es zu sehr, ihr Gegenüber durch den Dämon zu quälen und zu nerven. Andere entwickeln mehr Spaß an der Darstellung des Dämons als am eigenen Charakterspiel. Und einige sind in der Darstellung des Dämonen einfach zu überzeugend und lassen ihrem Menschen keine Chance. Es braucht also sehr erfahrene, sehr reife und tolerante Spieler, um eine solche Spielmechanik wirklich sinnvoll umzusetzen. Das nennt Stolze selbst „Sadismus light“. Damit wird das Spiel noch etwas mehr zum Nischenprodukt, wenn das noch möglich ist.
Charaktererschaffung
Die Charaktererschaffung erfolgt über ein Punktekaufsystem und ist sehr einfach gehalten. Sie weist allerdings eine sehr spannende Besonderheit auf, denn man kauft nicht nur eigene Charakteristika, Kräfte und Dämonenaspekte, sondern kauft diese auch für den Charakter, dessen Dämon man übernimmt. Der arme Spieler muss sich dann überlegen, wie es zu diesen Kräften gekommen ist.
Das geht natürlich mit einem diebischen Vergnügen einher, weil man seinem Gegenüber ja nicht nur Positives aussucht. Macht man sich aber bewusst, dass man ein kooperatives Rollenspiel spielt, haut man seinen Menschen auch nicht völlig in die Pfanne, sondern wählt auch einige wirklich coole Kräfte für ihn. Es macht Freude, den Gesichtsausdruck seines Menschen zu beobachten, wenn man ihm die Liste präsentiert. Gleichzeitig weiß man, dass ihm selbst das gleiche Vergnügen bei einem anderen Spieler bevorsteht. Die Charaktererschaffung dauert nicht lang, nach wenigen Minuten ist man fertig.
Spielbarkeit aus Spielleitersicht
Dem Spielleiter kann es sehr helfen, wenn er über einige Comic-Erfahrung verfügt, sich selbst nicht zu wichtig nimmt und die Charaktere in den Mittelpunkt der Abenteuerplanung setzt. Da das Setting im Grundbuch nicht sehr ausführlich besprochen wird, benötigt er eine ganze Menge Kreativität. Schnell wird er feststellen, dass es zwar sehr einfach ist, einen Superheldenfilm zu genießen, aber wesentlich schwerer, einen solchen zu erzählen, vor allem, wenn der Humor dazukommen soll. Und ohne diesen Humor funktioniert Better Angels einfach nicht.
Es hilft, wenn der Spielleiter die Spieler bei der Charaktererschaffung begleitet und die Geschehnisse aus den Motivationen ihrer Charaktere gestaltet. Denn die Motivationen von Schurken sind nun einmal schwerer zu greifen und zu lenken als die von Helden. Spielleiter in diesem System kann ein Knochenjob sein. Zumal man auch darauf achten muss, dass die Spieler mit ihren Menschen und Dämonen fair umgehen. Läuft das aber erst einmal und die Spieler haben einen Sinn für die Figuren entwickelt, kann Better Angels gerade durch die Interaktion zwischen Menschen und Dämonen zu einem Selbstläufer werden, bei dem man Tränen lachen kann.
Spielbarkeit aus Spielersicht
Better Angels zu spielen, ist für den Spieler eine sehr ungewöhnliche Spielerfahrung, vor allem, wenn er noch keine Erfahrungen mit Wraith: The Oblivion gesammelt hat. Die Abenteuer, die das Spiel bietet, sind spritzig und frisch. Der Spieler wird also gut unterhalten. Ein Problem entsteht für all die Spielertypen, die aus verschiedenen Gründen gern die volle Kontrolle über ihre Spielfigur behalten, denn diese verliert man durch das Konzept des mitspielergeführten Dämonen schon bei der Charaktererschaffung. Das ist die Hölle für alle Method Actor, denn Immersion ist nur noch schwer herzustellen. Der Spieler betrachtet das Geschehen immer wieder von der Meta-Ebene, da er ja nicht nur den eigenen Charakter, sondern auch einen Aspekt einer weiteren Spielfigur verkörpert. Der Min-Maxer, also der Spieler, der seine Punktevergabe gerne buchhalterisch plant, um eine möglichst leistungsfähige Figur zu erhalten, erfährt sein Armageddon dadurch, dass ein Mitspieler Teile seines Charakters punktet.
Es braucht also reife, erfahrene Spieler mit einem ganz klaren, partnerschaftlichen Spielansatz, um erfolgreich spielen zu können. Auf weitere Probleme in der Darstellung des Dämonen wurde oben bereits eingegangen. Der Spieler muss mit einer großen Fairness und einem Sinn für Humor ausgestattet sein, der es zulässt, auch schon einmal durch einen Mitspieler zum Affen gemacht zu werden. Gleichzeitig muss er leichte Frotzeleien ertragen können und nicht nachtragend sein.
Ist das gegeben, ist Better Angels ein tolles Spiel, dass dem Spieler einen großen Einfluss auf das Gesamtgeschehen überlässt. Über den Dämon lassen sich ganze Handlungslinien forcieren oder überhaupt erst eröffnen. Die Spielwelt sorgt für eine angenehme, stimmige Atmosphäre. Das Regelsystem erlaubt ein schnelles und reibungsloses Spiel.
Erscheinungsbild
Das PDF ist gut konzipiert und stimmig gestaltet. Durch das klare Inhaltsverzeichnis und das Glossar am Ende des Buches ist die Orientierung leicht. Für zusätzliche Übersicht sorgt ein Cheat Sheet, das noch einmal die wichtigsten Mechanismen am Ende des Buches zusammenfasst. Das Werk ist geziert von wunderbaren und stimmungsvollen Comic-Zeichnungen, die schon beim ersten Lesen ein klares und lebendiges Bild der anvisierten Spielatmosphäre vermitteln. Extrem ausführlich ist das Spielbeispiel geraten, das ebenfalls hilft, diese Atmosphäre zu verstehen.
Fazit
Greg Stolze hat die Nische in der Nische der Nischen belegt mit seinem Superschurken-Dämonen-Humor-Rollenspiel. Irgendwo zwischen Kick-Ass, Marvel und Demon: The Fallen angesiedelt, bietet dieses Spiel ein Setting, das spezieller kaum sein könnte. Doch damit nicht genug, benötigt es durch den Ansatz, dass jeweils ein Spieler den Dämonen spielt, der den Charakter eines anderen Spielers antreibt, einen sehr reifen, aber nicht zu sehr auf Immersion konzentrierten Spielertyp. Denn Immersion wird schwierig, da der Spieler sich immer auch ein wenig auf der Meta-Ebene bewegt.
Spieler, die sich auf dieses Wagnis einlassen, werden mit einem erfrischend spritzigen Spielerlebnis belohnt, dass sie sehr stark zu treibenden Faktoren des Spielgeschehens werden lässt. Spielleiter können sich auf eine neue Erfahrung in der Beobachtung der Spielerinteraktion gefasst machen. Sehr gelungen ist die Tatsache, dass durch das Rutschen von Strategies und Tactics die Spielmechaniken bereits das Thema Balance aufgreifen, das für das Spiel so bedeutsam ist. Better Angels ist ein höllischer Superhelden-Trip. Leider ist die Spielwelt im Grundbuch nur angerissen. Aber in weiteren Publikationen darf man sich auf einiges gefasst machen.
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http://www.teilzeithelden.de/2017/10/20/rezension-dsa5-unbezwingbare-wut-almada-im-rausch-ulisses-spiele/
Almada ist ein Land mit streitbaren Einwohnern und berühmt für zahllose Fehden. Da dürften ein paar blutige Schlägereien doch nichts Außergewöhnliches sein – oder? Es steckt wohl doch mehr hinter den Gewaltausbrüchen, als es zunächst den Anschein hat. Was ist der Grund für die Unbezwingbare Wut?
Langsam aber sicher füllt sich das DSA5-Portfolio mit Spielhilfen und Abenteuern. Die erste größere Kampagne um das Bornland und die Geheimnisse der Theaterritter ist vorbei, der erste Band des Zweiteilers Zeichen der Macht ist gerade erschienen. Dazwischen ist mit Unbezwingbare Wut ein etwas unscheinbares Abenteuer herausgekommen, das sich Almada und seinen Geheimnissen aus dunkleren Zeiten widmet. Was es zu bieten hat, das erfahrt ihr in den folgenden Zeilen.
Inhalt
Das Abenteuer beginnt in Al'Muktur, einer Festungsstadt in der mittelreichischen Provinz Almada. Da in der Regeledition bisher keine Spielhilfe für diese Region vorliegt, widmen sich die ersten drei Seiten dem Land am Yaquir, das an das spätmittelalterliche Spanien erinnert. Mit dabei ist ein kleines Glossar, damit der Leser auch weiß, was los ist, wenn mutige Caballeros die Docenyas vor den Novadis schützen wollen, die Nobleza des Landes aber in zahllosen Querellas versinkt.
Mit Querellas sind Fehden gemeint, Konflikte zwischen adligen Familien. Solchen Streit gibt es in Almada genug, doch zu Beginn des Abenteuers häufen sich in Al'Muktur blutige Handgreiflichkeiten, die scheinbar aus Nichtigkeiten entstehen.
Der Einstieg ins Abenteuer ist angenehm offen gehalten und es werden verschiedene Vorschläge gemacht, wer die Helden anwirbt oder wie sie alternativ ins Abenteuer hineinschlittern können. In jedem Fall sollen sie herausfinden, warum es in Al'Muktur tagtäglich zu mehreren brutalen Keilereien kommt. Natürlich schaffen sie das irgendwann, stoßen dabei aber auf ein Mysterium, das weitere Reisen notwendig macht. Im Laufe der Handlung erkunden die Helden Almada und erleben dabei so manche Abenteuer, die ich zur Sicherheit aber in einen Spoilerkasten packe.
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Hinter den ungewöhnlichen Wutausbrüchen steckt die Statue eines Stiers, die vor einiger Zeit in der Stadt Ragath erworben wurde. Um mehr über die Statue zu erfahren, reisen die Helden schließlich von Al'Muktur nach Ragath und beginnen Nachforschungen über den Ursprung der Statue anzustellen. Sie entstammt einem uralten Stierkult aus den Dunklen Zeiten, dessen Mitglieder auch noch im gegenwärtigen Almada hinter den Kulissen ihr Unwesen treiben. Unbemerkt von den Helden erfahren sie von deren Queste und erkennen, dass es sich bei der Statue in Al'Muktur um eine Hinterlassenschaft ihrer Vorgänger handelt und sich auf dem Sockel ein Schlüsselwort befinden muss, mit dem sie eines ihrer vergessenen Heiligtümer wiederfinden können.
Während die Helden also noch in Ragath nach Spuren suchen, wird der Kult aktiv und stiehlt die Statue aus der angeblich absolut sicheren Verwahrung in Al'Muktur. Nachdem die Helden vom Diebstahl erfahren haben, müssen sie sich auf eine Schnitzeljagd durch halb Almada begeben, in deren Verlauf sie Hinweise auf die Lage des Kultheiligtums erlangen können. Dabei haben sie ständig die Kultisten im Nacken oder hängen diesen einen Schritt hinterher. Schön ist es, dass die Autorin an mehrere Möglichkeiten gedacht hat und es somit dem Spielleiter einfach macht, den Verlauf der Reise und den Endkampf an die Erfolge oder Niederlagen seiner Gruppe anzupassen. Im Finale können die Helden schließlich, wenn sie wollen, ihrer eigenen Wut freien Lauf lassen und die Ketzer, die den Stiergott Ras'Ragh verehren, ihrer gerechten Strafe zuführen.
Das interessanteste Mitglied des Kultes ist übrigens eine gutmütige Geweihte der Erntegöttin Peraine, die insgeheim vom Glauben abgefallen ist und den kraftvollen Stier als Fruchtbarkeitsgott ihrer eigentlichen Herrin gegenüber als überlegen ansieht.
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Schön ist, dass das Abenteuer dem Spielleiter viele Möglichkeiten bietet, um die Handlung an die Aktionen der Spieler anzupassen. Einige Fixpunkte sind jedoch vorgegeben und müssen zwingend passieren, um weitere Entwicklungen zu ermöglichen.
Insgesamt bietet die Handlung für viele Heldentypen was: Gesellschaftlich veranlagte Charaktere können in den Städten glänzen, Naturburschen dürfen sich bei einem längeren Reiseabschnitt austoben und für Kämpfer gibt bei einem Abenteuer mit „Wut“ im Titel natürlich auch ordentlich was zu tun.
Ihre Gegenspieler sind zudem eine interessante Bande mit teils ganz unterschiedlichen Motivationen, was für einige spannende Wendungen sorgen kann. Zudem werden sie alle sehr anschaulich beschrieben, wodurch es dem Spielleiter gelingen sollte, eine bleibende Erinnerung an diese Figuren zu schaffen.
Was ich noch erwähnen möchte, sind die enthaltenen neuen Fokusregeln. Denn auch in diesem Abenteuer sind einige neue Regeln zu finden. Keine Sorge, es ist nichts Dramatisches, eigentlich sind es nur zweieinhalb Seiten mit Regeln zum Herumfragen und der Recherche in Bibliotheken. Aber müssen es gleich so ausführliche Regeln sein, die auf mögliche Besonderheiten eingehen, Modifikatoren auflisten und redundante Beispiele geben? Hätte nicht eine simple Beschreibung gereicht, wie sich die Rechercheprobe zusammensetzt und dass sie je nach Größe und Qualität der Bibliothek modifiziert werden kann? Dass das Ergebnis umso besser wird, je mehr QS durch diese Probe erreicht werden, sollte eigentlich jedem Spieler in Grundzügen klar sein. Ich muss zugeben, solche Regelblöcke irritieren mich jedes Mal, zumal bei Kritik oft eingewendet wird, diese Regeln seien ja meistens optional. Doch ich persönlich finde solche Regeln nicht völlig sinnlos, nur werden sie bei DSA5 meistens derart verkompliziert und ausufernd dargebracht, dass die Umsetzung am Spieltisch mit einem unverhältnismäßigen Aufwand in Vorbereitung und Durchführung verbunden ist.
Aber genug von diesem Exkurs und weiter mit Unbezwingbare Wut!
Erscheinungsbild
In Sachen Layout, Design und Illustrationen gibt es schon seit längerer Zeit nichts an DSA5-Veröffentlichungen auszusetzen. Alle Seiten sind farbig gestaltet, bei den Illustrationen gibt es so gut wie keine Ausfälle und eine übersichtliche Struktur hilft bei der Orientierung im Abenteuer. Die Zeichnungen fangen das almadanische Flair sehr schön ein und präsentieren wichtige Nebenfiguren angemessen. Da ich aber immer wieder gerne den einen kleinen Punkt zum Meckern suche, werde ich dieses Mal beim Einsatz der Archetypen aus dem Grundregelwerk, die als Akteure in den Illustrationen dargestellt sind, fündig. In fast jedem Bild, ja sogar auf dem Titelbild, tauchen Mitglieder dieser exemplarischen aventurischen Heldengruppe auf und schaden in meinen Augen ein kleines bisschen der Immersion. Aber das ist natürlich wieder mal meckern auf hohem Niveau und wirkt sich nicht negativ auf meinen Gesamteindruck aus.
Fazit
Unbezwingbare Wut ist ein solides und abwechslungsreiches Abenteuer geworden. Gerade vor dem Hintergrund, dass es hier einmal mehr um einen mysteriösen Fluch aus alter Zeit geht, wegen dem sich eigentlich harmlose Bürger gegenseitig an die Gurgel gehen (wie auch in den Abenteuern Ewiger Hass und Der Weiße See), wirkt die Handlung wie nach Schema F gestrickt. Dafür gibt es aber einen netten Einblick in die almadanische Provinz und interessante Nebenfiguren, welche durch ihre persönlichen Motivationen die generelle Handlung bereichern.
Letztlich kann hier auch der Spielleiter noch an der Spielspaßschraube drehen, da Unbezwingbare Wut unbestreitbar großes Potenzial besitzt. Ansonsten bleibt es eine interessante Reise durch die Vergangenheit und Gegenwart Almadas – nicht mehr und nicht weniger.
Artikelbilder: Ulisses Spiele
Dieses Produkt wurde kostenlos als PDF zur Verfügung gestellt.
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http://www.teilzeithelden.de/2017/10/18/ersteindruck-zweihaender-der-bessere-kriegshammer/
Zweihänder nimmt mit dem Untertitel Grim & Perilous RPG für sich in Anspruch, nichts für zart Besaitete zu sein. Inspiriert durch das Warhammer Fantasy RPG werden die Spielercharaktere von Chaos, Wahnsinn und Tod bedroht. Das System wird beweisen müssen, dass es nicht bloß auf den Schultern des Schultern seines Vorbilds steht.
Schon im Vorwort macht Daniel Fox, der Autor von Zweihänder, klar, woher seine Inspiration für das Rollenspielsystem stammt. Bevor erste Fans den Namen Zweihänder vorschlugen, hieß es noch Project Corehammer. Die Namensgebung zeigt, dass das Ziel des Systems darin bestand, das Warhammer Fantasy RPG zu beerben.
Dieses Rollenspiel brachte es seinerzeit auf drei Editionen und ermöglichte es den Spielern, Abenteuer in der Alten Welt, dem Hintergrund des Tabletop Urgesteins Warhammer zu erleben. Seit 2015 mit Warhammer: Age of Sigmar eine neue Hintergrundwelt erschaffen wurde, für die eine Pen&Paper-Umsetzung bereits in Arbeit ist, war es unklar, ob der Hintergrund der Alten Welt noch weiter bedient werden würde. Vor einigen Monaten wurde dann eine vierte Edition des Warhammer Fantasy RPG angekündigt.
Zweihänder setzte sich schon 2011 das Ziel, das Gefühl der Alten Welt auch ohne die Marke Warhammer an den Spieltisch zu bringen. Ein Spiel, das diesem Anspruch gerecht werden will, muss düster sein, hart, sogar tödlich. Nach langer Entwicklungszeit und einer Kickstarter-Kampagne liegt das Grundregelwerk vor. Lohnt es sich, den Zweihänder zu schwingen, oder sollte man besser auf einen neuen Kriegshammer warten?
Die Spielwelt
Spitzfindig betrachtet bietet Zweihänder keine Spielwelt an. Das System liefert vielmehr eine große Auswahl an Versatzstücken, die einer vom Spielleiter entworfenen Hintergrundwelt, die passende Atmosphäre verleihen.
Bespielt werden soll eine mittelalterliche Ständegesellschaft. Bildung ist ein seltenes Gut, Aberglaube und Vorurteile sind alltäglich. Neben Menschen tauchen die typischen Fantasy-Rassen auf, wobei Wert darauf gelegt wird, Stereotypen aufzubrechen. Letztlich ähneln sich alle Rassen im Kampf ums tägliche Überleben und sehen sich mit den gleichen Bedrohungen konfrontiert.
Die bespielte Welt wird von acht Winden der Magie durchdrungen, die letztendlich Ausprägungen einer alles bedrohenden chaotischen Energie sind. Dieses Chaos manifestiert sich in Form von Dämonen, Kultisten, kriegslüsternen Heeren sowie Mutationen und Wahnsinn. Jeder Bewohner der Welt läuft Gefahr, den dunklen Einflüssen des Chaos zu erliegen. Magie wird nicht ohne Grund misstrauisch beäugt.
Neben dem Chaos stellen Orks, Rattenwesen, Untote, Geister und Feenwesen eine Bedrohung für die rechtschaffenen Bewohner der Welt dar. Krankheiten, wilde Tiere, Armut oder Ungerechtigkeit erscheinen dagegen fast schon langweilig, sind aber trotzdem ein ernstzunehmendes Problem. Spielercharaktere werden immer wieder vor moralische Entscheidungen gestellt. Es gibt nur wenig Schwarz und Weiß in der Welt, verschiedenste Grautöne sind allgegenwärtig.
Die Götter der Welt unterstützen ihre Gläubigen zwar im Kampf gegen all diese Schwierigkeiten, sind aber launisch und schnell erzürnt. Priester, die die Macht ihres himmlischen Patrons anrufen, riskieren es stets, anmaßend zu erscheinen und das Missfallen der Gottheit zu erregen.
Was man vergeblich sucht, ist eine Karte der Welt. Geografie und Politik sind bewusst offen gelassen worden und sollen vom Spielleiter selbst entworfen werden. Es wird also keine vollständige, bereits bespielbare Welt geboten, dem SL wird stattdessen ein Baukasten an die Hand gegeben, mit dem er ein eigenes Low-Fantasy-Setting kreieren kann.
Um hierbei etwas Hilfe zu bieten, werden vier mögliche Welten vorgeschlagen und sehr grob umrissen. Zwei dieser Entwürfe generieren gänzlich neue Welten, die anderen beiden orientieren sich an der realen Welt des 17. Jahrhunderts und fokussieren die Kolonisierung Nordamerikas beziehungsweise den 30-jährigen Krieg. Zusätzlich ist ein 32-seitiges Szenario enthalten, das bereits einen guten Eindruck der angestrebten Stimmung vermittelt.
Die Idee, die Welt in weiten Teilen dem Spielleiter zu überlassen ist reizvoll, bedeutet aber natürlich Arbeit. Gerade unerfahrene Spielleiter könnten sich hier überfordert fühlen. Am Umfang des gebotenen Hintergrundmaterials ist aber nichts auszusetzen. Besonders positiv hervorzuheben ist das Bestiarium mit 118 beschriebenen Kreaturen und Gegnern, ungewöhnlich viel für ein Grundregelwerk.
Jeder Leser, der mit dem Hintergrund von Warhammer Fantasy vertraut ist, wird hier diverse Elemente wiederfinden. Die genannten Götter entsprechen beispielsweise ihren Pendants aus der Alten Welt, lediglich die Eigennamen wurden durch Titel ersetzt. An anderen Stellen hat man sich weiter von der Vorlage entfernt, aber die Einflüsse sind erkennbar. Der Autor ist ohne Frage ein Fan des Settings und beim Lesen stellt sich das Gefühl ein, dass der Text eine Verneigung vor einem Idol darstellt. Trotzdem ruht sich Zweihänder nicht auf dieser Vorlage aus. Der offene Ansatz und die vorgeschlagenen Szenarien bieten genug Potenzial, sich von der Alten Welt abzusetzen.
Die Regeln
Der grundlegende Regelmechanismus in Zweihänder basiert auf Prozentwürfen, d. h., es wird mit einem W100 geworfen. Ziel ist es, einen bestimmten Prozentwert zu unterbieten. Der Zielwert wird durch eines von sieben Primary Attributes, Skill Ranks und verschiedene Modifikatoren festgelegt. Sollte beim Wurf ein Pasch erzielt werden, wird ein kritischer Erfolg bzw. Misserfolg erzielt, je nachdem, ob der Wurf generell erfolgreich war.
Wenn zwei Charaktere gegeneinander antreten, generiert der Würfelwurf Erfolgsgrade, der Charakter mit den meisten Erfolgsgraden gewinnt den Wettstreit. Bestimmte Umstände erlauben es, die Einer- und Zehnerstellen des W100 zugunsten des Spielers zu vertauschen. Umgekehrt kann der Spieler gezwungen sein, diesen Tausch zu seinen Ungunsten durchzuführen.
[box]Beispiel: Ein Charakter versucht, ein Gespräch zu belauschen. Sein Wert in Perception liegt bei 43 %. Ein Rang in der Fertigkeit Eavesdrop besitzt, verbessert diesen Wert auf 53 %. Der Wurf ergibt 61, normalerweise ein Fehlschlag. Glücklicherweise erlaubt eine der Fähigkeiten des Charakters, die Ergebnisse zu tauschen. Dadurch ist das Ergebnis 16, der Wurf ist erfolgreich.[/box]
Diese Würfel entscheiden über das Schicksal.
Auf diesem Regelkern baut ein größeres System von Sonderregeln auf. Für Intrigen, Reisen und Verfolgungsjagden benutzt Zweihänder Mechaniken, die deutlich komplexer ausfallen. Auch Verletzungen und ihrer Heilung wird ein eigenes Kapitel gewidmet. Der Grund für diese umfangreichen Regeln im Bereich Heilung zeigt sich, wenn man die Regeln für Kämpfe betrachtet.
Jeder Charakter kann pro Kampfrunde drei Action Points einsetzen, mit denen Bewegung, Angriff und Verteidigung bezahlt werden. Es gilt also abzuwägen, wie offensiv man agiert, denn die Wege, aus einem Kampf auszuscheiden sind mannigfaltig. Im besten Fall wird ein Charakter wegen physischer oder psychischer Belastung bewusstlos. Taktische Fehler oder simples Pech können aber auch schnell zu Verletzungen, Blutungen und direktem Charaktertod führen, da die Würfe zur Bestimmung von Waffenschaden explodieren, d. h. Höchstwerte erlauben es, weitere Würfel zu werfen, die wiederum weitere Würfel generieren können. Dadurch kann jeder Angriff potenziell tödlich enden.
Schon ein Probekampf hat gezeigt, dass es normal ist, in jeder Auseinandersetzung ernstzunehmende Blessuren zu erleiden. Gewalt bedeutet in Zweihänder harte Konsequenzen. Das Regelwerk rät sogar dazu, gleich drei Charaktere zu erschaffen, um Ausfällen vorzubeugen.
Um das hohe Risiko kalkulierbarer zu machen, verfügen Spielercharaktere über Fortune- und Fatepoints. Diese erlauben es, Würfe zu wiederholen, oder, im Falle der Fatepoints, dem Tod nochmal von der Schippe zu springen. Trotzdem bleibt das System knallhart. Zweihänder verspricht eine Welt, die keine Fehler verzeiht und genau dass bekommt der Spieler auch.
Die Regeln für Magie unterscheiden sich kaum von normalen Fertigkeitswürfen, ergänzen sie aber um eine besondere Komponente. Zaubersprüche zu wirken kann Manifestationen des Chaos heraufbeschwören. Je stärker der Zauber, desto extremer die negativen Auswirkungen.
Auch wenn das Regelwerk auf den ersten Blick sehr umfangreich wirkt und man sich als Leser etwas erschlagen fühlt, stellt sich bei den Regeln schnell Gewöhnung ein. Als Spieler ist es ohnehin nicht nötig sämtliche Regeln zu kennen, da der eigene Charakter nur Zugriff auf einen Bruchteil der zahlreichen Fähigkeiten hat. Der Spielleiter wird hier natürlich stärker gefordert. Sämtliche Regeln lassen sich aber im Kern immer auf den Grundmechanismus des W100-Wurfs zurückführen.
Charaktererschaffung
Spielern, die ihre Charaktere gerne optimieren, wird die Charaktererschaffung in Zweihänder sauer aufstoßen. Fast alle Bestandteile des Charakters werden dem Zufall in Form eines Würfelwurfs überlassen. Die Grundwerte der sieben Attribute werden ausgewürfelt, eine Zuweisung dieser Werte zu den gewünschten Attributen findet nicht statt.
Auch das Geschlecht, der soziale Stand und die Rasse des Charakters werden ausgewürfelt. Lediglich die Entscheidung, einen Menschen zu spielen kann frei getroffen werden, da Menschen die dominante Rasse der Welt darstellen.
Der Smuggler. Harrison Ford lässt grüßen
Im Anschluss bestimmt der Zufall die Profession des Spielercharakters. Im Laufe des Spiels können nacheinander drei Professionen erlernt werden, die Zugang zu Skills und Fähigkeiten gewähren. Im Rahmen der Charaktererschaffung kann der Spieler ein kleines Kontingent an Reward Points ausgeben, um einige dieser Optionen zu erwerben.
Um den Charakter weiter auszudefinieren, werden noch verschiedene Hintergrundinformationen ausgewürfelt. Besonders hervorzuheben sind dabei das Dooming, eine Prophezeiung über den Tod des Charakters und das Alignment. Dabei handelt es sich um ein System von zwei moralischen Extremen der Ordnung und des Chaos, zwischen denen sich der Charakter bewegt, beispielsweise Heldentum und Martyrium.
Das Alignment ist ein rollenspielerischer Anreiz, hat aber auch regeltechnisch Bedeutung. Strebt der Charakter dem Ideal der Ordnung nach, wird er mit Fatepoints belohnt, neigt er zum Chaos, verfällt er dem Wahnsinn.
Am Ende entsteht ein Charakter, der grundlegend kompetent in seinem Aufgabenfeld ist. Trotzdem ist der Powerlevel zum Spielbeginn relativ niedrig. Der ganze Prozess der Charaktererschaffung geht schnell und einfach vor der Hand, da fast alle Entscheidungen dem Würfel überlassen werden.
Die Aufgabe des Spielers besteht darin, die zufälligen Elemente zu einem funktionierenden Charakterkonzept zusammenzufügen. Diese mangelnde Kontrolle ist ungewohnt, aber das System funktioniert. Alle probeweise erschaffenen Charaktere haben ganz automatisch zu stimmungsvollen Hintergrundgeschichten inspiriert.
Erscheinungsbild
Auf fast 700 Seiten macht das PDF einen soliden ersten Eindruck. Die Texte sind ordentlich strukturiert, und werden immer wieder durch Textboxen, Tabellen und Illustrationen durchbrochen. Teilweise wirken die Seiten aber überfüllt. Die Übersichtlichkeit leidet darunter glücklicherweise nicht, denn das Inhaltsverzeichnis existiert in Form von Lesezeichen und ermöglicht schnellen Zugang zu allen Abschnitten. Zusätzlich ist ein umfangreicher Index enthalten.
Die schwarz/weißen Illustrationen bewegen sich qualitativ im Mittelfeld. Da nur ein einzelner Illustrator tätig war, ist der Stil angenehm einheitlich. Die zahlreichen Bilder schaffen es, die Stimmung der Texte einzufangen.
Diese sind angenehm zu lesen, vor allem, da in regelmäßigen Abständen kleine Gags eingebaut wurden, die den Leser zum Schmunzeln bringen. Dass die Spezialfähigkeit der Profession Kammerdiener beispielsweise Alfred Pfennigworth heißt, dürfte vielen Comic-Fans gefallen.
Leider kann der im Regelwerk enthaltene Charakterbogen nicht überzeugen. Viele Bereiche bestehen aus leeren Textfeldern, die nicht liniert sind. Andere Felder sind zu klein für die Informationen, die eingetragen werden sollen.
Bonus/Downloadcontent
Das online verfügbare Zusatzmaterial ist umfangreich. Die Homepage des Systems bietet verschiedene Charakterbögen, Tabellen zur Verwaltung von regelintensiven Szenen und Artikel sowie Videos zum Spielsystem. Außerdem steht eine unbebilderte Version des Regelwerks kostenlos als PDF zur Verfügung.
Fazit
Im Ausrüstungskapitel heißt es in der Beschreibung des Zweihänders, dass er weitaus effizienter zu führen sei, als der Kriegshammer. Diese Aussage spielt mit dem Fakt, das Zweihänder sich den Vergleich mit dem Warhammer Fantasy RPG gefallen lassen muss. Die Anleihen an dieses System sind unübersehbar.
Einen Innovationspreis wird Zweihänder nicht gewinnen, aber das ist auch nicht das Ziel dieses Regelwerks. Es will das Feeling eines Klassikers in die Gegenwart transportieren. Das System schreibt sich auf die Fahnen, knallhart zu sein, dreckig und fatalistisch. Nach vier erschaffenen Charakteren und einem ausgewürfelten Kampf entsteht der Eindruck, dass dieses Versprechen eingehalten wurde.
Liebhaber regelarmer Systeme, optimierter Charaktere und strahlender Helden werden keinen Gefallen an Zweihänder finden. Wer aber bereit ist, mit Freude zu leiden, sich von der gewohnten Charaktererschaffung zu verabschieden und eine vom Chaos bedrohte Welt auszuarbeiten, sollte nicht zögern. Ein unglaublich umfangreiches Grundregelwerk und ein fairer Preis machen den Zweihänder zur Waffe der Wahl.
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Wenn Ernest Hemingway Pathfinder gespielt hätte, wäre er Autor dieses Handbuchs gewesen. Die großen Ungetüme aufzuspüren, zu jagen und ihre Trophäen zu sammeln lag ihm im Blut. Tretet in seine ideologischen Fußstapfen und schleicht euch an die gefährlichsten Lebewesen Golarions heran, um ihnen den Pelz zu rauben.
Manche Abenteurer warten darauf, dass jemand auf sie zukommt und eine Aufgabe für sie hat. Andere suchen sich diese Aufgaben selbst. Zu letzteren gehören die Monsterjäger, welche sich in Organisationen versammeln und aufmachen, um Golarion von den finsteren Schrecken zu befreien, die es heimsuchen. Jene, die sich ihnen anschließen wollen, sollten dieses Handbuch studieren, um gewappnet zu sein.
Inhalt
Das Monsterjägerhandbuch bietet umfassende Möglichkeiten, einen Charakter für die Jagd zu rüsten. Nebst Wesenszügen und Archetypen finden sich neue Talente, Ausrüstung und Zauber.
Das Vorgehen während der Monsterjagd wird genauso erläutert wie die besonderen Merkmale, Stärken und Schwächen von Externaren, Schlicken und Co. So kann man zum Beispiel Aberrationen gut unter der Erde finden, aber achtet bloß auf die Tentakel!
Sechs Monsterjäger-Organisationen werden vorgestellt. Von den Dämmerwachen ist zu lesen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Kaer Maga vor Monstern zu schützen, Zugänge zu versiegeln oder gegen eine Gebühr auch Reisende zu eskortieren. Auch der Orden der Pike, der nur aus Höllenrittern besteht und nach seiner Neugründung immer wieder Jagdgesellschaften in den Wisperwald führt, ist hier zu finden. Wenn man also keine eigene Organisation gründen oder unabhängig bleiben will, ist man sich zumindest sicher, dass es gleichgesinnte Jäger gibt, deren Hilfe in Anspruch genommen werden kann.
Nach den einführenden Worten finden sich zu allen gängigen Monstertypen umfangreiche Beschreibungen. Die Aufteilung ist dabei immer gleich: Zuerst werden die Lebensräume der Wesen beschrieben, um die Suche zu erleichtern. Zusätzlich wird nützliche Ausrüstung für die entsprechenden Gebiete angegeben. So weiß man im Vorfeld bereits, ob es sich lohnt, die schwere Kletterausrüstung mitzuschleppen, oder welche Schriftrollen vielleicht nützlich werden könnten. Habt ihr eure Beute erst einmal aufgespürt, müsst ihr wissen, wie man am besten gegen sie kämpft. Dafür werden die Eigenschaften und (zauberähnliche) Fähigkeiten, Resistenzen und alles andere Wissenswerte beschrieben.
So sind Schlicke formlos und damit wirklich ein Ärgernis für Schurken, die verzweifelt eine Niere zum darin Herumstochern suchen. Oder der geübte Kämpfer will auf Feenjagd gehen und erinnert sich, dass Vexgit-Gremlins gerne den Zauber Rostgriff benutzen, was seiner Lieblingswaffe zum Verhängnis werden könnte.
Nur eines vieler nützlicher Gegenstände aus dem Band
Vielleicht wäre eine Alternative aus Schwarzholz hier sinnvoll? Spezialwissen erhaltet ihr dann in letzten Abschnitten. Welche Wesen sind besonders häufig und welche besonders gefährlich? Ihr versucht euch zu erinnern, wie man am besten einer Chimäre entgegentritt? Da sie zu den magischen Bestien zählt, findet ihr in dieser Abteilung des Handbuchs nicht nur den Hinweis, dass man auf die Kopffarbe achten muss, sondern auch den Tipp, den Zauber Energien widerstehen vorbereitet zu haben. Auch welche Partner ihr mit in den Kampf nehmen solltet, und besonders die speziellen Archetypen für die Monsterjagd, sind wirklich zu empfehlen.
So kann ein Barde, der zu den Rattenfängern gehört, Feen besonders gut mit seinen Auftritten beikommen, während der Ritter-Archetyp Pikenier viele Vorteile gegenüber magischen Bestien hat. Ihr wollt euch noch besser vorbereiten? Über zwei Dutzend Talente finden sich im Handbuch, darunter etliche Erzfeindfoki. Dazu kommen die Ausrüstungsgegenstände: Duftstäbchen mit Pheromonen oder magische Gegenstände wie der Knochenschlitzer, der genau das tut, was der Name vermuten lässt.
In der Abteilung Zauber finden sich weitere Helferlein, beispielsweise Schutz vor Natürlichen Angriffen und Abstossender Geschmack, welche sicherlich sehr sinnvoll sein können, wenn der nette Drache von nebenan euch mit seinem Schwanzfeger erwischt oder etwa versucht, euren Streiter zu verschlingen. Da alle Helden Ruhm und Ehre suchen, werden auch Optionen für das Trophäensammeln genannt, und es gibt dafür sogar einen eigenen Archetyp des Okkultisten, der verschiedene Monsterteile verwendet, um damit zu zaubern.
Erscheinungsbild
Das Handbuch ist ordentlich gestaltet und sehr angenehm zu lesen. Die 31 Seiten werden durch viele ansprechende Illustrationen aufgelockert ohne an Übersichtlichkeit einzubüßen. Das Inhaltsverzeichnis zu Beginn wird durch den Regelindex auf der dritten Seite ergänzt, und man kann sich problemlos zurechtfinden. Hinweise, in welchen Bänden die genannten Helfer zu finden sind, egal ob es ein Talent, Zauber, Archetyp oder etwas ganz anderes ist, werden dabei immer mit angegeben. Das Handbuch lag als PDF vor, weswegen keine Aussagen über Papier- oder Druckqualität gemacht werden können.
Bonus/Downloadcontent
Fazit
Das Monsterjägerhandbuch ist ein gut gestaltetes und sinnvoll strukturiertes Ergänzungswerk für jeden, der Lust hat, auf die Pirsch zu gehen. Es macht sicherlich Spaß mit Hilfe dieses Werkes eine Gruppe zu erstellen und der Jagd nach Bestien und Ungeheuern nachzugehen. Aber auch bestehende Charaktere oder Gruppen, die andere Abenteuer verfolgen, können vom Inhalt des Handbuchs profitieren. Möchte man einer potentiellen Beute nachstellen, hilft es einem ungemein, die richtigen Zauber, Talente und Fähigkeiten vorher zu forcieren. Insgesamt erhält man eine schöne Ergänzung des Golarion-Kosmos.
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Jede Heldengruppe braucht einen Spielleiter, der sie durch das Ungewisse dirigiert. Davon sind Reisen nach Mittelerde natürlich nicht ausgenommen, denn auch dort lauern Feinde in den Schatten und warten Schätze in den Grüften – und nur der Loremaster kennt den Weg
Analog zu anderen d20-Regelwerken erscheint Adventures in Middle-Earth, die d20-Version von Der Eine Ring, in zwei grundlegenden Büchern. So gibt es das Spielerhandbuch, das ich euch letzten Monat vorgestellt habe, und auch das Spielleiterhandbuch, hier passend zum ursprünglichen Regelwerk Loremaster's Guide Das Spielerhandbuch hat es geschafft, Lust auf mehr zu machen. Die Frage ist nun, ob auch das Spielleiterhandbuch dieses Gefühl hervorrufen kann.
Mehr Hintergrund...
So wie das Spielerhandbuch ist auch das Spielleiterhandbuch anhand der Aufmachung und bestimmter Regelelemente deutlich als Variante von Der Eine Ring zu erkennen. Wer das ursprüngliche Regelwerk besitzt, findet zwischen den Buchdeckeln eine d20-Version des bekannten Systems wieder – nicht mehr, aber eben auch nicht weniger, schließlich ist eine solche Adaption nicht ganz einfach und erfordert viel Arbeit. Vor allem nicht native Regelelemente aus Der Eine Ring sind dabei eine Herausforderung.
So zum Beispiel die gelungen übertragene Aufteilung in Abenteuer- und Gefährtenphase. In der erstgenannten sind die Helden unterwegs, erkunden Ruinen, retten in Not geratene Menschen, töten Orks – was man eben so an Abenteuern erlebt. In der zweiten Phase können sie an einem geschützten Rückzugsort ihre Fähigkeiten verbessern, alte Schriften studieren oder sich einfach von den ganzen Strapazen erholen.
Damit der Spielleiter diese Reisen und Orte möglichst stimmungsvoll gestalten kann, widmen sich die ersten Seiten dieses Buches dem erzählerischen Hintergrund. Zeitlich zwischen Der Hobbit und Der Herr der Ringe und räumlich im Nordosten Mittelerdes verortet, erfährt der Leser viel über das weitere Schicksal von Figuren wie Bard, Thranduil und Dain, sowie über Orte wie Thal und den Einsamen Berg. Als Spielleiter kann er diese Informationen nutzen, um seinen Spielern einen lebendigen, immersiven Rückzugsort zu schaffen, an dem sie sich zwischen ihren Abenteuern immer wieder gerne aufhalten. Als Beispiele werden Beorns Hütte und Bruchtal genannt, aber auch Esgaroth, die große Seestadt, wird detailliert beschrieben.
...mehr Tipps und Regeln...
Der Loremaster's Guide bietet aber nicht nur mehr Hintergrund, sondern liefert Inspirationen auf verschiedene Weise: Er beinhaltet viele verschiedene Vorschläge für NSC, mehr Spielwerte für Gegner, und auch mehr Ideen, um die Abenteuer und Reisen etwas aufzulockern und interessanter zu gestalten. Außerdem, erwartbarer Standard für ein solches Spielleiterhandbuch, beinhaltet das Buch auch ganz allgemeine Hilfen, um zum Beispiel Kämpfe und Szenarien spannender zu gestalten.
Sehr ausführlich wird dabei auch die Spielmechanik beschrieben, die hinter einem Vortrag vor Publikum steht. Das klingt vielleicht banal und wenig abenteuerlich, aber wie bei vielen anderen Regelsystemen werden manche Situationen, die eigentlich trivial wirken, mit zusätzlichen Regeln zu kleinen Abenteuern für sich. So eben auch die öffentlichen Auftritte, mit denen die Spielercharaktere um Unterstützung oder einfach nur mehr Geld bitten können. Bei Adventures in Middle-Earth steckt dahinter ein eigenes Regelfeld, welches durch den Loremaster's Guide dankenswerterweise bereichert wird: mit mehr Beispielen und Tipps, damit der Spielleiter den rollenspielerischen Anteil ausbauen kann.
...und etwas mehr Magie!
Ein Abschnitt, der all jene erfreuen dürfte, die auch gerne einmal ein Schwert ihr eigen nennen wollten, das bei der Anwesenheit von Orks blau leuchtet, widmet sich magischen Gegenständen. Damit wird auch der Bogen zum allgemeinen Themenblock Magie geschlagen. Wer die W20-Regeln kennt, der weiß, dass darin in der Regel allerlei magische Klassen enthalten sind. Doch wie ist das in Mittelerde, wo es laut Gandalf nur eine Handvoll Zauberer gibt? Gut, ein paar Elfen und Waldläufer können auch irgendwie irgendwelche magisch wirkenden Dinge tun, aber kann man das in Regeln ausdrücken? Der Loremaster's Guide versucht es immerhin und gibt dem Spielleiter einige Orientierungshilfen an die Hand, mit denen er Mittelerde je nach Vorlieben etwas magischer gestalten kann. Abgerundet wird dieses leider sehr kurze Kapitel mit einer Liste von Zaubern, von denen sich die Autoren vorstellen können, sie nach Mittelerde zu übertragen.
Wer also möchte und keine Mitspieler dadurch stört, darf sich gerne einen typischen W20-Magier erstellen. Wer eine eingeschränkte Magieanwendung bevorzugt, der steckt etwas Fantasie und Arbeit in dieses Thema, bis es zu Tolkiens Büchern passt.
Erscheinungsbild
Soweit ich das überblicken kann, wurden genau wie im Spielerhandbuch die Illustrationen komplett aus Der Eine Ring übernommen. Das ist aber gar nicht mal schlecht, denn die Zeichnungen an sich sind sehr gut und fangen schön die Atmosphäre von Mittelerde ein. Gleiches gilt sogar für die Schriftart, die von der Optik her an andere Veröffentlichungen erinnert, die mit dem Tolkien-Kosmos zu tun haben. Insgesamt gibt es wenig zu meckern, lediglich an einzelnen Illustrationen könnte man kleinere Dinge bemängeln. Totalausfälle gibt es aber so gut wie gar nicht.
Fazit
Hier bekommt man, was auf dem Buchdeckel steht. Der Loremaster's Guide ist als Spielleiterhandbuch eine passende Ergänzung zum Spielerhandbuch von Adventures in Middle-Earth, allerdings keine völlig unverzichtbare Anschaffung. Der Player's Guide enthält eigentlich alles, was man zum Spielen des Systems benötigt. Der Loremaster's Guide hingegen enthält ziemlich viele Ergänzungen, die in erster Linie für Spieler und Spielleiter interessant sind, die ein spezielles Thema vertiefen oder auf eine detailliertere Spielweltbeschreibung zurückgreifen wollen. Völlig sinnlos ist er also nicht, aber eben auch kein Muss, wenn man Adventures in Middle-Earth spielen möchte.
Wer bereits Der Eine Ring hat, der braucht diese Version sowieso nicht, auch nicht den Player's Guide – es sei denn, er ist extrem unzufrieden mit dem Regelsystem und möchte es mal als d20-Variante ausprobieren. D20-Jünger, die noch nicht mit Der Eine Ring in Kontakt gekommen sind, sollten Adventures in Middle-Earth ohnehin eine Chance geben, wenn sie mal einen Ausflug in Tolkiens Welt unternehmen wollen. Zum Reinschnuppern reicht aber definitiv der Player's Guide, der Loremaster's Guide ist eher Bonusmaterial auf hohem Niveau für Interessierte, die öfter einen Ausflug nach Mittelerde machen und das System vollends ausreizen wollen.
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Mittlerweile haben viele Rollenspieler genug von Zwergen, Elfen und anderem klassischen Fantasy-Kram. Der Markt der Fantasy-Rollenspiele ist größtenteils zudem schon aufgeteilt. Ob es das Grundregelwerk von Lore dennoch schafft, Fantasy-Fans hinter dem Lagerfeuer hervorzulocken? Oder erwartet den Leser doch nur die übliche 08/15-Fantasykost?
Als der britische Autor J.R.R. Tolkien 1930 begann, an seinem Meisterwerk Der Hobbit zu arbeiten, ahnte er noch nicht, welchen großen Einfluss er auf die moderne Fantasyliteratur haben würde. Elfen, Orks und Zwerge wurden längst zum Mainstream und einige Fantasy-Fans rollen heutzutage nur noch mit den Augen, wenn sie auf die bekannten Fantasy-Rezepte bei modernen Werken stoßen. Auch in Rollenspielen gibt es mittlerweile gefühlt Millionen von klassischen Fantasywelten. Nichtsdestotrotz versuchen die beiden Autoren David Frees und Kevin Williams mit ihrem System Lore in diesem hart umkämpften Feld Fuß zu fassen.
Die Spielwelt
Die Autoren von Lore haben im Grundregelwerk größtenteils auf die Erschaffung einer eigenen Welt für das System verzichtet. Dies liegt vor allem daran, dass Lore vielmehr ein Rohling für die eigene Spielwelt darstellen soll. Auch wenn die Klassen und Rassen erstmal auf ein klassisches High-Fantasy Setting schließen lassen, so lässt sich Lore doch recht einfach auch in weitere Settings transportieren und für die eigenen Bedürfnisse anzupassen.
Dennoch versuchen die Autoren in Ansätzen eine Welt für Lore darzustellen, doch leider gelingt ihnen dies im Grundregelwerk nicht sonderlich gut. Dies fällt besonders bei den Rassen- und Klassenbeschreibungen auf, die als einzige Hinweise auf eine existierende Welt für Lore in dem Grundregelwerk zu finden sind. Hier wird plötzlich Bezug auf anscheinend existierende Personen, Orte oder Ereignisse genommen, die aber nicht weiter erklärt oder aufgegriffen werden. Zum Beispiel wird bei der Rassenbeschreibung der „Gwilyteem“ Bezug auf eine Person oder Entität mit dem Namen „M’oth“ genommen, aus dessen Sklaverei sich die „Gwilyteem“ befreiten. Dieser ist wohl „Patron der vier dunklen Häuser und brachte die Gwilyteem in die trostlosen Einöden von Tiroeddyn Adfail, den sogenannten verschandelten Landen“. Was die vier dunklen Häuser sind, was „Tiroeddyn Adfail“ für ein Ort ist oder warum die „Gwilyteem“ überhaupt dorthin verbracht wurden, bleibt offen. Dies führt zu teils großen Verwirrungen, weil man darauf hofft, Antworten auf diese Fragen in einem späteren Abschnitt des Regelwerkes zu finden. Nach einem erneuten Durchlesen des Inhaltsverzeichnisses merkt man allerdings schnell, dass kein Kapitel detaillierte Antworten auf diese Fragen bietet. Hier wäre eine allgemeine Beschreibung der Rassen und Klassen konsequenter gewesen.
Wenn man diese offenen Fragen einmal außen vorlässt, bietet Lore dem Spieler zu jeder Rasse einen guten Überblick über die wichtigsten Merkmale der jeweiligen auswählbaren Optionen und deren Verhältnis zu anderen Rassen. Das erleichtert den Einstieg und jeder Spieler sollte schnell die passende Auswahl zu seinem Charakterkonzept treffen können. Allerdings erfindet hier Lore das Rad auch nicht neu. Grundsätzlich gibt es bei den insgesamt sieben spielbaren Rassen keine Überraschungen. Zunächst fallen die klassischen Völker der Menschen, Zwerge und Elfen auf, die sich auch kaum von ihren Brüdern und Schwestern in der Literatur oder anderen Fantasy RPGs unterscheiden. Zwerge graben in den Bergen nach Reichtümern, Elfen lieben die Natur und sind durch ihre lange Lebenszeit sehr weise aber auch arrogant geworden. Menschen sind eben Menschen. Die kleinen „Bykken“ weisen starke Ähnlichkeiten zu Halblingen auf, die seit dem Erfolg von Tolkiens Der Herr der Ringe mittlerweile wohl jeder kennen sollte.
Zusätzlich gibt es drei weitere Völker, die zumindest auf den ersten Blick nicht nach 08/15 Fantasy aussehen. Die kleinen „Woaden“ sind in ihrer Statur noch kleiner als die Halblinge und stammen ursprünglich aus der Ätherwelt, welche Sie allerdings durch das Eindringen von fremden Wesen verlassen mussten. „Woodkin“ sind baumartige Humanoide, die in Wäldern leben und durch ihre große Körperstatur auffallen. Als Letztes bietet Lore noch die nomadischen „Gwilyteem“ als spielbare Option an, die wie eine Mischung aus den Dothraki aus George R.R. Martins Das Lied von Eis und Feuer und den aus Star Trek bekannten Klingonen, anmuten. Hier hätten die Autoren unter Umständen noch etwas mehr Kreativität beweisen können. Gleichzeitig fällt Einsteigern so natürlich aber auch der Anfang etwas leichter, wenn sie bereits Rassen in dem Regelwerk finden, die sie in anderer Form und in anderen Medien bereits einmal kennenlernen konnten.
Die Regeln
Die Regeln und Grundmechanismen von Lore sind schnell erklärt. Genauer gesagt benötigt Lore gerade einmal etwas mehr als 15 Seiten, um euch mit allen wichtigen Regeln im Eiltempo vertraut zu machen. Nach der Lektüre habe ich mich zunächst gefragt: „War das jetzt wirklich alles? Das kann doch nicht sein!“ Aber nach mehrmaligem Lesen dieser 15 Seiten und der Charaktererschaffung habe ich bemerkt, dass Lore tatsächlich nicht mehr Erklärung benötigt. Auch wenn der Charakterbogen etwas Komplexeres suggeriert, so basiert in Lore doch alles auf einem einfachen Würfelmechanismus. Jede Probe wird mit einem W20 gegen einen Zielwert gewürfelt. Dieser Zielwert wird entweder vom Spielleiter bestimmt oder basiert auf festen Werten, wie z.B. dem Verteidigungswert des Gegners bei einem Angriff. Schafft es der Spieler, den Zielwert zu erreichen oder zu übertreffen, ist die Probe geglückt. Eine 20 stellt hierbei eine besonders gut gelungene Probe dar, wohingegen eine eins eine besonders missglückte Probe darstellt. Soweit, so einfach. Zusätzlich werden die Würfelwürfe noch durch unterschiedliche Punkte modifiziert.
In welchem Maße eine Probe erleichtert oder erschwert wird, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab: Habe ich eine Klasse gewählt, die eh bereits für eine Aufgabe prädestiniert ist, bekomme ich eine Erleichterung. Einem kleinen und wendigen Bykkem fällt eine Schleichen-Probe deutlich leichter als einem 2 Meter großen Woodkin. Habe ich eine entsprechende Klasse für meinen Charakter gewählt, so bekomme ich ebenfalls einen Bonus. Ein Schurke ist einfach geübter im Schleichen als der grobe Barbar, der Konflikte lieber mit der Zweihandaxt angeht. Zusätzlich verschaffen auch Umwelteinflüsse, Ausrüstung und Erfahrung Boni für bestimmte Proben. Gleichermaßen werden Proben allerdings auch erschwert. Ein Charakter, der noch nie geschwommen ist, kann es zwar versuchen, muss aber bei der Probe gegen teilweise herbe Erschwernisse ankämpfen.
Für den Kampf gelten die identischen Regeln wie für andere Proben. Hier sind zusätzliche spezielle Proben für Initiative und ggf. Überraschungseffekte notwendig, die verhalten sich aber grundsätzlich genauso wie alle anderen Proben im Spiel. Während des Kampfes steht jedem Spieler eine Aktion pro Runde zur Verfügung. Diese kann er entweder in zwei halbe Aktionen aufteilen, um z.B. zwei Standardattacken auszuführen, oder als ganze Aktion verwenden, um z.B.: Kampfmanöver zu nutzen oder den Feind an einer speziellen Körperstelle anzugreifen. Zusätzlich kann jeder Charakter noch freie Aktionen durchführen. Hier lässt Lore es dem Spielleiter allerdings sehr offen, welche Aktion wirklich in welche Kategorie einzuordnen ist.
Ein zusätzliches Kernelement sind die sogenannten Encounter Points. Diese dienen als allgemeine Ressource für alle Klassen, um Spezialmanöver in einem Kampf durchzuführen. Hierzu zählen nicht nur Sondermanöver von Kämpfern wie z.B. das Verschießen von mehreren Pfeilen gleichzeitig oder ein mächtiger Kriegsschrei, sondern auch die Zauber und Rituale anderer Klassen. Lore verzichtet hier darauf, unterschiedliche Ressourcen für die einzelnen Klassen einzuführen, um alles möglichst einfach zu halten. So kann man als Spieler relativ einfach unterschiedliche Charaktere erschaffen, ohne sich erst mit Spezialregeln für Magie o.Ä. auseinandersetzen zu müssen. Encounter Points werden nach jedem Kampf wieder aufgefüllt, allerdings gibt es eine maximale Anzahl an Punkten, die ein Charakter während eines Tages ausgeben darf.
Charaktererschaffung
Die Charaktererschaffung von Lore ist kurz und knackig, bietet aber genug Auswahlmöglichkeiten, um teils sehr unterschiedliche Charaktere zu erstellen. Aber der Reihe nach.
Am Anfang steht die Wahl der Rasse. Hier stehen insgesamt sieben Rassen zur Verfügung, die alle unterschiedliche Grundvoraussetzungen mitbringen. Die Rassen bestimmen einerseits die Anzahl der Basis-Lebenspunkte und der Basis-Bewegungsweite als auch Boni und Mali zu bestimmten Attributen. Zusätzlich hat jede Rasse einen Startskill. Bei den Elfen bekommt man so z.B. bereits einen Rang in dem Skill Forstwirtschaft und Boni auf die Attribute Agilität und Mana.
Der wohl wichtigste Punkt in der Charaktererstellung ist die Wahl der eigenen Klasse. Hier stehen insgesamt neun Oberkategorien zur Verfügung, vom Kämpfer über den klassischen Schurken zum Magier und Kleriker. Jede Kategorie beinhaltet dann noch eine weitere Unterteilung in bis zu drei Klassen, die gewählt werden können. Wählt man z.B. die Kategorie „Schurke“, so hat man die Wahl zwischen den Klassen „Assassine“, „Dieb“ oder „Kopfgeldjäger“. Bei einigen Klassen hat man dann sogar noch weitere Auswahlmöglichkeiten innerhalb der Klassen. Als Barbar kann man z.B. sich einem der großen Clans anschließen, was letztendlich Auswirkungen auf die Waffenwahl und die Skills hat. Jede Klasse gibt außerdem nochmal einen Bonus auf die Lebenspunkte und einen weiteren Startskill. Zudem bestimmen die Klassen, welchen Bonus man bekommt, sobald man genug Erfahrungspunkte gesammelt hat, um ein Level aufzusteigen.
Als nächstes wird bestimmt, welche Werte der Charakter in den Grundattributen Vitality, Intellect, Appeal, Might, Agility, Mana, Aether und Spirit besitzt. Hierzu kann man insgesamt 60 Punkte auf die einzelnen Attribute verteilen. So landet man bei jedem Attribut auf einem Wert zwischen 3 und 12. Wichtig ist hier, dass der Wert erstmal nicht direkt Einfluss auf die Würfelwürfe bei Proben hat. Addiert man nun die Boni und Mali aus den Klassen und Rassen, landet man bei einem Endwert. Dieser Wert wird mit einer Tabelle vergleichen, um den Attributsmodifikator zu ermitteln. Dieser liegt zwischen -5 und +14 und ist letztendlich der Bonus oder Malus, den man auf die jeweiligen passenden Proben bekommt. Dies klingt erstmal kompliziert, nach der anfänglichen Rechenarbeit fällt es aber sehr leicht die einzelnen Modifikatoren im Auge zu behalten.
Wenn man dann die persönlichen Informationen seines Charakters ausgewählt hat, bestimmt man die Anzahl der Encounter Points, die dem Charakter zu Beginn zur Verfügung stehen. Die Anzahl der Punkte richtet sich je nach Klasse nach einem anderen Attribut. Die Kämpfer-Klassen bestimmen ihre Punkte anhand ihres Wertes in Agility, während die Magier auf ihren Mana-Wert zurückgreifen. Auch hierzu gibt es eine praktische Tabelle, die auf einen Blick alle wichtigen Informationen liefert.
Am Ende erhält jeder Charakter noch einen Handwerkerskill und jeder Spieler darf sich zusätzlich zu seinen Skills aus den Rassen und Klassen noch einen weiteren Skill auswählen. Jeder Skill startet zunächst auf Rang eins.
Außerdem müssen natürlich noch die Kampfmanöver ausgewählt werden. Hier stellt Lore jedem Spieler eine Auswahl von insgesamt 150 Seiten an Kampfmanövern, Ritualen, Zaubern und vielem mehr zur Verfügung. Auch wenn sich durch die Wahl der Klassen hier Auswahlmöglichkeiten etwas reduzieren, so stehen doch immer noch genug Manöver zur Auswahl, um sehr differenzierte Charaktere zu erstellen.
Insgesamt erscheint die Charaktererstellung bei dem ersten Blick auf den Charakterbogen und die vielen Tabellen sehr kompliziert, beim Testen merkt man dann aber schnell, dass die Erstellung gut von der Hand geht und nur einmalig ein wenig Rechenaufwand erfordert. Das Powerlevel beim Start lässt sich auch gut und schnell auf die Bedürfnisse der eigenen Gruppe anpassen. Viele der einzelnen Punkte basieren zudem auf der eigenen Auswahl und Verteilung von Punkten und nicht auf Würfelglück.
Erscheinungsbild
Das Grundregelwerk von Lore ist gut strukturiert und bietet auf den ersten Seiten eine schnelle Übersicht über alle Regeln. Dies hilft ungemein bei der ersten Erstellung eines Charakters, da man sofort weiß, auf welche Punkte man besonders achten muss. Das PDF bietet außerdem ein verlinktes Inhaltsverzeichnis, was die schnelle Navigation ermöglicht.
Auch bei den Illustrationen lässt sich nicht meckern. Diese sind zwar etwas spärlich, aber passen ansonsten von der Qualität zum restlichen Buch. Die Schriftart ist außerdem ausreichend groß und gut lesbar. Bei der Charaktererstellung gibt es nach jedem Schritt ein entsprechendes Beispiel mit einem ausgefüllten Charakterbogen, welches die Erstellung ungemein erleichtert. Allerdings waren in der mir vorliegenden Version die Charakterbögen in den Beispielen leicht verschwommen, weshalb man nicht alle Einzelheiten nachverfolgen konnte. Hier sollte man den leeren Charakterbogen entweder digital oder ausgedruckt vor sich haben.
Bonus/Downloadcontent
Das gesamte Grundregelwerk findet man auf der Seite von GameFace Publishing als kostenlose PDF zum Download. Außerdem gibt es hier einen ersten Einblick in das Bestiarium, welches den Spielleitern zumindest eine kleine Hilfestellung zum Thema Monster oder Gegner gibt.
Fazit
Das Grundregelwerk von Lore hat mich etwas ratlos zurückgelassen. Einerseits bietet Lore ein leicht zu erlernendes und gut spielbares Regelsystem, in welches man auch als Anfänger gut und schnell reinkommt. Es hat außerdem genug Variationen parat, um unterschiedliche Charaktere zu erstellen und lässt dem Spielleiter viel Freiheiten.
Gleichzeitig hat mich das Grundregelwerk zwar interessiert, aber einfach nicht gefesselt. Durch das nahezu komplette Fehlen einer eigenen Spielwelt bzw. der kurzen Puzzle-artigen Hinweise darauf, welche mehr Fragen aufwerfen als sie beantworten, erfordert Lore einen erfahrenen oder zumindest kreativen Spielleiter, dem es nichts ausmacht, eine eigene Welt zu erschaffen. Generell bietet das Grundregelwerk wenig Hilfestellungen für angehende Spielleiter, da z.B. auch auf Monstervorlagen oder Startabenteuer komplett verzichtet wurde. Zusätzlich ist das Setting einfach nicht sonderlich kreativ, sondern bedient sich den klassischen Rassen und Klassen, die man schon in Dutzenden anderen Werken kennengelernt hat.
Dadurch, dass das PDF kostenlos auf der Webseite des Verlages zur Verfügung steht, kann sich jeder aber zum Glück auch selbst ein Bild von Lore machen. Wenn man das Grundregelwerk eher als universelles Regelwerk für eigene Fantasywelten versteht, kann man auch sehr viel Spaß mit Lore haben. Anfänger, die sich lieber in eine fest definierte Welt stürzen wollen, sollten vielleicht lieber auf andere Systeme zurückgreifen.
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http://www.teilzeithelden.de
Jeder Abenteurer braucht ein Abenteuer, denn woher kommt sonst der Name? Sieben Mysterien Hyborias gibt es zu ergründen, Dutzende Gegner zu überwältigen und noch so viel mehr zu sehen. Kommt mit und lasst uns gemeinsam sehen, wohin wir geführt werden.
Lässt man sich auf ein Spielsystem ein, fallen die ersten Schritte manchmal schwer. Mit Abenteuerbänden kann einem geholfen werden. Sie vermitteln einen Eindruck davon, wie Spielabende aufgezogen werden können, damit das System seine Stärken entfaltet. Ebenso können sich aber Probleme ergeben, wenn Informationen fehlen oder sich Fehler in die Beschreibungen eingeschlichen haben. Mit Jeweled Thrones of the Earth ist der erste Abenteuerband zu Conan – Adventures in an Age Undreamed Of erschienen und wurde von uns genau unter die Lupe genommen.
Inhalt
Für Jeweled Thrones of the Earth wurden sieben einzelne Abenteuer ausgearbeitet, die zu einer gemeinsamen Kampagne verwoben werden können. Jedes Abenteuer kommt mit einer individuellen Geschichte, die gut in die Welt von Conan passt. Man wird in den Dschungel geführt, um eine alte Stadt zu erkunden, von einer Zauberin betrogen oder in den Tiefen einer alten Mine verschüttet. Es gibt umfangreiche Beschreibungen, Karten der Orte und Begebenheiten, Tabellen für Zufallsbegegnungen und viele Hintergrundinformationen. An allen wichtigen Stellen werden Proben und Informationen für Spieler genau beschrieben. Gegner sind mit kurzen Charakterbögen abgedruckt, die dem Spielleiter viel Arbeit und Mühe abnehmen. Für Frischlinge, ob im Conan-System oder generell, sind die Informationen ebenso hilfreich wie für erfahrene Abenteurer. Der Eigenaufwand zur Vorbereitung hält sich im normalen Rahmen, und alle im Grundregelwerk nicht enthaltenen Informationen werden detailliert erklärt. Hilfreich sind auch die Angaben zu Würfelproben, die in verschiedenen Szenen fällig sind. Am Ende befinden sich noch zwölf sogenannte „Adventure Seeds“, die als Grundlage für eigene Abenteuer dienen sollen.
Leider finden sich im ganzen Band einige Rechtschreibfehler, und manche Angaben sind etwas irreführend oder zu allgemein.
Ein separater Bereich für Handouts wäre ebenfalls eine Bereicherung. Die Karten sind wirklich schön, aber meist etwas klein und mit Beschriftungen, die die Spieler nicht alle sofort sehen sollten.
Erscheinungsbild
Das Artwork dieses Abenteuerbandes steht dem Grundregelwerk in nichts nach und führt dessen solide Gestaltung fort. Die Texte sind sinnvoll aufgeteilt und mit vielen Bildern, Karten und Informationskästchen aufgelockert. Es gibt Hintergrundinformationen, die den Spielern optional präsentiert werden können, und Zitate, die eine schöne Stimmung beim Lesen generieren. So kann der Spielleiter den Flair der Geschichte erfassen und an die Gruppe weiterreichen. Insgesamt lesen sich die 142 Seiten flüssig und spannend. Ein Index fehlt leider, ist aber durch das gute Inhaltsverzeichnis und die Querverweise im Text mit Seitenangabe verschmerzbar. Da uns der Band in PDF-Form vorlag, können wir keine Angaben zur Haptik und Qualität des Druckexemplars machen.
Spielbericht
Im folgenden Spielbericht sind Spoiler zum Abenteuer The Caves of the Dero enthalten. Spoilerfrei geht es ab dem nächsten Abschnitt weiter.
[spoiler]Ein Abenteuer lesen ist etwas völlig anderes, als eines zu spielen. Deswegen fand sich eine Testrunde zusammen und hat sich daran gemacht, The Caves of the Dero Probe zu spielen und dabei gleich das 2W20-System von Modiphius auf Herz und Nieren zu prüfen. Die Gruppe bestand aus einem Barbaren, einer Bogenschützin, einer Schurkin, einem Schamanen und einer Priesterin. In einer Stadt im Land Punt kamen sie zusammen und erfuhren von einem Händler, der eine Karte besaß, die Reichtum versprach. Nach einigen Diskussionen und Taschendiebstählen an unschuldigen Marktbesuchern wurde sich mit dem Händler darauf geeinigt, die Mine auf der alten Karte zu suchen und allen Reichtum mit ihm zu teilen. Die Reisevorbereitungen waren einfach: Man kaufte Proviant, Decken und Zelte sowie einige weitere Utensilien und verlud alles auf Pferde und Esel.
Voller Sorge brach man auf, denn Wegelagerer sollten auf den Pfaden lauern. Doch ungehindert erreichten die Abenteurer wenige Tagesritte später eine Stadt im Süden. Besonders die Säufer der Stadt, welche sich in der Schenke tummelten, werden noch lange davon berichten, wie eine halbnackte Priesterin hereinkam und unangenehme Fragen stellte. Sie verließ kurz darauf entrüstet das Etablissement, nachdem sie von den Trunkenbolden bedrängt worden war. Die schimmernde Präsenz der Weiblichkeit ersetzte ein massiger Nordheimer, der spontan eine Lokalrunde schmiss und selbst gleich ein halbes Dutzend Humpen in seinen Schlund leerte. Diese Ablenkung wurde durch die Schurkin genutzt, um Informationen von den Angetrunkenen zu erhalten, während die Priesterin im Tempel Zuflucht suchte, doch nur einen sturen alten Mann vorfand, der ihr keine Hilfe war. Zusammen mit dem, was der Schamane durch seine ausgesandten Insekten erfahren hatte, konnte die Truppe eine alte Villa als möglichen Standort für die Mine ausmachen.
Die Villa Hybris wirkte düster und unheimlich, die Tiere gingen durch. Im Inneren war sie verfallen und modrig, der Gestank von überreifen Früchten erfüllte die Luft. Es schien, als verginge die Zeit unterschiedlich schnell, wenn sich die Gruppe trennte. In der verbrannten Backstube musste der Barbar Asgrim einigen Dachsparren ausweichen, die herunterfielen. Die Küche war voller Tierspuren, und in dem ehemaligen Speisezimmer kam unter dem Dreck an den Wänden ein kunstvolles Mosaik zum Vorschein, das nach einigen Reparaturarbeiten und etwas Gehirnschmalz eine Karte darstellte, die nur aus einem besonderem Winkel zu lesen war. Sie waren hier richtig, denn die Mine befand sich unter der Villa. Auf der Suche nach dem Zugang fanden sie einen Tümpel im Hof, aus dem ein Schrecken hervorkroch, dessen Bezwingung einiges an Anstrengung erforderte.
Ein Glück, dass auch hier wieder das Dach nachgab, den Gegner an den Boden nagelte und ihnen etwas Zeit verschaffte. Neben dem Tümpel fand sich eine grünspanbedeckte Tür, deren Mechanismus mit besonders zarter Berührung beigekommen werden konnte. Eine völlig neue Erfahrung für die schlagkräftigen Abenteurer. Der Raum dahinter versetzte den Schamanen in Furcht: ein Kreis der Macht! Vorsichtig zog sich die Gruppe zurück, verschloss die Tür und machte sich auf den Weg, die kurz zuvor entdeckte lange Treppe hinunter in die Beengtheit der Mine hinabzusteigen. Lange Stunden schlurften und ächzten sie durch das Labyrinth im Untergrund, bis sie an einer Kreuzung von seltsamen zwergenähnlichen Wesen angegriffen wurden. Blutige Magie und gnadenlose Hiebe töteten die Angreifer, doch der letzte von ihnen löste ein alchemistisches Wunderwerk aus, das Teile des Schachtes einstürzen ließ. Hals über Kopf floh die müde Truppe, bis sie sich in Sicherheit wähnte. Der Weg zurück war versperrt, doch vor ihnen entspann sich eine gigantische Höhle, in der sich ein weißer Turm zwischen den Granitfelsen erhob. Immer wieder beleuchtete ihn grünes Licht aus dem Inneren. Schutt und Geröll waren allgegenwärtig, während sich die fünf Gefährten zum Turm schleichen wollte. Ein falscher Schritt, und es polterte laut genug, um eine Patrouille auf sich aufmerksam zu machen, die in einem schnellen Gemetzel erledigt werden konnte.
Näher am Turm passierte das gleiche Missgeschick nochmal, und die neu gewonnene Selbstsicherheit machte alle unvorsichtig: Ein kräftiger Kampfschrei des Barbaren scheuchte die halbe Höhle auf. So viele Gegner kamen, dass nur noch eine Flucht in den Turm möglich schien. Die Tür verbarrikadierten sie hinter sich und stießen nach oben vor. Ein mit Schmuck behangener Mann, auf dem Kopf eine Krone und in der Hand ein Zepter, stand dort vor einem Kristallsarg. Geleeartige Flüssigkeit blubberte heraus und würgte eine krampfhaft zuckende Person hervor, geschlechtslos und nackt und den Wesen draußen in der Mine und vor dem Turm ähnelnd. In aller Verzweiflung warfen sich die Abenteurer auf den Feind, schlugen ihm einen Arm ab und wurden von immer mehr Feinden bedrängt, ehe ein Pfeil der Bogenschützin dem schwer verletzten Feind den Rest gab. Mit einem lauten Knacken schlug der Kopf des „Overlords“ auf den Steinboden, und im gleichen Moment wurde aus der feindlichen Armee wieder eine undefinierbare Masse aus magischem Gelee, zwischen das sich Blut und Erbrochenes mischte.
Behangen mit Reichtümern und Artefakten kehrten die Schatzsucher an die Oberfläche zurück. Froh, wieder die Sonne auf der Haut zu spüren, ließen sich alle nieder und waren dankbar, lebendig aus der Mine entkommen zu sein. Ob sie ihre Abmachung mit dem Händler einhalten werden, steht in einem anderen Buch.
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Insgesamt wurde das Abenteuer in knapp neun Stunden gespielt und beendet, wobei das Abenteuer an vielen Stellen wesentlich länger inszeniert werden kann.
Spielbarkeit aus Spielleitersicht
Mit wenig Aufwand konnten viele Möglichkeiten und Wege für die Spieler generiert werden. Spontane Proben sind durch die Einfachheit der sechs Schwierigkeitsgrade (D0 bis D5) sehr gut improvisierbar. Da der Abenteuerband nahezu alle Werte der Gegner liefert, musste in dieser Hinsicht nicht viel zusätzlich vorbereitet werden, doch gerade für die erste Runde sind Notizen für alle möglichen Zusatzinformationen ungemein nützlich. Dies betrifft die „Qualities“ der Waffen und Rüstungen, die vielen Möglichkeiten für das Einsetzen von „Momentum“ oder „Fortune“ und die spannenden „Displays of Might and Power“. Schon während dieses einen Abenteuers machte sich aber eine Routine bemerkbar und sowohl die Vorbereitung, als auch das Leiten hat durchgehend Spaß gemacht. Besonders die Spielleiterressource „Doom“ ist dabei eine Freude.
Spielbarkeit aus Spielersicht
Die Spieler befanden die Regeln als grundsätzlich leicht verständlich, trotzdem braucht es seine Zeit, bis man sich daran gewöhnt hat. Genauer gesagt kann man sofort die Grundlage verstehen, aber das gesamte Potential des Charakters zu entfalten bedarf ein paar Abende, in denen einem dann der Umfang des Systems bewusst wird. Alle Spieler haben sich schnell an das Element Momentum gewöhnt und es rege eingesetzt. So kam es auch zu Absprachen, bei denen sie sich gegenseitig den Ball zugespielt haben, was eine tolle Dynamik am Spieltisch mit sich brachte. Die Schurkin schoss zum Beispiel auf einen Gegner und warf ihr überzähliges Momentum in den Gruppenpool, statt damit ihren Schaden zu erhöhen, damit der Barbar, der in erster Reihe gerade ordentlich austeilte, zusätzliche Würfel bekam. Fortune wurde meistens für zwei Extraerfolge ausgegeben, aber auch der Dachbalken, der im ersten Kampf so hilfreich herunterfiel und den Gegner festsetzte, wurde durch Fortune bewerkstelligt und war eine großartige Aktion. Die fünf Charaktere waren alle grundlegend unterschiedlich, und jeder konnte seine Schwächen und Stärken während des Abenteuers erleben.
Wenn gewürfelt wurde, dann immer aus gutem Grund, und vieles konnte auch ohne Wurf geregelt werden. Die Schadenswürfe sorgten für aufgeregte Diskussionen, denn mehr als einmal kam es vor, dass mit vielen Würfeln sehr wenig Schaden verursacht wurde. Auf den sechsseitigen Schadenswürfeln verursachen die Augen drei und vier keinen Schaden. Statistisch gesehen sind also ein Drittel aller geworfenen Schadenswürfel wirkungslos. Das führt zu der relativ ernüchternden Wahrheit, dass trotz neun oder mehr Würfeln manchmal nur zwei Schadenspunkte verursacht werden, die dann vielleicht noch nicht einmal dir Rüstung durchdringen. Hier war man sich einig, dass eine Hausregel vielleicht angebracht wäre.
[quote]Sehr gutes, komplexes System, welches viel Übung benötigt und viele Freiheiten erlaubt.“ [quote]- Felix
[quote]„Die Spielmechanik ist einfach und leicht zu verstehen.“ [quote] - Kathrin
Bonus/Downloadcontent
Seit Erscheinen des Grundregelwerkes ist weiterer Downloadcontent erschienen.
Inzwischen gibt es digital ausfüllbare Charakterbögen. Dabei sind der Standardbogen und eine vereinfachte Form zu erhalten.
Zum Free RPG Day 2017 wurde ein kleines Abenteuer mit vorgefertigten Charakteren veröffentlicht.
Fazit
Im Abenteuerband Jeweled Thrones of the Earth wird man an ganz verschiedene Orte in Hyboria geführt und bekommt einen Eindruck davon, welche Gefahren dort warten. Jede der sieben Episoden ist ausführlich und umfassend beschrieben und enthält Bilder und Tabellen zur Veranschaulichung. Die Vorbereitung macht Spaß, und sie sind gut spielbar. Lediglich kleinere Rechtschreibfehler, und das Fehlen separater Handouts ist zu bemängeln. Sollten sich die ausgearbeiteten Abenteuer erschöpft haben, geben ein Dutzend Ansätze Ideen für weitere Handlungsstränge.
Die Gestaltung ist durchweg ansehnlich und reizvoll, gleichzeitig aber auch übersichtlich. Für 10,99 USD bekommt man ein solides Machwerk, das Spaß macht und dessen Anschaffung sich durchaus lohnt. Durch den ausführlichen Test des Systems hat sich auch die Wertung für Conan – Adventures in an Age Undreamed Of gehoben.
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http://www.teilzeithelden.de
Die Siebenwindküste, an der sich die Mittelreich-Provinz Albernia und der Windhag befinden, steht seit jeher für freiheitsliebende Menschen, die sich im Zweifelsfall selber gegen Banditen, Orks und ganze Armeen behaupten können. In der Rüstkammer der Siebenwindküste müssen also wundersame Waffen lagern – oder?
Nachdem ich euch an dieser Stelle bereits Kracher wie das Spielkartenset der Siebenwindküste und das Landkartenset der Siebenwindküste vorgestellt habe, möchte ich mich nun weniger wichtigen Spielhilfen zur Region zuwenden, wie der Rüstkammer der Siebenwindküste – Quatsch! Die Rüstkammer hat es dieses Mal in sich und quillt fast über vor Waffen und weiteren Hintergrundinformationen zur Region. Nach der Rüstkammer der Streitenden Königreiche ist die Variante für die Siebenwindküste das zweite Exemplar aus dieser neuen Produktlinie, die DSA 5-Spieler die nächsten Jahre begleiten wird. Grund genug, sie einmal gründlich durchzustöbern.
Inhalt
Auf den ersten Regalmetern der Rüstkammer dürfen wir die lokalen Waffen bewundern. Da ist die Albernische Spießaxt, Usascoall genannt, mit der die Milizen aus Bredenhag damals den Rittern aus den Nordmarken zusetzten. Daneben ruht die Shillelagh, eine schwere Holzkeule, mit der sich jene Bauern verteidigen, die keine scharfen Waffen führen dürfen. Wer es aber darf, der besorgt sich die Albernische Bauernwehr, ein kurzes Schwert, das jeder albernische Krieger im Repertoire hat, da es günstig und unkompliziert herzustellen ist. Dazu gesellen sich viele weitere Waffen wie die Dreizacke aus dem amphibischen Volk der Necker, der Albernische Langbogen, das archaisch aussehende Windhager Drachenmesser, das von den Bergsippen benutzt wird und das Gaoraith, ein robustes Wurfbeil, das an den thorwalschen Schneidzahn erinnert. Viele der Waffen sind also improvisiert, leicht herzustellen oder zumindest günstig zu erwerben, was den freiheitlichen Drang der Menschen an der Siebenwindküste widerspiegelt. Der Partisanenkrieg gegen die Nordmarken steckt den Alberniern noch tief in den Knochen, und auch sonst ist der nächste bewaffnete Ritter, Soldat oder Söldner im Ernstfall mehr als eine Tagesreise entfernt und die Bauern müssen sich selber zu helfen wissen.
Dass die Schmiedekunst in puncto Rüstungen dem Rest des Mittelreichs ein bisschen hinterherhinkt, wird deutlich, wenn man die Abteilung für Rüstungen betritt. Neben einem Lederharnisch aus Havena liegt hier lediglich ein Haufen Lumpen – Pardon, ein Satz Matrosenkleidung. Natürlich gibt es auch in Albernia und dem Windhag Ritter, aber deren Rüstzeug unterscheidet sich offenbar nicht von den Standardmodellen im Rest Aventuriens.
Interessanter sind da schon die magischen Artefakte, die sich an der Siebenwindküste finden lassen. Ein magisches Krummholz und ein Dryadenamulett verdeutlichen, welche wichtige Rolle die Feen und ihre Magie im tiefen Westen des Mittelreichs einnehmen. Gerade der alte Adel des Landes hütet diese Schätze mit großer Sorgfalt. Die Efferdperle und die Opallöwin, zwei göttliche Artefakte, zeigen die große Bedeutung, die Efferd, Gott der Meere und der Seefahrt, sowie Rondra, Göttin des Sturmes und des Krieges, für die Albernier und Windhager haben.
Bei all dieser Pracht läuft man beinahe an der Kammer mit den ordinären Kleidungsstücken und den liebevoll gefertigten Erzeugnissen des Kunsthandwerks vorbei. Kurze, aber prägnante Texte erläutern, was die Bewohner der Siebenwindküste bei welcher Gelegenheit tragen und welche Besonderheiten sich in ihren Werkstätten finden lassen. Hier erfährt man, was eine Cotte ist und welche Bedeutung ein Windhager Tuch für die dortigen Sippen hat. Ebenso erfährt man, was die Albernische Handharfe so besonders macht und welche gute Reputation Büttenpapier aus Honingen im restlichen Aventurien genießt.
Das war es auch schon mit unserer Tour durch die Rüstkammer der Siebenwindküste. Oder? Nein, denn plötzlich stürmen Piraten und Schmuggler hinein und plündern die Kammer gründlich. Ebenso werden wir, die armen Besucher, von den Halunken entführt und in deren Versteck verschleppt. Immerhin, so bekommen wir einen kurzen Einblick in ihren Lebensstil, der auf fünf Seiten beschrieben wird. Der Anführer, den alle nur Nebelnecker nennen, hat seine Bande in einer geräumigen Grotte untergebracht, in die sogar einige Hütten passen. Der Schmuggler handelt mit gestohlenen Waren, die ihm bisweilen von der Flusskrabbe gebracht werden, einer ruchlosen Piratin, die bevorzugt arglose Flussschiffer überfällt.
Doch auch die Rüstkammer liegt nun leer und trostlos dar, abgesehen von einer praktischen Warenliste aller zuvor ausgestellten Stücke. Dort wird nochmal alles mitsamt Gewicht und Preis aufgeführt, damit der unbedarfte Abenteurer von der Siebenwindküste den Überblick behält.
Begleitet wurden wir übrigens von einer Gruppe redefreudiger Abenteurer, die zu jedem Stück einen Kommentar abzugeben hatte. Das war durchaus unterhaltsam, an einigen Stellen aber auch zu viel des Guten.
Erscheinungsbild
Die heimlichen Stars des Heftes sind die Illustrationen. Für jedes Stück gibt es ein Bild, sodass niemand rätseln muss, wie ein Spealleagh, ein Windhager Sichelspeer, aussieht. Keine Seite bleibt unverziert, was den Lesefluss aber niemals stört, sondern eher den Eindruck hinterlässt, ein gut sortiertes Lager oder eine Ausstellung zu betrachten.
Mein einziger Kritikpunkt ist das Titelblatt, das abgesehen vom verkrampften Gesichtsausdruck der dargestellten Kämpferin ziemlich unspektakulär ist und zudem nicht so richtig das Flair der Region einfängt. Ein Scharmützel im Farindelwald, ein Söldner auf hoher See oder einfach nur ein Warenstand im Hafen von Havena wären vermutlich passender gewesen.
Fazit
Bei der Rüstkammer der Streitenden Königreiche war noch Luft nach oben, die vom vorliegenden Nachfolger bemerkenswert ausgefüllt wird. Die Gegenstände fügen sich nahtlos in den Hintergrund ein und verdichten diesen dadurch noch. Es entsteht das stimmige Bild einer Region mit stolzen und wehrhaften Einwohnern, die zur Not auch mit weniger hochwertigen, aber nichtsdestotrotz robusten Waffen umgehen können. Durch Dreizacke, Säbel und leichte Lederrüstungen wird zudem deutlich, dass das Meer nicht fern ist und die Kultur der Seefahrer über die Stadt Havena hinaus bis ins Hinterland hinein strahlt.
Die Spielhilfe erfüllt ihre Aufgabe also nahezu perfekt. Neben neuen Waffen mitsamt Spielwerten erhält der Leser einen schönen Eindruck, was die Bewohner an der Siebenwindküste ausmacht. Die Rüstkammer ist also auch so etwas wie eine schlanke Regionalspielhilfe, die all jenen Spielern als Alternative dienen kann, die sich nicht viel für den aventurischen Metaplot und detaillierte Beschreibungen von Städten und Landstrichen interessieren. Wer einen Helden von der Siebenwindküste spielen will, den seine Abenteuer in eine andere Ecke Aventuriens geführt haben, aber nicht unbedingt eine komplette Regionalspielhilfe erwerben und studieren will, der sollte hier zugreifen. Gleiches gilt für Spielleiter, die ihrer Gruppe ein bisschen regionales Flair vermitteln möchten, dabei aber nicht ganz in die Tiefe der Materie eintauchen wollen.
Kurz gesagt: Die Rüstkammer der Siebenwindküste ist eine gelungene Regelergänzung, die alle Erwartungen an ein solches Produkt erfüllt. Wer einmal einen Blick auf die Siebenwindküste werfen möchte, der greift hier zu, Fans der Region sollten auf die Rüstkammer sowieso nicht verzichten.
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http://www.teilzeithelden.de/2017/09/13/kurzcheck-glaube-macht-und-heldenmut-die-zusammengefassten-koenigreiche/
Nachdem sich die Meldungen über Rollenspieler häufen, die vom vielen Durchblättern bereits wunde Daumenspitzen haben, hat Ulisses nun endlich reagiert und die praktischen Mini-PDFs auf den Weg gebracht. Diese rein digitalen Produkte sollen helfen, die Übersicht zu bewahren.
Ich gebe es zu, die oben stehenden Worte sind etwas dramatisierend und entsprechen nicht ganz der Realität. Ein Punkt entspricht allerdings der Wahrheit: Ulisses Spiele hat wirklich eine neue Produktlinie auf den Weg gebracht, die helfen soll, im immer wilder wuchernden Regelwald die Übersicht zu bewahren. Praktische Mini-PDFs sollen Regeln in handlichen thematischen Blöcken zusammenfassen. Neben einer sehnlichst erwarteten Zauberliste soll es auch für jede Regionalspielhilfe solch eine Zusammenfassung geben. An dieser Stelle möchte ich euch deswegen kurz Glaube, Macht und Heldenmut vorstellen, die Datei zu Die Streitenden Königreiche, deren Regionalspielhilfe ich übrigens in meinem ersten Artikel für Teilzeithelden vor einem knappen Jahr rezensieren durfte (Glückwünsche zum Jubiläum nehme ich gerne in den Kommentaren zu diesem Artikel entgegen).
Inhalt
Die Schlangenhexe
Bei der Ankündigung von Glaube, Macht und Heldenmut hatte ich eigentlich erwartet, dass die Datei die Professionen und Sonderfertigkeiten der Regionalspielhilfe übersichtlich zusammenfasst. Leider wurde ich dahingehend enttäuscht, dass die Redakteure sich im Wesentlichen auf die Kampf- und Magieprofessionen der Spielhilfe beschränkt haben. Gut, die Zauber und Zauberzeichen, die in Die Streitenden Königreiche vorgestellt wurden, werden wahrscheinlich in den entsprechenden Mini-PDFs zu diesen Themen zu finden sein. Aber es fehlen auch die regionalen Wesenszüge, die urigen Professionen wie Holzfäller und Deichbauer sowie die dazugehörigen Sonderfertigkeiten.
Ritter, Druiden und Magier dominieren die Seiten und wurden noch einmal überarbeitet und erweitert, womit sie die bisherigen Versionen in der Regionalspielhilfe und dem Regelwiki ersetzen. Außerdem gibt es noch Kampfstil- und Zauberstilsonderfertigkeiten. Das Konzept der Stile wurde erst mit Aventurisches Zauberwirken und dem Aventurischen Kompendium eingeführt und konnte deswegen bei Erscheinen der Regionalspielhilfe noch nicht berücksichtigt werden. In diesem PDF wird es nun nachgereicht. Glaube, Macht und Heldenmut ist also ein Stück weit Errata-Sammlung, liefert aber auch ganz neue Sonderfertigkeiten wie den Destruktor, mit dem ein Kampfmagier seine Leidenschaft für Zerstörung ausdrücken kann und regeltechnisch etwas mehr Schaden macht.
Erscheinungsbild
Diese Mini-Spielhilfe nutzt den knappen Platz sehr gut, ist übersichtlich und schön anzusehen. Jede Profession bekommt eine ganze Seite spendiert, was bei der Nutzung auf einem mobilen Gerät sicher sinnvoll ist. Wirkten manche Seiten in der ursprünglichen Spielhilfe aufgrund der vielen Sonderfertigkeiten bisweilen ein bisschen überladen, macht die Mini-PDF einen übersichtlichen Eindruck. Auch die Illustrationen machen was her. Obwohl die meisten aus anderen Publikationen stammen, entsteht nicht der Eindruck, dass hier lieblos etwas zusammengeschustert wurde.
Fazit
Zugegebenermaßen bin ich etwas zwiegespalten. Die PDF ist übersichtlich, praktisch und schlüssig, ist aber gleichzeitig auch eine recht umfassende Errata-Sammlung, die vieles negiert, was in der ursprünglichen Regionalspielhilfe gesetzt wurde. Immerhin ist ein Vorteil bei DSA 5, dass solche Änderungen recht gut und transparent durch die zusätzliche Anzahl von Abenteuerpunkten, die ein Professionspaket kostet, nachvollzogen werden können. Wer diese Änderungen an seinem Spielercharakter durchführen möchte, muss also lediglich ein paar Abenteuerpunkte ausgeben – auch wenn diese vielleicht erst noch hart verdient werden müssen. Ebenso wie die 2,99 Euro, die ein happiger Preis für 19 digitale Seiten sind, von denen nur 15 Seiten richtigen Inhalt haben, der zudem zu großen Teilen aus Die Streitenden Königreiche kopiert wurde. Alleine dafür muss ich leider einen Punkt abziehen.
Ansonsten bleibt zu hoffen, dass in Zukunft bei DSA 5 etwas mehr Struktur in die Veröffentlichung der Regeln kommen wird. Allgemeine Sonderfertigkeiten und Zaubersprüche haben nach meiner Ansicht nichts in Regionalspielhilfen zu suchen und sollten nicht kleckerweise zu den Spielern kommen. Am Ende muss dann doch wieder irgendwo nachgeschraubt werden, wie Glaube, Macht und Heldenmut zeigt. Hier sind die Redakteure aber definitiv auf einem guten Weg, und für mich ist die Mini-PDF trotz ihrer 19 Seiten ein schönes Signal, dass DSA 5 am Ende doch nicht in einem Wust von Zusatzregeln untergehen wird, sondern ein richtig rundes Regelwerk werden kann.
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http://www.teilzeithelden.de/2017/09/12/ersteindruck-dime-adventures-mit-karten-und-coolness-in-die-parallelwelt/
Was wäre, wenn? Das durch Crowdfunding finanzierte Pulp-Rollenspiel Dime Adventures spielt im Jahr 1904, allerdings in einer Welt, in der die Geschichte anders – nämlich bedeutend cooler – verlaufen ist. Mit vier furchtlosen Spielern habe ich mich in die Paralleldimension gewagt und das System einmal angespielt.
Braucht die Welt wirklich ein weiteres Pulp-Action-Steampunk-Abenteuer-Rollenspiel? Die Macher von Dime Adventures fanden: ja, unbedingt. Und zwar so dringend, dass sie es auf sich nahmen, selbst eines zu schreiben und eine Kickstarter-Kampagne dafür ins Leben zu rufen. Herausgekommen ist ein System, in dem statt Würfel zu rollen Pokerkarten umgedreht werden, und ein Setting, in dem die Weltgeschichte ganz anders verlaufen ist. Inzwischen kann man das Machwerk als PDF oder Hardcover (oder auch in Kombination) über DriveThru-RPG beziehen.
Die Spielwelt
Irgendwie bekannt, aber doch ungewöhnlich: Arth
Der Hintergrund, vor dem Dime Adventures spielt, ist die so genante Belle Époque, Anfang des 20. Jahrhunderts. Es ist eine Zeit des Aufbruchs und der Entdeckung: Die viktorianische Periode ging gerade zu Ende, die Verheerungen der kommenden Weltkriege sind noch unvorstellbar, die Welt wird mit Schienen, Telegrafen und anderen Transport- und Kommunikationstechnologien immer enger vernetzt, und die letzten „weißen Flecken auf der Landkarte“ harren ihrer Erforschung.
So weit, so ähnlich ist die Spielwelt der Realität und anderen Steampunk- Pulp- oder Mysterysettings. Doch auf „Arth“, wie der Autor seine alternative Erde getauft hat, ist die Geschichte anders verlaufen als bei uns: Zwar umspannt auch hier das britische Empire unter Regierung von Edward VII. ein Viertel des Globus, doch sein größter Konkurrent ist nicht Frankreich oder Spanien, sondern das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, das ebenfalls ein weltweites Kolonialreich beherrscht. Von Kambodscha aus kontrolliert das neue Khmer-Reich ganz Südostasien mit Hilfe seiner überlegenen Luftschiffflotte. China unterhält Kolonien in Afrika, Australien und an der amerikanischen Westküste. In Nordamerika haben sich die konföderierten Südstaaten nach dem Bürgerkrieg unabhängig erklärt und die Stämme der amerikanischen Ureinwohner haben es geschafft, den Vormarsch der Weißen am Mississippi aufzuhalten.
Auch viele andere indigene Kulturen, die im zwanzigsten Jahrhundert unserer Welt längst den europäischen Eroberern zum Opfer gefallen waren, sind in Arth noch durchaus präsent und teilweise auf der Höhe ihrer Macht, wie etwa die Reiche der Parther, Inka und Azteken.
Über- und Außerirdisches
Dies sind nur einige Beispiele für die politische Weltkarte der Parallelwelt von Dime Adventures, die tatsächlich den ganzen Globus berücksichtigt. Statt allerdings unzählige Buchseiten darauf zu verschwenden, historisch wasserdichte Erklärungen für diese Umstände zu liefern, beruft sich der Autor auf „the rule of cool“: Die Frage, ob eine historische Entwicklung realistisch oder auch nur hypothetisch möglich ist, ist ihm bei Weitem nicht so wichtig wie die, ob sie Spaß bringt! Einschränkungen eines Charakters aus Gründen von Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe oder Sexualität, wie sie in „realistischeren“ Settings vorkommen, sind hier ebenfalls ausdrücklich nicht vorgesehen.
Stattdessen bestehen völlige Freiheit für Charakterkonzepte und schier unendliche Möglichkeiten für Romantik, Heldentum und Abenteuer. Übertriebener Realismus ist sowieso fehl am Platze. Das Setting bietet nämlich nicht nur eine alternative Weltgeschichte, sondern auch paranormale Phänomene aller Art: Mit Magie, Wahrsagerei und Schamanismus können die Spieler es zu tun bekommen, mit Außerirdischen, aber auch mit Vampiren, Werwölfen oder gar Engeln. Seltsame Erfindungen und mystische Artefakte gilt es entweder zu entdecken oder unschädlich zu machen. Dinosaurier, Bigfoots und andere seltsame Kreaturen tummeln sich in den Tiefen der Dschungel und unterirdischen Kavernen der Alternativerde.
Und hohl ist die natürlich sowieso. Alles in allem ist die Spielwelt von Dime Adventures äußerst schrullig. Dafür ist sie aber von Anfang an liebevoll ausgearbeitet. Das Grundregelwerk enthält eine alternativhistorische Zeitleiste sowie Kurzbeschreibungen zu sämtlichen Ländern, sortiert nach Kontinenten und aufgepeppt mit allerlei kleinen Plotaufhängern.
Die Regeln
Karten statt Würfel
Die Regeln in Dime Adventures basieren auf Saga Machine, einem System, das Autor Thorin Tabor und sein Verlag Tab Creations für mehrere ihrer Rollenspielsysteme selbst entwickelt haben. Statt Würfeln verwendet Saga Machine Spielkarten, was wahrscheinlich der gewöhnungsbedürftigste Teil des Systems ist.
Benötigt wird ein Standard 52-Karten-Pokerset pro anwesender Person inklusive Spielleiter. Bei einer Probe addiert sich der Wert der Karte, die ein Spieler ausspielt, zum Fähigkeitswert seines Charakters und wird dann mit der vom Spielleiter festgelegten Schwierigkeitsstufe festgelegt. Die Werte der Karten entsprechen dabei der aufgedruckten Zahl, Ass entspricht der 1, Bube, Dame und König jeweils 1, 2 und 3. Im Falle der drei Letztgenannten darf der Spieler zusätzlich eine Karte blind vom Stapel aufdecken und die Werte addieren.
Zu Anfang der Spielsession hat jeder Spieler fünf Karten auf der Hand (außer, wenn der Charakter durch gewählte Vor- oder Nachteile mehr oder weniger bekommt), die er im Laufe des Abends ausspielt. Spieler, die keine Karten mehr auf der Hand haben, decken bei jeder Probe blind vom Stapel auf. Beim ersten Testspiel haben sich meine vier Spieler recht schnell an dieses System gewöhnt. Wer Würfelsysteme kennt, bei denen eine Schwelle erreicht werden muss, wird nicht allzusehr unter der Umstellung auf Spielkarten leiden.
Ein erwähnenswerter Sonderfall ist der Joker: Dieser ersetzt den in vielen Würfelsystemen bekannten Patzer und führt zu einem dramatischen Misserfolg. Als kleine Wiedergutmachung darf der Pechvogel, der ihn aufgedeckt hat, aber fünf neue Karten ziehen.
Aktionen und Konsequenzen
Nach einer Probe kann der Spielleiter, je nachdem ob und um wie viel die Schwelle übertroffen oder verfehlt wurde, den jeweiligen Spieler oder die ganze Gruppe mit so genannten Konsequenzen belegen: Das kann je nach Situation ein Bonus oder Malus auf bestimmte Aktionen sein, etwa, weil der Charakter nach einem Kampf verletzt ist oder sich durch eine erfolgreiche Charisma-Probe bei einem NSC beliebt gemacht hat, aber auch Informationen, Zugang zu bestimmten sozialen Kreisen und alle anderen möglichen Folgen einer Spieleraktion.
Wie lang eine solche Konsequenz hält und wie schwerwiegend sie ist, hängt davon ab, wie weit die durch den addierten Fähigkeits- und Kartenwert erreichte Zahl von der Schwierigkeitsstufe der Probe abweicht. Das Regelwerk hat hierfür eine praktische Tabelle, die hilft, das Spiel im Fluss zu halten. Bei Kämpfen allerdings werden Erfolge, die über den Verteidigungswert des Gegners hinausgehen, direkt von dessen Trefferpunkten abgezogen.
Dabei gilt außerdem: Ein Treffer ist immer ein Treffer, Rüstungen und Ähnliches helfen nur als Schadensreduktion, nie aber, um den Schaden ganz zu negieren. Ein angenehmes Detail des Systems, da es hilft, Kämpfe nicht bis in die Unendlichkeit auszudehnen.
Charaktererschaffung
Die Charaktererschaffung im Saga Machine-System verhält sich angenehm einfach. Jeder Charakter hat acht Attribute (Stats). Die Stats teilen sich in jeweils vier körperliche (Stärke, Geschick, Schnelligkeit und Ausdauer) und vier mentale (Intelligenz, Wahrnehmung, Charisma, Entschlossenheit). Die Spieler bekommen Werte, die sie auf diese acht verteilen können, sowie auf die 22 verschiedenen Fertigkeiten.
Zudem ist je zwei der Stats eine Trumpffarbe zugeordnet. Wenn die Karte, die bei einer Probe gespielt wird, zum Trumpf des dazugehörigen Attributs passt, darf der Spieler eine weitere Karte aufdecken – ist diese ebenfalls Trumpf, kann er das Ergebnis zusammenzählen, ist sie es nicht, darf er immerhin wählen, welche er nimmt. Zocker dürften Spaß an diesem System haben.
Der so genannte Hintergrund, den ein Spieler wählt – also so etwas Ähnliches wie Klasse oder Beruf – bringt dem Charakter dann noch Boni auf manche Stats und Fertigkeiten, und das ist es im Wesentlichen auch schon. Nach einer kurzen Einführung in die Spielwelt kamen meine Spieler schon sehr gut damit klar, sich nach diesem System eigene Charaktere zu bauen.
Eher nervig bei der Erschaffung war allerdings, dass die Erklärung etwa mancher Fertigkeiten im Spiel an einer ganz anderen Stelle des Regelwerkes zu finden waren, und deswegen ständig hin- und hergeblättert werden musste. Insgesamt wirkt der Aufbau des Regelwerks recht chaotisch und nicht besonders gut durchdacht, da die Kampfregeln erklärt werden, bevor die Leser wissen, wie die Charaktererschaffung funktioniert. Zwar gibt es im Einführungskapitel der Kampfregeln einen kurzen Abriss über Stats, Fertigkeiten und Trumpffarben, aber diese Dopplung ist doch eher befremdlich als hilfreich. Dieser Umstand ist umso trauriger, da das System großes Potenzial für spontane One-Shots und Runden mit neuen Spielern hätte, wenn das Regelwerk nur einem nachvollziehbaren roten Faden folgen würde.
Erscheinungsbild
Artwork und generelle Aufmachung des Regelwerks passen durchgehend gut zu einem historischen Setting, das Abenteuer, Entdeckertum und Begegnungen der mysteriösen Art verspricht. Der Haupttext steht auf bräunlich-beigem Hintergrund, Zusatzinformationen in dunkelbraunen Kästen, die zerknittertes Pergament darstellen sollen. Dazwischen lockern immer wieder farbige Illustrationen das Gesamtbild auf. Diese sind nicht nur wunderschön, sondern zeigen auch die abenteuerliche Welt von Arth, seien es überwucherte Tempel im Dschungel, fliegende Untertassen über der amerikanischen Prärie oder Zombiehorden in Afrika.
Das Buch ist dabei keineswegs überladen mit Illustrationen. In den Kapiteln, wo die Regeln behandelt werden, kommen sie kaum vor. Im Kapitel zur Charaktererschaffung dominieren Personen die Bebilderung, in der Beschreibung der Welt Landschafts- und Stadtansichten. Allgemein geben die Illustrationen dem Leser gerade genug Information, um als visuelle Inspirationsquelle zu dienen und lenken nicht zu sehr vom Inhalt ab.
Die übrige grafische Gestaltung ist gut lesbar, wo nötig sind Tabellen eingefügt. Der Charakterbogen zum Ausdrucken ist zwar hübsch gestaltet, was aber leider der Übersichtlichkeit nicht gerade hilft. Insbesondere für diejenigen unter uns, die sich nicht im Besitz eines Farbdruckers befinden, wird der Ausdruck des Bogens schnell sehr dunkel und verschwendet Toner.
Fazit
Schönes Setting, aber chaotisch geschrieben
Nach Lektüre der Regeln und einem ersten kurzen Testspiel lautet das Urteil: Spielbar und spaßig, aber nicht gerade benutzerfreundlich. Hauptproblem ist dabei der chaotische Aufbau des Regelbuches: Manche Regeln werden zunächst nur kurz angerissen und mit einem Querverweis auf eine spätere Seite versehen, was für Verwirrung sorgt. Andere verstecken sich in Seitenkästen und kommen im Haupttext gar nicht erst vor. Der Abschnitt über die Kampfregeln steht im Text vor dem über die Charaktererschaffung, was zu Dopplungen und unnötigem Blättern und Suchen führt.
Wer die Konzentration aufbringt, alle Regeln zu lesen und zu verstehen, wird allerdings mit einem im Ersteindruck recht gut ausbalancierten Spielsystem belohnt. Nach einer ersten Gewöhnungsphase dürfte es auch niemanden mehr stören, Spielkarten umzudrehen statt zu würfeln. Für begeisterte Pokerspieler mag das sogar ein Bonus sein.
Das Setting selbst ist Geschmackssache: Ein bisschen Steampunk, ein bisschen Fantasy, ein bisschen Sci-Fi, ein bisschen Pulp, und das alles in einer Welt, die der unseren ähnlich, aber eben doch nicht zu ähnlich ist.
Wer das mag, den können die detailreiche Spielwelt und die ästhetische Gestaltung des Buches sicher teilweise für die frustrierende Unübersichtlichkeit des Regelwerks entschädigen. Dennoch kann man nur schwer darüber hinwegsehen, dass dieses eine gründliche Überarbeitung vor der Drucklegung nötig gehabt hätte. Wirklich uneingeschränkt zu empfehlen ist Dime Adventures daher nur für große Fans von Pulp- und Alternativweltgeschichte-Settings, die gern Karten spielen und zudem äußerst geduldige Leser sind.
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http://www.teilzeithelden.de/2017/08/30/ersteindruck-adventures-in-middle-earth-players-guide-auf-nach-mittelerde-cubicle-7/
Jeder Fantasy-Fan kennt Mittelerde aus J. R. R. Tolkiens Der Herr der Ringe, und viele davon würden dort gerne selber einmal ein Abenteuer erleben. Viele kreative Köpfe haben sich bereits am komplexen Stoff verhoben. Heute testen wir, wie es Adventures in Middle-Earth gelingt.
Vor etwas über fünf Jahren brachte die britische Rollenspielschmiede Cubicle 7 eines der bislang ambitioniertesten Regelsysteme auf den Markt, mit dem Abenteuer in Mittelerde am Spieltisch möglich sein sollten. The One Ring Roleplaying Game wurde zum Kritikerliebling und räumte viele Preise ab. Vor über drei Jahren hat Dirk Walbrühl das System bereits auf diesen Seiten besprochen und dabei auch einen kurzen Überblick über die Geschichte bisheriger Rollenspielsysteme zu Der Herr der Ringe verfasst, den ich mir deswegen an dieser Stelle spare. Die deutsche Version besorgte schließlich der Uhrwerk Verlag, der im Februar diesen Jahres jedoch mitteilte, die Produktreihe aufgrund mangelnder Umsätze einzustellen.
Im englischsprachigen Raum erfreut sich das System jedoch immer noch großer Beliebtheit, weswegen es sich der Publisher erlauben kann, mit dem vorhandenen Setting in eine weitere Richtung zu expandieren. Das Ergebnis ist Adventures in Middle-Earth, eine Umsetzung von The One Ring nach d20-Regeln. Manch einer mag nun skeptisch die Augenbrauen heben und das für eine unnötige Vereinfachung der Regeln und das schamlose Anbiedern an den Mainstream halten. Aber vielleicht ist es auch nur ein sinnvoller Schritt, um potenzielle neue Spieler zu erreichen. Letztlich zählt, was am Ende dabei rauskommt, und das wollen wir uns nun näher ansehen.
Die Spielwelt
Mittelerde ist wahrscheinlich eine der bekanntesten Fantasy-Welten. Fast jeder, der sich auch nur ein bisschen mit diesem Genre beschäftigt, kann sie Tolkiens Der Herr der Ringe zuordnen. Geht es jedoch in die Tiefe, können nur wenige den Überblick über die komplexe Historie Mittelerdes behalten. Ebenso verhält es sich mit der Geographie, den verschiedenen Regionen, den Völkern Mittelerdes und ihrer Kultur. In diesem Punkt sind Experten rar gesät, denn viele Details finden sich nicht in den beiden weithin bekannten prosaischen Werken Der Herr der Ringe und Der Hobbit. Wer tief in Mythos und Welt eintauchen möchte, der muss sich noch durch einige Ergänzungen wie Das Silmarillion wühlen, das vom Namen her zwar ebenfalls fast jedem bekannt sein dürfte, das aber vergleichbar weniger Leute gelesen haben.
Dementsprechend wirkt ein Rollenspiel mit Schwerpunkt auf Mittelerde mitunter regelrecht frisch und unverbraucht, scheint dabei aber dennoch vertraut. Weise Elben in tiefen Wäldern, fleißige Zwerge unter den Bergen und gutmütige Hobbits in den Auen sind jedem ein Begriff, was aber abseits der epischen Reisen einiger wohlbekannter Gefährten in ihrem Leben passiert, ist so gut wie unbekannt.
Das Regelwerk legt den Fokus auf die Zeit zwischen Der Hobbit und Der Herr der Ringe und auf die Region nordöstlich des Nebelgebirges. Die gerade erst wiedererrichteten Königreiche in Thal und unter dem Einsamen Berg, die Seestadt Esgaroth, das Reich der Elben vom Düsterwald und die Ufer des nördlichen Anduin werden als lebhafte Landstriche dargestellt, in denen die Bewohner nach Jahrzehnten der Lethargie mit Tatkraft an einer besseren Zukunft arbeiten. Wer die späteren Ereignisse aus Der Herr der Ringe kennt, der weiß natürlich, dass es nicht mehr als eine letzte wertvolle Ruhepause vor dem Ringkrieg ist, ein letzter tiefer Atemzug, bevor der alte Feind die Länder der freien Völker erneut verheeren wird.
Auch die anderen Regionen Mittelerdes werden beschrieben, aber nicht ganz so ausführlich. Da es möglich ist, auch Charaktere aus Gondor, Rohan oder ganz anderen Landstrichen zu spielen, ist dies natürlich unverzichtbar.
Insgesamt wird Mittelerde stimmig beschrieben, und es gibt an jeder Ecke Anknüpfungspunkte und Ideenspender für neue Abenteuer. Seien es nun alte Ruinen, die von neugierigen Forschern erkundet werden können und so manchen verborgenen Schatz beinhalten mögen, oder von einem finsteren Schrecken geplagte abgelegene Dörfer, die um Hilfe bitten – in Mittelerde gibt es mehr als genug klassische Abenteueraufhänger, die durch das weltbekannte Setting an Farbe gewinnen.
Die Regeln
Genau wie Mittelerde weithin bekannt ist, kennen die meisten Rollenspieler wahrscheinlich auch die d20-Regeln, die inzwischen seit über fünfzehn Jahren unter der Open Gaming License frei nutzbar sind. Deswegen will ich mich den Kernregeln an dieser Stelle nur kurz widmen: Jeder Charakter hat die Attribute Stärke, Geschicklichkeit, Konstitution, Intelligenz, Weisheit und Charisma, von denen sich weitere Werte wie Initiative, Rettungswürfe und so weiter ableiten. Hinzu kommen Fertigkeiten wie Schwimmen, Klettern, Diplomatie und Schleichen, in denen man ebenfalls einen bestimmten numerischen Wert hat.
Daneben gibt es noch Talente, die dem Charakter bestimmte Boni oder Fähigkeiten geben. Bei Adventures in Middle-Earth werden diese Talente für jede Klasse festgelegt, ebenso die Erfahrungsstufe, auf der diese aktiviert werden. Hinzu kommen noch die „Virtues“, also Tugenden. Nur wenige davon sind frei wählbar, die meisten sind an die jeweilige Kultur gebunden, die man bei der Charaktererschaffung gewählt hat.
So weit, so unkompliziert. Was aus The One Ring übernommen wurde, ist die Aufteilung der Abenteuer in eine Reise- und eine Gefährten-Phase. Vorgesehen ist, dass die Abenteurergruppe einmal im Jahr zu einer gemeinsamen Queste aufbricht. Dabei kann es sich um eine Forschungsreise zu alten Ruinen oder eine Erkundungsmission in feindliches Gebiet handeln. Neben dem eigentlichen Abenteuer spielen die Ereignisse auf der Reise eine wichtige Rolle, da sie große Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der Charaktere nehmen können. Diese Ereignisse werden über Zufallstabellen ausgewürfelt und von der Gefahrenstufe der Reise modifiziert. Diese reicht von 1 (Auenland) bis 5 (Mordor) und beeinflusst die Wahrscheinlichkeit, mit der die Reisegruppe unter guten Vorzeichen aufbricht oder bereits am ersten Reisetag von einem Unglücksfall aus der Bahn gestoßen wird. Auch die Anzahl der Zufallsbegegnungen und deren Art werden von der Gefahrenstufe beeinflusst, also ob der Jäger der Gruppe eine besonders wertvolle und nahrhafte Beute macht, die Gruppe auf einen Ort trifft, der leider die Heimat eines uralten Schreckens ist oder unvorbereitet den Weg mit einer Gruppe Orks oder Banditen kreuzt.
Nachdem der eigentliche Zweck der Reise erfüllt ist, kommt es zur Rückreise, auf der es ebenfalls wieder zu kleinen Unannehmlichkeiten oder ausgewachsenen Problem kommen kann.
Welchen Sinn dies am Ende eines Abenteuers macht? Nun, der Clou bei Adventures in Middle-Earth ist unter anderem, dass die Abenteuer nie wirklich enden. Nach der Reisephase kommt die Gefährtenphase. In dieser Phase können die Charaktere sich eine Zuflucht suchen, sich in ihr entspannen, neue Verbündete gewinnen, in alten Schriften forschen oder einfach im nächsten Gasthaus von ihren Abenteuern berichten.
Sie können sich auch von belastenden Schattenpunkten befreien, die sie im Laufe ihrer Reise vielleicht angesammelt haben. Diese Punkte stellen dar, wie sehr der Schatten des Alten Feindes auf der Seele der Charaktere lastet. Jedes Mal, wenn sie sich durch einen Landstrich bewegen, der an den Schatten gefallen ist, laufen sie Gefahr, dass er sich im Verborgenen auf ihre Herzen legt. Doch auch Lügen, Drohungen oder Machtmissbrauch können zu Schattenpunkten führen. Ebenso kann ein auf der letzten Reise zufällig gefundener Schatz zu großer Gier führen. Hat ein Charakter zu viele Schattenpunkte angesammelt, drückt sich dies in Wahnsinn, oder auch einfach nur Neid, Arroganz oder Hinterhältigkeit aus. Ein netter Regelmechanismus, der rollenspielerische Anreize schafft, um tragische Helden darzustellen, die mit dem Schatten in sich selbst kämpfen müssen.
Charaktererschaffung
Die Charaktererschaffung weicht nicht sonderlich von den grundlegenden d20-Regeln ab. Jeder Spieler wählt eine Kultur – zur Auswahl stehen Bardinger, Beorninger, Dúnedain, Zwerge vom Einsamen Berg, Elben aus dem Düsterwald, Hobbits, Menschen aus Bree, Menschen aus Seestadt, Menschen aus Minas Tirith, Reiter von Rohan und Bewohner der Wilderland – und eine Klasse aus. Bei den Klassen handelt es sich um Scholaren, „Slayer“, Schatzsucher, Wanderer, Bewahrer und Krieger, die je zwei Unterklassen haben, je nachdem, wo der Schwerpunkt gelegt wird. Ein Scholar muss sich zum Beispiel auf Stufe drei entscheiden, ob er sich auf die Heilkunst oder das Studium alter Schriften und Runen spezialisieren will.
Jeder Charakter wählt zudem einen Hintergrund aus, der ihn ins Abenteuerleben geführt hat. Sei es nun als loyaler Diener á la Samweis Gamdschie, der seinem Herrn ins Abenteuer folgt, oder als Vertriebener, der seine Heimat an den Schatten verloren hat. Dadurch kann jeder Spieler seinem Charakter noch etwas mehr Tiefe verleihen.
Alles in allem sollte die Charaktererschaffung schnell vorangehen, bietet aber aufgrund der vielen Kombinationsmöglichkeiten viele Möglichkeiten, die jeden Spieler zufriedenstellen dürften.
Erscheinungsbild
Die Illustrationen wurden, soweit ich das überblicken kann – fast sämtlich aus den Büchern zu Der Eine Ring übernommen. Daran ist aber nicht viel auszusetzen, denn die Qualität ist natürlich weiterhin sehr hoch. Stimmige und wunderschöne Zeichnungen der beschriebenen Städte und Landschaften prägen den Band. Gerade die Darstellungen von Menschen, Elben, Zwergen und Hobbits rutschen aber manchmal in die Zweckmäßigkeit ab. Bei den Zwergen mache ich mir manchmal sogar ernsthafte Sorgen um deren Gelenke, wenn ich sehe mit welch dürren Beinchen sie ihre tonnenhaften Oberkörper durch die Gegend schleppen müssen. Aber das sind nur Kleinigkeiten.
Auch vom Layout her macht der Band einen aufgeräumten und übersichtlichen Eindruck. Der Platz wird großzügig genutzt, um die Regeln und den Hintergrund darzustellen, entsprechende Querverweise auf übersichtliche und kompakte Boxen sind immer vorhanden.
Fazit
Wie eingangs erwähnt wirkt Adventures in Middle-Earth trotz des altbekannten Settings fast schon frisch und unverbraucht. Das liegt sicher auch an der etwas ungewöhnlichen aber originellen Aufteilung in Reisephase und Gefährtenphase. Durch diesen Kniff schaffen die Autoren eine regeltechnische Grundlage, um zum einen den Aspekt der reisenden Gefährten als auch den erholsamen und lehrreichen Aufenthalt an behaglichen Zufluchtsorten abzubilden.
Dank dieser umfassenden Ergänzungen, wie auch den verderbenden Schattenpunkten, ist es ihnen gelungen, den bisweilen etwas platten d20-Helden etwas mehr Tiefgang zu verleihen, der sich auch in den Regeln und nicht nur durch gutes Rollenspiel ausdrückt.
Hier sollten auf jeden Fall d20-Kenner zugreifen, die Der Eine Ring interessant finden, aber nicht einen Haufen neuer Regeln lernen wollen. Ohnehin kann ich diesen Band jedem Mittelerde-Fan empfehlen, der auch am Spieltisch endlich einmal einen stilvollen Ausflug in Tolkiens Welt der Elben und Hobbits machen möchte. Wer hingegen schon mit Der Eine Ring vollends zufrieden ist, kann diesen Band ruhigen Gewissens auslassen.
Zuviel sollte der Käufer aber nicht erwarten. Hier gibt es wirklich nur die grundlegenden Regeln und alles, was der Spieler zur Charaktererschaffung braucht. Mehr zum Hintergrund gibt es in den einzelnen Regionalbeschreibungen, mehr zu den Regeln im Loremaster's Guide, den wir im nächsten Monat besprechen werden. Da es ansonsten nicht viel zu meckern gibt und das Player's Guide ein durch und durch rundes Produkt ist, gibt es von meiner Seite aus die Bestnote. Wer d20 generell nicht gut findet, zieht einen bis zwei Punkte ab und schaut sich Der Eine Ring an.
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